Im Schatten der Globalisierung

Jahrzehnte lang war die Bundesrepublik Deutschland einer der wichtigsten Handelspartner des Iran. Heute machen Sanktionen und Strafandrohungen der USA den Handel mit der Islamischen Republik schwierig. Ein historischer Überblick und der aktuelle Stand der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen.
Von Javad Kooroshy
Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts konnten bilaterale Beziehung zwischen zwei souveränen Staaten beliebig und nach dem Willen der Vertragsparteien gestaltet werden. Heute sind zwischenstaatliche Wirtschaftsbeziehungen hingegen viel mehr von multilateralen Gegebenheiten abhängig als von Absichtserklärungen der Vertragsparteien. In Anbetracht der politischen und ökonomischen Verflechtungen der Volkswirtschaften miteinander, einer polarisierenden Weltpolitik und des rasanten Informationsaustauschs ist jedes Land gefordert, sich bestimmten Rahmenbedingungen zu unterwerfen, um die Beziehungen zu anderen Ländern nicht zu belasten.
Jüngstes Beispiel sind die Anstrengungen der EU-Länder, mithilfe von bestimmten Maßnahmen und Mechanismen den Druck der US-amerikanischen Sanktionen gegen den Iran abzufedern, und dem Iran zu helfen, die Verbindungen mit internationalen Banken aufrechtzuerhalten. Dabei wollen sie auch ihre guten Beziehungen zu den USA beibehalten – ein schwieriges Unterfangen.
Ein Rückblick
Die ersten Versuche des Iran – damals im Ausland noch Persien genannt -, mit Europa offizielle Beziehungen aufzunehmen, gehen auf das Jahr 1523 zurück, als Schah Ismail Safavi sich mit einem Brief an die europäischen Höfe mit dem Vorschlag wandte, sich gegen den gemeinsamen Feind, das Osmanische Reich, zu vereinen. Diese und weitere Anstrengungen des Iran blieben jedoch damals zunächst erfolglos.
Von deutscher Seite gehört die Reise von Johannes Georg Siemens in den Iran im Jahr 1868 zu den ersten wichtigen Versuchen wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Damals ging es um Verhandlungen über den Bau der Indo-Europäischen Telegrafenlinie. Das Unternehmen Siemens ist bis heute ein aktiver Partner des Iran.

Der Deutsche Kurt Lindenblatt war der erste Präsident der iranischen Nationalbank (1928-32) - Foto: iichs.ir
Der Deutsche Kurt Lindenblatt war der erste Präsident der iranischen Nationalbank (1928-32) – Foto: iichs.ir

 
Erst der Besuch des Qadjaren-Königs Nasseredin Schah in Berlin im Jahr 1873 ebnete den Weg für langfristige diplomatische, kulturelle und ökonomische Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran. Der Iran eröffnete 1885 seine erste diplomatische Vertretung in Berlin und schon 1906 wurde die erste deutsche Schule im Iran eröffnet.
Die beiderseitige Sympathie – von vielen Autoren und Experten festgestellt – überstand bis heute alle Entwicklungen in beiden Ländern: den Ersten Weltkrieg, den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg, das Schah-Regime mit dessen Berlin-Besuch im Jahr 1967, der zur Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch einen deutschen Polizisten führte, und die islamische Revolution.
Deutschland und der Iran haben mit unterschiedlichem Blickwinkel und aus eigenen Interessen ihre Beziehung gepflegt: Von Anfang an war für Deutschland neben Wirtschaftsinteressen die geopolitische Lage des Iran als “Tor nach Indien” von strategischer Bedeutung, insbesondere wegen des Konkurrenzkampfs mit dem Erzfeind Großbritannien. Und für den Iran war Deutschland ein Gegengewicht zu Großbritannien und Russland, die den Iran unter sich aufgeteilt hatten, zur Aufrechterhaltung der nationalen Souveränität.
Eckpfeiler der Beziehung
Die Handelsbeziehungen zwischen dem Iran und Deutschland waren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht von großer Bedeutung. Erst als 1952 diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik (BRD) und dem Iran aufgenommen wurden, entwickelte sich Deutschland zum wichtigsten Wirtschaftspartner des Iran.
In den letzten zwei Dekaden vor der Revolution von 1979, als die Industrialisierung des Iran ein bis dahin unerwartetes Tempo erreicht hatte, gehörten deutsche Firmen zu den ersten und aktivsten ausländischen Unternehmen, die sich an diesem Prozess beteiligten. Etwa 30 Prozent der industriellen Infrastruktur des Iran stammte damals aus deutscher Produktion. Besonders in den Bereichen Zucker- und Textilindustrie, Bergbau, Transportwesen und Elektrifizierung spielten die Deutschen eine dominierende Rolle.
In den letzten fünf Jahren vor der iranischen Revolution und noch einige Jahre danach war die Bundesrepublik der erste Exporteur in den Iran. Von dort kamen jährlich etwa 20 Prozent der Gesamtimporte des Landes. Nach den Statistischen Jahrbüchern des Iran stieg das Importvolumen aus der BRD von etwa 830 Millionen DM im Jahr 1971 bis 1982 auf 4,7 Milliarden DM an. Der bundesdeutsche Anteil am gesamten Export der damaligen EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) in den Iran betrug 60 Prozent.
Beziehungen seit 1979
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