Zwischen Gottes- und Überwachungsstaat

In den vergangenen Wochen kam es im Iran wieder zu Festnahmen von Internetaktivisten. Ein Regierungsberater warnt vor polizeistaatlicher Kontrolle der Bürger. Die Sicherheitsbehörde der Militärgarden lässt sich davon aber nicht beeinflussen.
Ein Video macht diese Tage auf YouTube und andern Internetplattformen die Runde. Es zeigt einige junge Männer in Gefängniskleidung und Handschellen, vor einer Wand stehend, mit dem Rücken zur Kamera. Sie werden von einem Justizbeamten als „Spione“ vorgestellt, die für ausländische Sender gearbeitet hätten.
Diese jungen Männer gehören zu den insgesamt 16 InternetaktivistInnen und AkteurInnen sozialer Netzwerke, die in den letzten Tagen vom Nachrichtendienst der  Revolutionsgarden verhaftet wurden. Laut Medienberichten wird ihnen unter anderem „Aktivitäten in einem komplexen medialen Netzwerk und Handeln gegen die nationale Sicherheit“ vorgeworfen. Es handelte sich dabei unter anderem um die Organisatoren der Internetseite „Narenji“ (Orange), die die neuesten Technologien im Bereich des Cyberspace vorstellt. Laut der Nachrichtenplattform Kalameh wurden die Verhafteten ins Evin-Gefängnis in Teheran gebracht. In der Regel bekommen politische Gefangene, die unter diesem Vorwurf stehen, zunächst keine Anwälte.
Parallele Sicherheitsdienste

Verhaftete Internetaktivisten, denen Spionage vorgeworfen wird (screen shot)
Verhaftete Internetaktivisten, denen Spionage vorgeworfen wird (screen shot)

In der vergangenen Woche berichteten viele Internetseiten und MenschrechtsaktivistInnen, dass trotz des Regierungswechsels im Iran die militärischen Sicherheitsbehörden politische AktivistInnenen, JournalistInnen und RegierungskritikerInnen weiter unter Druck setzen. Vor zwei Wochen war der in Holland lebende Designer und Filmemacher Samad Chatibi bei seiner Ankunft am Teheraner Flughafen festgenommen worden. Chatibi hatte bei den letzten Präsidentschaftswahlen Hassan Rouhani unterstützt. Er hat einen Masterabschluss im Studiengang Industriedesign der Universität Delft in Holland und ist auch als Filmemacher aktiv. Chatibi hatte 2009 mit seinen grafischen Werken „die grüne Bewegung“ im Iran unterstützt. Der regierungskritischen Nachrichtenwebseite Saham News zufolge wurde Chatibis Familie von den Sicherheitsbehörden vor Interviews mit den Medien gewarnt.
Im November versprach die Regierung Rouhani die Bildung eines Kommittes für die Rückkehr von  iranischen EmigrantInnen und politischen AktivistInnen aus dem Ausland. Zuvor hatte aber der Justizsprecher Gholamhossein Mohseni Ejei bereits gewarnt, man zwar die Einreise der Oppositionellen nicht verhindern, sie könnten aber nach der Rückkehr verfolgt werden, „wenn es Vorwürfe gegen sie gibt“, so der Sprecher.
Abgehörte Abgeordnete
Der Designer und Filmemacher Samad Chatibi - Foto: irangreenvoice.com
Der Designer und Filmemacher Samad Chatibi – Foto: irangreenvoice.com

Neben der Überwachung des Internets sollen auch Abgeordnete des Parlaments abgehört werden. Die reformorientierte Zeitung Etemad berichtete unter Berufung auf den konservativen Abgeordneten Ali Motahari, dass die Handys aller Parlamentarier durch die Sicherheitsbehörden abgehört würden. Auch seine Telefonate seien mitgehört worden, seit bekannt wurde, dass er sich in seinem Büro mit Regierungskritikern getroffen habe.
Der Regierungsberater in Fragen ethnischer und religiöser Minderheiten, Ali Younessi, sprach vergangene Woche in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ISNA von der Gefahr einer polizeistaatlichen Entwicklung der Gesellschaft. „Das Informationsministerium steht noch nicht vollkommen unter der Kontrolle der neuen Regierung und viele Gouverneure sind noch nicht ersetzt worden“, so Younessi. 
Solche Ansichten deuten zwar auf einen vielversprechenden Trend unter Regierungsbeamten des Iran hin. Aber nicht alle Kräfte im Staatssystem teilen die Ansicht, dass polizeistaatliche Kontrolle negativ sei, schrieb kürzlich die Nachrichtenseite Kalameh.
Stärkere Kontrolle des Cyberspace
Die Sicherheitsbehörden des Militärs möchten anscheinend durch die jüngsten Verhaftungen den Eindruck erwecken, dass auch unter der neuen Regierung AktivistInnen, JournalistInnen und DissidentInnen überwacht werden. Laut Kalameh versuchen die Nachrichtendienste der Militärgarden seit einiger Zeit, durch technische Aufrüstung und Anstellung von Computerexperten, die Aktivitäten im Internet noch stärker zu überwachen.
   Farhad Salmanian