„Wir verändern das männliche Gesicht des Parlaments“
Am männlich geprägten Image des iranischen Parlaments wird gerüttelt: Eine Gruppe von Frauenaktivistinnen führt seit Wochen eine Kampagne, die mehr Parlamentssitze für Frauen fordert. Wie soll das gehen?
Um eine höhere Frauenquote im iranischen Parlament zu erreichen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten bereits einige Anstrengungen unternommen. Der Erfolg blieb jedoch aus. Anfang 2015 legte die Frauenbeauftragte des iranischen Präsidenten, die Juristin Shahindokht Molaverdi, dem Nationalen Sicherheitsrat deshalb eine Forderung nach einer Frauenquote im Parlament vor, die aber abgelehnt wurde. Molaverdi wandte sich mit ihrer Forderung daraufhin direkt an das religiöse Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, selbst – doch auch er blieb eine Antwort schuldig.
Dann bereitete die Frauenfraktion im Parlament eine Gesetzesvorlage für die Regulierung der Frauenquote vor, die ebenfalls unberücksichtigt blieb. Nun, einige Monate vor den iranischen Parlamentswahlen, starten Frauenaktivistinnen eine neue Kampagne für eine Frauenquote zur „Veränderung des männlichen Gesichts des iranischen Parlaments“. Zu den Initiatorinnen der Kampagne gehören Shahla Lahiji, Leiterin des Verlags Roshangaran, die Frauenrechtlerinnen Shiva Nazarahari und Jila Shariatmadari, die Soziologinnen Jale Shaditalab und Soraya Azizpanah, die Kinderrechtlerin Zahra Rabani, die Zivilrechtlerin Mahide Golru und Nahid Tavasoli, Chefredakteurin der Zeitschrift Nafe und Frauenforscherin.
Nur drei Prozent der Sitze
Sie berufen sich bei ihrer Kampagne auf die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen, die die Regierungen verpflichtetet, bis 2015 einige gesellschaftliche Veränderungen zu erzielen, zu denen auch die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Stärkung der Frauen in der Gesellschaft gehören. Eines der Millenniumsentwicklungsziele war, bis 2015 einen Frauenanteil von 30 Prozent in den Parlamenten zu erreichen. Auch Paragraph 20 des iranischen Grundgesetzes sieht gleiche Rechte für Frauen und Männer in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur vor.
Doch im Iran sind derzeit nur 3 Prozent der Parlamentssitze von Frauen belegt. Zum Vergleich: Im Deutschen Bundestag sind 32 Prozent der Abgeordneten Frauen. Nun wollen die iranischen Aktivistinnen die Zahl der weiblichen Abgeordneten auf 50 erhöhen.
Drei Arbeitsbereiche
In drei Arbeitsgruppen wollen die Frauenaktivistinnen für ihr Ziel kämpfen. Die Arbeitsgruppe „Frau kandidiert“ betont das Recht von Frauen, gewählt zu werden. In Workshops sollen Frauen für die Kandidatur bei den Wahlen motiviert und mit parlamentarischen Aufgaben vertraut gemacht werden. Eines der Ziele der Gruppe ist die Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen gegen Frauendiskriminierung mit RechtsexpertInnen. Die zweite Arbeitsgruppe trägt den Namen „50 Parlamentssitze für Frauen“. Sie beschäftigt sich mit der Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau bei der Kandidatur für die Parlamentswahlen. Die dritte Arbeitsgruppe trägt den Namen „Rote Karte für frauenfeindliche Kandidaten“ und prüft die Kandidatenliste auf die Einstellungen der Nominierten gegenüber Frauen. Durch Interviews mit Ehefrauen und Töchtern von Abgeordneten und Kandidaten hofft der Arbeitskreis, frauendiskriminierende Positionen klarzustellen. Auch der parlamentarische Werdegang der Abgeordneten und Kandidaten und ihre Wahlprogramme sollen auf ihre Einstellung gegenüber Frauen geprüft werden.
Ohne Hemmung gegen Frauenrechte
„Nach einhundert Jahren Kampf für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter beabsichtigen wir, uns bei den Staatsmännern Gehör zu verschaffen“, schreiben die Mitglieder der Kampagne in ihrer ersten Erklärung. Sie kritisieren die Situation der Frauen im Iran und weisen darauf hin, dass Männer ohne Hemmung „in der Gesetzgebung und den entscheidenden Organen gegen die Frauenrechte und die Gleichberechtigung“ handelten. Dies entspräche nicht der Rolle, die Frauen „in Familie, Wirtschaft und Kultur innehaben“. Sie seien deshalb entschlossen, „die KandidatInnen zu unterstützen, die für die Gleichberechtigung aller Bürger eintreten“.
Tatsache ist, dass die weiblichen Abgeordneten des iranischen Parlaments bisher stets Regimetreue waren, die der offiziellen Linie des Staates und des Islams ohne Widerspruch folgten. Sie waren entweder mit mächtigen Staatsmännern verwandt oder verschwägert, gehörten Organisationen an, die den Machtzirkeln nahestehen, oder folgten Gruppen, die die strenge Interpretation des Islams auf ihre Fahne geschrieben haben. Denn unabhängige und demokratisch gesinnte KandidatInnen wurden bisher vom iranischen Wächterrat gar nicht zu den Wahlen zugelassen. So konnten weibliche Abgeordnete nicht für die Gleichberechtigung der Frauen kämpfen.
Manche Frauenaktivistinnen lehnen die Kampagne dennoch ab. Sie sind der Meinung, dass mehr Sitze für Frauen im Parlament nicht unbedingt bedeuten, die Gesetze und die Politik im Iran zugunsten von Frauen verändern zu können. Die Initiatorinnen betonen jedoch immer wieder, dass mehr Parlamentssitze ein Meilenstein auf dem langen Weg zur Gleichstellung seien und einige Hindernisse für Frauen beseitigen könnten.
MINA TEHRANI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Omid Shadiwar
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