Wie der Dialog mit Iran „kritisch“ wurde

Wie halten wir es mit dem Iran – und wie nennen wir unsere Haltung? Das fragt sich Deutschland seit Bestehen der Islamischen Republik. Einst erfand man für die  Beziehung zum Iran die Bezeichnung „kritischer Dialog“. Davon spricht heute zwar niemand mehr. Doch Europa muss bald erneut seinen Umgang mit dem Iran definieren und benennen. Denn eine Reihe von Staaten mit Trumps USA an der Spitze haben sich längst auf den Weg gemacht – Richtung Regime Change.
Von Ali Sadrzadeh
Es gibt Totgeborene, die das Leben prägen. Jahre, Jahrzehnte danach sucht man immer wieder nach Gründen für die Fehlgeburt. Deshalb vergisst man weder das Geburtsdatum noch die Eltern des toten Kindes. Der „kritische Dialog mit dem Iran“ war eine solche Fehlgeburt.
Man könnte sich fragen, wer um Himmels Willen sich heute noch für diese eigenartige Totgeburt interessiert? Wem nutzt es zu wissen, warum Deutschland, warum Europa vor fast dreißig Jahren ihrer Beziehung zum Iran diesen Namen gaben?
Die Antwort ist ganz einfach: Weil man heute immer noch nicht weiß, ob und wenn ja wie man einen Dialog mit dem Iran führen könnte. So gesehen ist man heute noch am Ausgangspunkt, genau da, wo man vor dreißig Jahren war. Immer noch sucht Deutschland, sucht Europa einen gangbaren Weg in Richtung Iran.
Und heute, wo die Umgebung noch unübersichtlicher geworden und der Weg noch schwerer zu finden ist, ist es notwendig, zumindest die Richtung zu kennen. Dringender noch als vor 30 Jahren braucht man heute einen Kompass, weil andere wichtige Länder, mit Trumps USA an der Spitze, sich längst auf den Weg gemacht haben. Auf einen Weg, an dessen Ende ein Regime Change in Teheran steht.

Dieses Foto kursiert seit Sonntag, den 24. November, in der persischsprachigen Internetgemeinde. Es zeigt den iranischen Außenminister M. Javad Sarif (li.) und seinen US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry beim Händeschütteln nach der "historischen Einigung" zwischen dem Iran und dem Westen zur Lösung des Atomkonflikts -. Foto: Fararu.com
Der Traum der iranischen Regierung wurde nicht erfüllt: Die Annäherung an die USA und dadurch die Rettung der iranischen Wirtschaft – Foto: Irans Außenminister M. Javad Sarif (li.) und sein US-amerikanischer Amtskollege John Kerry beim Händeschütteln nach der „historischen Einigung“ zur Lösung des Atomkonflikts (Quelle: Fararu.com)

 
 Auf Zehenspitzen
Und das Feld für die Ächtung der Islamischen Republik scheint vorbereitet zu sein:
Am 18. Januar 2019 setzte die Nachrichtenagentur Reuters einen Bericht über den Iran unter dem vielsagenden Titel ab: „ Europe’s patience with Iran wears thin, tiptoes toward Trump“. Danach schrieben wichtige Blätter, dass Europa sich bald entscheiden müsse, und alle waren dabei: Spiegel, NZZ, FAZ, Le Monde und die Times.
Geht die europäische Geduld mit dem Iran tatsächlich zu Ende? Und wenn ja, was kommt danach? Oder will Deutschland und mit ihm ganz Europa sich auf Trumps Pfad nach Teheran begeben, Richtung Regime Change? Offenbar ja, aber nur auf Zehenspitzen – so wie Reuters es schreibt.
Deutschland befand sich vor dreißig Jahren schon einmal in solch einer dramatischen Situation, wo man zwischen Baum und Borke einen Ausweg suchen musste und schließlich zum „kritischen Dialog“ gelangte. Die Koordinaten sind die gleichen: Die USA und ihre Verbündeten in der Region sind heute wie damals auf Konfrontationskurs mit dem Iran, während Europa immer noch einen Weg zum Dialog sucht.
Aufwühlend und spannungsreich waren die Jahre, als ein langer, mörderischer Krieg mit Hunderttausenden Toten an der Grenze zwischen dem Iran und dem Irak tobte. Es war die Epoche der Isolation, in der man die Mächtigen der Islamischen Republik auf den internationalen Bühnen wie Aussätzige behandelte.
Kriegsreporter verglichen die Brutalität des ersten Golfkrieges mit jener des Ersten Weltkriegs. Und als Zuschauer dieses Blutvergießens favorisierte die gesamte Welt – jedenfalls medial – den irakischen Diktator Saddam Hussein, obwohl er derjenige war, der den Krieg vom Zaun gebrochen hatte.
Es herrschte zwar der Kalte Krieg, doch alle Super- und Mittelmächte der Welt waren Saddams Waffenlieferanten, die kapitalistischen USA ebenso wie die sozialistische UdSSR. Kriegsgerät kamen buchstäblich aus Nah und Fern nach Bagdad, und alle waren dabei: Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Südafrika, Brasilien, die Türkei und Indien.
 Israel als Waffenlieferant
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