Religiöse Hetze gegen Künstlerin
Ende Mai erhielt die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Forouhar eine Nachricht aus Teheran, die als „sehr dringlich“ gekennzeichnet war. Sie enthielt mehrere Links, die sie zu Webseiten von Nachrichtenagenturen der Hardliner im Iran führten. Dort wurde ihr „Blasphemie“ vorgeworfen, was die Künstlerin in eine schwierige Lage bringen kann. In einer Erklärung für Iran Journal erläutert Forouhar die Hintergründe dieses Vorwurfs.
Laut dem Gesetz der Islamischen Republik Irans ist Blasphemie ein Delikt, das mit einer Haftstrafe von drei bis zehn Jahren geahndet wird. Als Beweis für diesen Vorwurf wird eine meiner künstlerischen Arbeiten, eine Installation, angeführt, die ich 2008 hergestellt und seitdem bei diversen Ausstellungen gezeigt habe, zuletzt 2013 in der Kunsthalle Lingen.
Bei der Installation “Countdown” handelt es sich um eine Anzahl von Kunstobjekten, deren Form aus den seit der Hippie-Bewegung in Mode gekommenen Sitzsäcken abgeleitet ist. Auf jedes dieser Kunstobjekte sind Ausschnitte aus religiösen schiitischen Bannern appliziert worden. Solche Banner, eine Mischung aus Kalligrafie, Mustern und grellen Farben, werden im Iran als Massenware hergestellt und bei der Trauerzeremonie für den dritten schiitischen Imam, Imam Hussein, als Ausstattung eingesetzt. Sie werden als Fahnen aufgehängt; die Innen- und Außenwände diverser Gebäude werden mit diesen Tüchern abgedeckt, aber auch Rednerpulte, Bühnen, Treppengeländer, LKW, Busse, PKW und einiges mehr. Sie werden zu Applikationen, die sich über das Stadtbild ziehen.
Ein Foto als Anlass der Hetze
Die Wiederentdeckung meiner Kunstobjekte geht auf eine Fotografie zurück, die eine in London ansässige iranische Juristin und Menschenrechtlerin von sich mit einem der Objekte gemacht und auf ihrer Facebook- und Instagramseite veröffentlicht hat.
Das Bild zeigt die Frau sitzend auf dem Objekt, während sie ein Glas in der Hand hält, das eine farblose Flüssigkeit beinhaltet. Sie lächelt in die Kamera. Innerhalb kurzer Zeit löste dieses Bild eine Welle der Empörung in den sozialen Netzwerken aus, begleitet von Mord- und Gewaltandrohungen gegen die Juristin, aber auch gegen mich als die Urheberin des „blasphemischen Objektes“.
Alt bekanntes Muster der Hetze
Die Nachrichtenagenturen der Hardliner nahmen diese Welle zum Anlass, um sich als Sprachrohr des „aufgebrachten Volkes“ zu profilieren und juristische Maßnahmen zu verlangen. Es wurden zahlreiche Meldungen veröffentlicht und einige „Experten“ interviewt. Dabei wurden erneut „Imperialismus und Zionismus“ als Drahtzieher entdeckt und „geheime und teuflische Machenschaften“ aufgedeckt, die die „Überfremdung der eigenen, schiitischen Kultur“ zum Ziel hätten. Dem altbekannten Muster solcher Hetze entsprechend wurden Feminismus, Säkularismus und der Glaube an die Universalität der Menschenrechte als Doktrin des „Staatsfeindes“ stigmatisiert. Für mich bleibt nun abzuwarten, wie sich diese Prozedur entwickeln wird
Solche Hetzen sind ein immer wiederkehrendes Muster in der zeitgenössischen Geschichte des Iran. Sie werden zur Isolierung und Diskriminierung Andersdenkender eingesetzt. Mal ziehen sie brutale Überfälle des „spontan agierenden Volkes“ nach sich, mal führen sie zu einer fortlaufenden Negativpresse, die die Abkapselung der Zielperson aus der Gesellschaft bewirkt, mal liefern sie Anlass zu juristischer Verfolgung.
Das Foto als Vorwand
Das Bild hatte ich schon am Anfang seiner Veröffentlichung auf Facebook gesehen. Die Wucht der Reaktionen, die es nach sich zog, habe ich nicht vorhersehen können. Dass ein privates Bild einer anderen Person zusammen mit einer alten Arbeit von mir, die der Öffentlichkeit schon längst über Medienberichte, auch Farsi-sprachige, bekannt war, als Vorwand zu meiner Diffamierung eingesetzt wurde, erschütterte mich zutiefst. Dass meine künstlerische und politische Reputation, die ich hart und mühsam erarbeitet habe, so dreist denunziert wurde, machte mich traurig und wütend. Jedoch war mir schon von Anbeginn klar, dass dieser Schwindel das Unterbinden meines Engagements zur Erinnerung und Aufklärung der politischen Morde und der damit verbundenen Reisen in den Iran zum Ziel hatten. Ebenso wie kontinuierlich eingesetzte weitere Einschüchterungsmethoden der Kontrollorgane der Islamischen Republik gegen mich.
Ich habe mich am 13. Juni in einem Schreiben an die iranische Öffentlichkeit gewandt, um die Geschichte von meinem Standpunkt aus zu erzählen und die Missverständnisse bezüglich meiner künstlerischen Arbeit auszuräumen. Im Vorfeld waren bereits einige Artikel in Farsi-sprachigen Medien außerhalb des Iran veröffentlicht worden, um die Hetzkampagne anzuprangern und deren manipulierende Ziele zu erörtern.
Die Hetze zeigt Wirkung
In den ersten Tagen dieses Spektakels ist eine Gruppenausstellung in einer Teheraner Galerie, die unter anderem meine Arbeiten zeigte, frühzeitig beendet worden, um potenzielle Angriffe zu verhindern. Eine weitere Gruppenausstellung, zu der ich eingeladen war, habe ich selbst abgesagt, um meine Kollegen zu entlasten. Da aber mein Name auf der Vorankündigung der Ausstellung erschienen war, wurde die Galerie von einem „Reporter“ einer der Nachrichtenagenturen der Hardliner aufgesucht. Der Kurator musste sich einem verhörähnlichen Interview aussetzen. In einem am 14. Juni veröffentlichten Bericht wird meine Beteiligung an der Ausstellung als „Vergehen“ und ich selbst als die „Anti-Religions-Künstlerin“ bezeichnet. Seitdem habe ich keine weiteren Medienberichte über dieses Thema finden können.
Eine perfide Kampagne
Die bittere Erfahrung der letzten Monate zeigt eine heimtückische Verfahrensweise der Kontrollorgane des Regimes gegen mich und meine Anliegen. Die hinterhältigen Einbrüche in das Haus meiner Eltern, das im kollektiven Bewusstsein zu einem Ort der Erinnerung und des Widerstands geworden ist, bekräftigen diese Annahme. Die Spuren der Einbrecher, die Gegenstände entwendet und eine Zerstörung des Ortes hinterlassen haben, setzt sich nun in der Kampagne gegen die gesellschaftliche Integration und Reputation meiner Person fort.
Bei meinen letzten Aufenthalt im Iran im Februar und März diesen Jahres, während ich das beschädigte Haus wieder aufgebaut und sein gebrochenes Bild wieder hergestellt habe, wollte ich in Zusammenarbeit mit einem Verlag ein kleineres künstlerische Projekt realisieren. Mit einer ungewöhnlichen Härte wurde ein Verbot über das Projekt erhängt. Bei einer Verhörsitzung wurde dem Verleger mitgeteilt, dass nicht das Kunstprojekt, sondern die Künstlerin der Beweggrund dieses Verfahrens sei. Auch diese Aussage bezeugt eine von langer Hand geplante Verbannung meiner Person aus der Gesellschaft.
Für mich bleibt nun abzuwarten, wie sich diese Prozedur entwickeln wird – bis zu meiner nächsten Reise in den Iran zum Anlass des Gedenkens an meine ermordeten Eltern im November.
PARASTOU FOROUHAR*
* Parastou Forouhar ist die Tochter des Politikerehepaars Daryoush Forouhar und Parvaneh Eskandari, die 1998 vom iranischen Geheimdienst bestialisch ermordet wurden. Sie studierte bis 1990 Kunst an der Universität Teheran und kam 1991 nach Deutschland. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit schrieb sie hier auch ein Buch mit dem Titel „Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden“.