Gedenken in einem verbarrikadierten Haus

Die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Forouhar war Ende November wegen der  Gedenkfeier zum Todestag ihrer Eltern im Iran. Das Politikerehepaar Darioush und Parvaneh Forouhar wurde vor 13 Jahren in ihrem Haus durch Agenten des Informationsministeriums in Teheran ermordet. TFI sprach mit Parastou Forouhar über ihre problematische Reise in die Heimat, ihre Auseinandersetzung mit den Sicherheitsbehörden und mehr.

 
TFI: Frau Forouhar, wie fühlten Sie sich, als Sie am Flughafen in Teheran ankamen?
Ich beschäftige mich immer schon Wochen vorher mit der Ankunft dort. Ich bereite mich auf diese Situation vor, indem ich mir unterschiedliche Szenarien ausdenke und mir vorstelle, wie ich reagieren würde. Ich versuche, eine innere Haltung zu erlangen, die mir ermöglicht, mich auf mich selbst verlassen zu können. Trotzdem ist die  Ankunft in Teheran immer mit Unsicherheiten verbunden. In den vergangenen Jahren habe ich jedes Mal schon am Flughafen Probleme bekommen. Entweder wurde mir der Pass weggenommen oder ich wurde zu Verhören vorgeladen. Auch dieses Mal war es so.
Sie wollten in Teheran eine Gedenkveranstaltung für Ihre Eltern durchführen. Ist sie gelungen?
Bei diesem Besuch wurde ich bereits bei meiner Ankunft am Flughafen ausgerufen und bekam eine Vorladung in das Informationsministerium. Ich wusste sofort, dass auch in diesem Jahr die Gedenkveranstaltung verboten werden würde. Genau das wurde mir bei dem Termin im Ministerium dann auch offiziell mitgeteilt. Ich wurde ausdrücklich vor den Konsequenzen gewarnt, wenn ich das Verbot missachten würde. Das ist so eine Drohkulisse, die aufgebaut wird, um einen zu schikanieren und zu ängstigen. Das absolute Verbot, das für die Gedenkveranstaltung ausgesprochen wurde, heißt in der Sprache der Sicherheitskräfte „Quarantäne“. Das bedeutet, dass beide Seiten der Straße, in der das Haus meiner Eltern liegt, gesperrt werden. Sicherheitskräfte verbarrikadieren die Zugänge und Wege und besetzen fast das ganze Viertel. Mit ein paar engen Familienangehörigen und alten Haushältern  meiner Eltern sind wir dann im Haus und dürfen es an diesem Tag auch nicht verlassen. Ich betrachte diese Situation im Grunde auch als eine Art Gedenkveranstaltung! Dieser durch das Verbot ausgelöste Ausnahmezustand zeigt, dass immer noch eine Kraft von diesem Tag ausgeht.
In Deutschland sind Sie politisch aktiv und zeigen das auch in Ihrer Kunst. Seit dem Mord an Ihren Eltern waren Sie dennoch 28 Mal im Iran. Haben Sie keine Angst, nach Teheran zu reisen?
Doch, ich habe immer wieder Angst. Aber ich möchte mich nicht von dieser Angst beherrschen lassen. Erst recht nicht von so einem System der Unterdrückung. Ich möchte mir den Zugang zu meinem Elternhaus, zu meinem Land nicht von so einem Regime versperren lassen. Und ich denke auch, es ist meine Verantwortung, dass ich mich weiterhin um die Aufklärung des Mordes bemühe. Dass ich mich bemühe, die Erinnerungen an meine Eltern wachzuhalten.
Wie ist der Stand der Dinge im Prozess gegen die Mörder Ihrer Eltern?

Parastou Forouhar
Parastou Forouhar - Foto: parastou-forouhar.de/vita.html

Der juristische Prozess ist abgeschlossen. Das ist den Bemühungen der Familienangehörigen der Ermordeten, aber auch der Anwälte sowie der Bevölkerung und vieler Journalisten zu verdanken. Doch die Justiz hat einen Schauprozess veranstaltet. Die Handlanger des Verbrechens wurden zwar vor Gericht gestellt. Aber die Drahtzieher und die Strukturen dahinter wurden verheimlicht, vieles wurde vertuscht. Deswegen haben wir, die Familienangehörigen, das Gerichtsverfahren nicht anerkannt. Seitdem bemühen wir uns, daran zu erinnern, dass dieses Verbrechen nicht aufgeklärt wurde.
Wie ist die Solidarität der politisch Aktiven mit Ihnen im Kampf um die Wahrheitsfindung?
Im Iran herrscht zurzeit eine große Repressionswelle. Drohungen, Verhaftungen und Misshandlungen sorgen für Resignation oder Angststarre. Ich begegne immer wieder Aktivisten, die sagen, dass sie sich uns innerlich verbunden fühlen, ihre Solidarität aber nicht öffentlich kundgeben können. Im Ausland ist die Solidarität sichtbarer, weil die Leute dort diese Ängste nicht haben.
Ist die Stimmung im Iran jetzt anders als früher? Hier haben wir den Eindruck, dass dort bald etwas Wichtiges passieren wird.
Seit der Unterdrückung der grünen Bewegung ist die Stimmung in Resignation und Bitterkeit umgeschlagen. Auch Wut wächst unter der Oberfläche, die aber leider keinen Weg findet, um auszubrechen. Ich finde, dass zurzeit eine sehr passive, verbitterte und traurige Stimmung im Iran herrscht.

Sie verarbeiten Folter und politische Unterdrückung in Ihren Bildern Können Sie sich vorstellen, irgendwann keine „politische Kunst“ mehr zu machen, sondern normale, die sich nur dem sogenannten Schönen oder Erhabenen zuwendet?
Ich bin ein politisch denkender Mensch und entsprechend arbeite ich auch künstlerisch. Das hat nicht nur mit dem Iran oder mit meinem eigenen Schicksal zu tun. Das hat mir vielleicht zu mehr Sensibilität verholfen. Aber schauen Sie, in welcher Welt wir leben. Da können wir nicht von normaler Kunst reden.
Sie haben ein Buch über den Mord an Ihren Eltern geschrieben. Was möchten Sie damit erreichen?
Ich wollte ihre Situation für die Leser öffnen und zudem einige Einblicke in den im Sande verlaufenen Prozess schaffen. Und ich wollte zeigen, welche Hindernisse Einzelaktivisten zu überwinden haben, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, den Demokratisierungsprozess im Iran voranzutreiben. Das Buch ist eigentlich eine Sammlung von Reiseberichten aus dem Iran.
Wie ist die Resonanz auf das Buch?
Es ist noch nicht lange auf dem Markt. Ich hatte paar Lesungen und dort ist es nach meiner Wahrnehmung gut aufgenommen worden. Ich hoffe, dass das so weitergeht.
Interview: Bamdad Esmaili
Zur Person:
Parastou Forouhar, geboren  1962 in Teheran, studierte bis 1990 Kunst an der Universität Teheran und kam 1991 nach Deutschland. Neben zahlreichen Ausstellungen schrieb sie hier auch ein Buch mit dem Titel „Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden“.