“Iran ist mein Sehnsuchtsort”
Jasmin Tabatabai hat vieles von dem erreicht, wovon eine Schauspielerin und Sängerin träumen kann. Doch einen großen Wunsch hat sie noch: Sie möchte im Iran Konzerte geben, vor gemischtem Publikum. Ein Wunsch, dessen Realisierung nur nach grundlegenden Veränderungen in ihrem Geburtsland möglich wäre. Denn dort dürfen Sängerinnen seit 37 Jahren nicht mehr öffentlich auftreten. Mit dem IranJournal sprach das deutsch-iranische Multitalent über Heimatgefühl, Zugehörigkeit und Politik im Schatten des aktuellen Bildes vom Islam.
„Salam“, sagt sie und fragt in einwandfreiem Persisch: „Wollen wir uns auf Persisch unterhalten oder auf Deutsch?“ Wir entscheiden uns für Deutsch. Aus ihrem autobiographischen Buch „Rosenjahre“ weiß ich, dass auch ihre deutsche Mutter gut Persisch spricht. Ob sie mit ihrer Mutter Persisch redet? „Nein, in ihrer Muttersprache, Deutsch.“ Wieso kann sie dann so gut Persisch, „nach all den Jahren”?
Jasmin Tabatabai ist im Iran geboren und hat die ersten elf Jahre ihres Lebens dort verbracht – „glückliche Jahre“, wie es in ihrer Familiensaga heißt. Sie ist zweisprachig aufgewachsen. Die Mutter hat mit ihren drei Töchtern und dem Sohn “konsequent” Deutsch gesprochen, mit dem Vater unterhielten sie sich in Persisch. Die Kinder sprachen untereinander „ein Mischmasch aus beiden Sprachen“: „Eh, Bleistiftam oftad sire Tischam“ – “Oh, mein Bleistift ist unter meinen Tisch gefallen.”
Sie besuchten die deutsche Schule in Teheran, hatten dort Unterricht in Deutsch und Persisch. Gefeiert wurden bei Tabatabais zwei große Feste: Weihnachten und das iranische Neujahr Nouruz. Diese Tradition hat sich bei Jasmin bis heute erhalten. In „Rosenjahre“ schreibt sie: „1984 besuchten meine Mutter und ich meinen Vater noch einmal in der Heimat.“ Ob sie für den Iran noch immer Heimatgefühle hegt? Es folgt eine kurze Diskussion über die Bedeutung des Begriffs Heimat. Am Ende steht fest: Sie fühlt sich in Deutschland zuhause, wohl, zugehörig.
Wut im Bauch
„Stell dir vor, ich wäre im Iran geblieben. Ich hätte nicht Sängerin werden dürfen!” Jasmin schaut ins Leere und schüttelt sichtbar verärgert den Kopf, als wäre gerade vor ihren Augen ein Unrecht geschehen. „Ich kriege immer so eine Wut im Bauch …“ – sie beendet den Satz nicht.
Die Wut im Bauch hat sie mit vielen vorwiegend nicht strenggläubigen IranerInnen gemeinsam.
Die islamische Revolution von 1979, die zur Enteignung von Jasmin Tabatabais Vater führte und die Familie auseinanderriss, hat aus der iranischen Frau per Gesetz einen zweitklassigen Menschen gemacht. Mit einem Schlag durften Frauen weder über ihren Aufenthaltsort noch über ihre Kleidung bestimmen. Was die Schauspielerin und Sängerin so erbost, ist die Tatsache, dass es Frauen untersagt ist, vor gemischtem Publikum zu singen – manche Ayatollahs sind der Meinung, der Gesang einer Frau errege den Mann und verführe ihn zu „sündhaften“ Taten. „Wenn der Islam im 21. Jahrhundert ankommen will, kann er das nur über die Frauen tun“, sagt Jasmin Tabatabai.
Ihrer Meinung nach müssen Muslime auch in Deutschland in die Pflicht genommen werden, Frauen als gleichberechtigt anzuerkennen.
Islam und wieder Islam
Eigentlich sollte in dem Gespräch die Künstlerin im Mittelpunkt stehen, doch bis zur letzten Minute bleibt der Islam das dominante Thema: der Islam in Jasmin Tabatabais Geburtsort, der Islam in Europa, der Islamismus als Verursacher von Krieg und Vertreibung, der Islam als geistiger Zufluchtsort für die vor den radikalen Islamisten Geflüchteten, der Islam als Vorwand für die Unterwerfung der Frau, der Islam als Anlass für den Aufstieg der Rechten in der westlichen Welt.
Vater Tabatabai stammte auch aus einer islamischen Familie, aber er war ein liberaler Mensch und sprach seinen Töchtern die gleichen Rechte zu wie seinem Sohn. „Nini djun (liebe Nini), heirate nicht zu früh, mach dich nicht sofort von einem Mann abhängig“, hatte ihr der Vater zugeredet. „Ich war damals siebzehn und hatte keinerlei Heiratspläne, aber ich war beeindruckt, wie modern mein Vater für iranische Verhältnisse dachte.“
Die Tabatabais hatten ein erfülltes Leben im Iran, bis die revolutionären Vorposten sie zur Flucht zwangen. Eigentlich war sie, die Flucht, als vorübergehende Maßnahme gedacht – „bis der Aufstand sich legt“, hatte ihr Vater der Familie versprochen. „Doch dann ergriff ab Ende 1978 eine religiöse Euphorie Besitz von dem Land“, schreibt die Schauspielerin in „Rosenjahre“: „Nachbarinnen, die noch vor kurzem im Minirock herumgelaufen waren, gaben sich von heute auf morgen strenggläubig und traten nur noch verschleiert auf die Straße“. Das war der Beginn einer „revolutionären“ Ära, die noch heute, nach fast 38 Jahren, andauert.
Politische Aktivitäten
Fortsetzung auf Seite 2