Als Couchsurfer durch den Iran

Seit gut zehn Jahren gewinnt das Gastfreundschaftsnetzwerk „Couchsurfing“ weltweit immer mehr Mitglieder. Auch im Iran wächst die Zahl der User. Der Reisejournalist Stephan Orth hat seine Erlebnisse als Couchsurfer im Iran nun in einem Buch* zusammengefasst.
Auf 240 Seiten plus 48 Farbfotos, 30 Schwarzweißabbildungen und einer Karte beschreibt der Autor seine Reisererfahrungen im „Land der Mullahs “. Höchst subjektiv, selbstironisch, mit wachen Augen und teils chaotisch berichtet der Reisejournalist Stephan Orth von seinen Erlebnissen in iranischen Amtsstuben, bei Weinverkostungen – ja, richtig gelesen, Weinverkostungen! -, Poolpartys, Fahrten mit Schmugglerbussen, Dates mit Großfamilien und vielem mehr. Sein Blick ist durchaus kritisch, aber so voller Empathie und Witz, dass auch Exiliraner, die er auf seinen Lesereisen trifft, lachend ihr Heimatland wiedererkennen.
Ausgerechnet der Iran
Iran-Reisende hätten immer wieder von der außerordentlichen Gastfreundschaft der IranerInnen und der kulturellen Vielfalt des Landes erzählt, sagt Stephan Orth im Gespräch mit Iran Journal. Um mit eigenen Sinnen zu erleben, wovon er gehört hat, unternahm er 2013 zunächst eine zweiwöchige Reise in die islamische Republik. Als er zurückkam, beschloss er eine längere Reise, bei der er den Fokus auf Menschen, Städte und Landschaften legte. Das Reisen von Sofa zu Sofa – besser gesagt von Perserteppich zu Perserteppich – erschien ihm als adäquate Reisestrategie, als er 2014 seine zweite Reise in den Iran antrat.
Er informierte sich umfangreich durch Kulturführer und Geschichtsbücher, las Artikel aller Art über den Iran und fragte auch immer wieder Bekannte und KollegInnen, die aufgrund von Herkunft oder Berufserfahrung erklären konnten, wie man sich als Mensch und Reisejournalist im Land der Mullahs zu verhalten habe, um Ärger zu vermeiden.
No risk, no fun

Buchcover
Buchcover

Offiziell ist Couchsurfing im Iran untersagt. Die Zahl der Mitglieder bei couchsurfing.org im Iran beläuft sich auf etwa 13.000. In seinem Buch „Couchsurfing im Iran“ berichtet Orth, dass einige GastgeberInnen wegen ihrer Gastgeberaktivitäten Unannehmlichkeiten mit den Behörden bekamen, so dass „immer wieder eine leichte Paranoia in der Luft lag“.
Die zugrunde liegende Furcht habe er als Journalist mit Touristenvisum beispielsweise bei den Visaverlängerungen am eigenen Leib erfahren. In den Amtsstuben sei er durchaus mit unangenehmen Fragen konfrontiert gewesen. Doch lernte der erfahrene Reisejournalist schnell von den IranerInnen, sich „durch brenzlige Situation durchzumogeln“. Denn die BürgerInnen im Iran hätten über die Jahrzehnte unglaubliche Strategien entwickelt, die staatlichen Verbote – von Alkohol bis Zoroastrismus – zu umgehen.
Die eine Seite der Medaille
Während der iranische Staatsapparat darauf bedacht ist, den Kontakt seiner BürgerInnen zu ausländischen Gästen zu verhindern, sehnen sich diese nach Austausch und Kontakt mit Fremden. Stephan Orth wird kaum müde, immer wieder die Herzlichkeit seiner Gastgeber und anderer Bekanntschaften hervorzuheben. Ein Mangel beim Couchsurfing sei, dass man im Wesentlichen nur junge, internetaffine Menschen kennenlerne, die Englisch sprechen, sagt Orth. „Mich hätte es sehr interessiert, auch die andere Seite der Medaille kennenzulernen – tief religiöse ultrakonservative Personen, die natürlich einen prägenden Einfluss auf die Gesellschaft im Iran haben.“ Doch die hat er weder beim Couchsurfing noch bei seinen Besuchen in den Moscheen kennengelernt.
Und die Surferinnen?
Orte wie die alte "Wüstenstadt" Yazd bezaubern nicht nur Touristen aus dem Westen
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Es ist nicht üblich, dass junge Frauen im „Gottesstaat“ Iran allein reisen. Denjenigen, die es trotzdem tun, wird unverhältnismäßig viel Beachtung von der männlich dominierten Gesellschaft geschenkt. „Frauen, die als Couchsurferinnen unterwegs sein wollen“ ,so Stephan Orth, „müssen damit rechnen, viel Aufmerksamkeit zu bekommen, die bisweilen auch in unangenehme Situationen münden kann. Ich würde Frauen dazu raten, bei Paaren oder Familien unterzukommen.“
Der Zwiespalt
Am liebsten würde Orth gleich morgen wieder in den Iran fahren: „Ich habe da so viele tolle Freundschaften geschlossen und tolle Menschen kennengelernt.“ Der Iran sei ein Land, das ihn verzaubert und gleichzeitig wütend macht: „Weil es einerseits die unglaubliche Gastfreundlichkeit gibt und Orte aus 1001 Nacht, und auf der anderen Seite gibt es eine Regierung, die die Leute wahnsinnig einschränkt.“
Orths Erfahrung nach gibt es „viele gebildete junge Leute mit Universitätsabschluss. Und die können aus ihrem Potential einfach nichts machen.“ Deshalb würde er es gutheißen, wenn mehr junge IranerInnen mit Menschen aus freiheitlich-demokratischen Staaten in Kontakt stünden, „damit sie inspiriert sind und sehen, dass es sich lohnt, sich für ihre Freiheit und ihre Talente einzusetzen.“
Zwei Ratschläge, die Stephan Orth mit Vergnügen an Menschen weitergibt, die vorhaben, in den Iran zu reisen, sind: die Fußballspielernamen Ali Daei und Mehdi Mahdavikia lernen, weil man damit sofort die Herzen der IranerInnen gewinne, und „unbedingt vor der Abreise Khayyam lesen!“ Die Verse, die der persische Universalgelehrte Omar Khayyam im 11. und 12. Jahrhundert schrieb, haben bis heute nichts von ihrer subversiven Frechheit eingebüßt.
   YASMIN KHALIFA
* „Couchsurfing im Iran“, Piper Verlag, 2014