Irans olympische Hoffnungen

Bei den XXXI. Olympischen Sommerspielen in Rio blicken die SportlerInnen aus dem Iran bisher auf eine durchwachsene Gesamtleistung. Ihr Ziel ist es, an die Erfolge von 2012 anzuknüpfen. Neun der 63 iranischen SportlerInnen sind Frauen – Rekord in der Geschichte der Islamischen Republik. Eine Zwischenbilanz.

Erst am achten Tag der Wettkämpfe konnte die iranische Mannschaft dank der Goldmedaille für Kianusch Rostami im Gewichtheben das erste olympische Edelmetall in Rio für sich verbuchen. Damit ging eine Welle der Erleichterung durch die zuvor zunehmend ungeduldig gewordene iranische Sportgemeinde.

Auch die iranische Volleyball-Nationalmannschaft sorgt für Begeisterung. Das Team erreichte nach zwei Auftaktniederlagen mit zuletzt zwei Siegen gegen Ägypten und Kuba die Runde der letzten acht Teams und damit auch das erhoffte Mindestziel bei seiner Olympia-Teilnahme nach über 50 Jahren verfehlter Qualifikation für das weltweit bedeutendste Turnier in dieser Sportart.

Rekordzahl an Frauen

Zahra Nemati - Foto: varzesh3.com
Zahra Nemati – Foto: varzesh3.com

Unter den 63 SportlerInnen der iranischen Delegation, die an Wettkämpfen in 14 Sportarten teilnehmen, sind auch neun Frauen: ein Rekordwert in den vier Jahrzehnten seit der islamischen Revolution.

Mit der Bogenschützin Zahra Nemati als Fahnenträgerin führte gar eine Frau die iranische Mannschaft bei der Eröffnungsfeier der Spiele an. Aufgrund ihrer körperlichen Behinderung wird Nemati auch an den anschließenden Paralympics teilnehmen.

Hoffnungen auf die ersten Olympiamedaillen in der Geschichte des iranischen Frauensports ruhten vor allem auf den vier Teilnehmerinnen beim Schießen. Elahe Ahmadi und Najmeh Khedmati, die sich zuvor in einem fünfwöchigen Trainingslager in Hannover auf die olympischen Spiele vorbereitet hatten, rechtfertigten diese Hoffnungen, als sie die Finalrunden in den Disziplinen Luftgewehr 10 m und Kleinkaliber 3-Stellung 3 x 50 m erreichten. Die Krönung ihrer Erfolge durch Medaillen blieb ihnen jedoch verwehrt.

Beim Kanusport sorgte in der Vorrunde auch Mahsa Javar für Furore und qualifizierte sich für das Finale. Beim anschließenden Kampf um die Medaillen spielte sie jedoch keine Rolle mehr. Das Feld der iranischen Sportlerinnen komplettieren Neda Shahsavari beim Tischtennis, Kimia Alizadeh beim Taekwondo und Leila Rajabi beim Kugelstoßen.

Eklat bei Übertragung im Staatsfernsehen

Leila Rajabi gehörten am achten Olympiatag die Schlagzeilen in den iranischen Medien und den sozialen Netzwerken. Für einen Eklat und eine Welle der Empörung hatte ein Live-Kommentar im iranischen Staatsfernsehen bei der Übertragung des Kugelstoß-Wettbewerbs der Frauen gesorgt. Der Kommentator bezichtigte darin Leila Rajabi des „fehlenden Ehrgeizes und der Motivationslosigkeit“, als sie ihre Bestmarke nicht erreichte und ausschied. Rajabi wies die Vorwürfe umgehend zurück und beklagte die Benachteiligung des Frauensports in der Islamischen Republik.

Leila Rajabi ist gebürtige Weißrussin. Nach ihrer Heirat mit einem iranischen Kugelstoßer vor zehn Jahren und ihrer Einbürgerung in den Iran entschloss sie sich, bei internationalen Wettkämpfen für ihre neue Heimat zu starten. Dabei vertrat sie die iranischen Farben gebührend, indem sie bei Asienmeisterschaften eine Gold- und eine Silbermedaille holte.

Heikles Thema: Aufeinandertreffen mit israelischen Sportlern

Kianusch Rostami - Foto tnews.ir
Kianusch Rostami – Foto tnews.ir

Heikel war auch der Verzicht der iranischen Funktionäre auf die Entsendung des 19-jährigen Judokas Alireza Khojasteh-Far, obwohl dieser sich bei den Qualifikationsturnieren das Ticket für Olympia in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm gesichert hatte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Khojasteh-Far auf der Matte mit einem israelischen Judoka zusammentreffen würde, war den iranischen Funktionären einfach zu hoch. Irans Sportlern ist es seit 1981 von der Staatsführung untersagt, an Wettkämpfen gegen Vertreter Israels teilzunehmen.

Nachdem die Iraner dies in diversen internationalen Turnieren und auch bei Olympischen Spielen jahrzehntelang praktiziert hatten, wurde der Iran vom Internationalen Olympischen Komitee und internationalen Sportverbänden unmissverständlich davor gewarnt, im Wiederholungsfall umgehend von jeglichen Wettkämpfen disqualifiziert zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob die angedrohten Sanktionen zu einem Umdenken in der iranischen Sportpolitik führen werden.

Fest eingeplante Medaillen

Mit viermal Gold, fünfmal Silber und dreimal Bronze hatte der Iran bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London den 17. Platz im Medaillenspiegel belegt – ein herausragender Erfolg in der iranischen Sportgeschichte. Für den iranischen Sport gilt es, diese Erfolgsmarke zu bestätigen.

Die meisten Edelmetalle wurden seinerzeit von den Ringern und Gewichthebern errungen. Der Fokus der Hoffnung liegt auch diesmal auf diesen Wettkämpfen, bei denen mit den griechisch-römischen Ringern Hamid Sourian, Omid Norouzi und Ghasem Rezaei sowie dem Gewichtheber Behdad Salimi die Olympiasieger von London erneut an den Start gehen.

Weitere Chancen auf Gold werden auch den iranischen Freistil-Ringern sowie den Kampfsportlern beim Taekwondo zugetraut.

  FARID ASHRAFIAN