Plötzlich sind alle Revolutionsgarden
Rouhani wandte sich an die Iraner und die Welt und sagte, das Abkommen sei solider, als „dieser Herr“ sich es vorstelle. Wie Trump bemühte auch Rouhani die Geschichte. Er ging sehr weit zurück. Vom Putsch von 1953 sprach er, als mit Hilfe Amerikas die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh gestürzt wurde, von US-Hilfe für Saddam Hussein während seines achtjährigen Krieges gegen den Iran, vom Abschuss einer iranischen Passagiermaschine samt ihren 300 Insassen – und dann sagte er, Trump möge ein bisschen Erdkunde lernen, dann würde er begreifen, dass das Gewässer im Süden Irans „persischer Golf“ heißt, nicht arabischer.
Und hier traf Rouhani einen Nerv. Denn darin sind sich alle Iraner, Freund wie Feind, mit ihm einig.
Man könnte einwenden, all das sei eher Literatur als harte Politik. Doch Rouhani äußerte sich zum harten Kern der iranischen Macht. Revolutionsführer und die heldenhaften Revolutionsgarden seien im Herzen eines jeden Iraners eingepflanzt. Trump könne nicht mal ein Haar zwischen den geliebten Führer und das Volk schieben.
Das ist derselbe Rouhani, der bis vor wenigen Wochen von den Revolutionsgarden als von einem Staat im Staate sprach, die alle Entwicklung des Landes behinderten. Das ist derselbe Rouhani, der bei jeder Gelegenheit Khameneis Politik kritisierte. Doch die Zeiten sind vorbei. Plötzlich lassen sich Rouhani und sein Außenminister mit den Kommandeuren der Revolutionsgarden ablichten. Und das ist nur die Oberfläche. Auch im Verborgenen vollzieht sich Entscheidendes.
Kleine Hoffnung aus dunklen Kanälen
„Amad“ bedeutet im Persischen „(er, sie, es) kam“. Mehr nicht. Ein Verb in der dritten Person Singular. Das Wort ist einfach, einprägsam und klingt zudem neutral.
Dieses simple Wort steht seit drei Monaten für eine persische Webseite, die für solch beispiellose Furore sorgt, dass fast alle Beobachter der Politikszene des Iran ratlos sind. Amadnews.org zeugt von einem wahren Orkan, einem Machtkampf, der gnadenlos, heftig und ganz im Verborgenen, in den innersten Kreisen der iranischen Geheimdienste tobt. Aber wer steht hinter dieser Seite, was bezweckt sie und wie glaubwürdig ist sie?
Was man tagtäglich auf dieser Webseite liest, kommt einer wahren politischen Bombe gleich. Sie ist über Telegram Messenger für die Mehrheit der Iraner erreichbar. Denn annähernd 23 Millionen Iraner nutzen diesen Internetdienst täglich und stundenlang als Informationskanal.
Mal berichtet die Webseite in mehreren Berichten und allen Einzelheiten, wie Modjtaba Khamenei, der umtriebige Sohn des Revolutionsführers, der den Vater beerben will, vergeblich versuchte hätte, 2,3 Milliarden Dollar über eine afghanische Bank nach Syrien zu schaffen. Das Geld sollte dort unter den kämpfenden Revolutionsgarden verteilt werden, doch es sei unterwegs in irgendeiner Bank der Vereinigten Arabischen Emirate verschwunden. Die Enthüllung ist so detailliert, mit Namen, Datum, Uhrzeit und Dokumenten belegt, dass man sie kaum widerlegen kann. Doch es bestätigt sie auch niemand. Das Verschweigen bleibt der einzig gangbare Weg, denn der Sohn des Revolutionsführers ist sakrosankt. Niemand kann sich ihm nähern, geschweige denn mit solchen blamablen Geschichten.
Der mächtige Clan im Visier
Anfang August beschrieb amadnews in einer unglaublichen Geschichte, wie der mächtige Chef der Justizbehörde, Ayatollah Sadegh Laridjani, ebenfalls als Khameneis Nachfolger im Gespräch, seit Jahren alle Bußgelder statt auf Justizkonten auf seine Privatkonten überweisen lässt. Der Bericht war genau recherchiert und mit zahlreichen Kontoauszügen belegt. Weder mit Verschweigen noch mit Dementi konnte man die Sache überstehen. Ayatollah Laridjani ist zwar ein sehr mächtiger Man und als Justizchef nur dem Revolutionsführer unterstellt, doch trotzdem gehört er nicht zu den wenigen Auserwählten, die wie Modjtaba Khamenei als quasi unantastbar gelten.
Deshalb sorgte die Geschichte der umgeleiteten Bußgelder einige Tage lang für großen Aufruhr. Zwei Parlamentsabgeordnete nahmen sich der Sache an, doch dann geriet sie schnell in Vergessenheit, nachdem es hieß, alles sei rechtens, weil es auf einen Befehl des Revolutionsführers zurückgehe.
Seit drei Wochen beschäftigt sich amadnews mit Laridjanis Tochter Sahra, die zur Zeit angeblich als britische Spionin vernommen wird. Täglich liest man dort unglaublich Intimes und Haarsträubendes über den mächtigen Laridjani-Clan. Sadegh, der Justizchef, hat nämlich noch drei Brüder, die alle ebenfalls sehr mächtig sind. Der ältere Bruder Ali ist Parlamentschef, die beiden anderen sind mit der Kontrolle der Universitäten beschäftigt.
Geheimdienst unter sich
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