Verurteilung des Ex-Staatsanwalts erhitzt die Gemüter

Said Mortazavi muss wegen Korruption eine sechsmonatige Haftstrafe absitzen. Sowohl Gegner wie Anhänger des früheren Generalstaatsanwalts kritisieren das Urteil. Auch ein Thema unter den iranischen Web-Usern: Das Benefiz-Fußballspiel zwischen ehemaligen internationalen Weltstars und einem iranischen Altstar-Team in Teheran.

Der umstrittene ehemalige Generalstaatsanwalt der iranischen Hauptstadt, Saeed Mortazavi, ist wegen Korruption in seiner Zeit als Geschäftsführer der „Organisation für soziale Sicherheit“ von der iranischen Justiz zu einer Haftstrafe von sechs Monaten und einer Geldstrafe verurteilt worden. Von dem Vorwurf, für die Ermordung inhaftierter Oppositioneller im berüchtigten Kahrizak-Gefängnis während der Demonstrationen gegen das Regime im Jahr 2009 verantwortlich zu sein, wurde der konservative Vertraute von Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad jedoch freigesprochen.
Zahlreiche iranische Internet-NutzerInnen zeigen sich über diesen Freispruch entsetzt: „Dieser Mann ist als Generalstaatsanwalt für eine große Zahl von Verbrechen verantwortlich gewesen. Wie kann er lediglich zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt werden? Wo bleibt die Gerechtigkeit?“, fragt etwa Khalil unter einem Beitrag der iranischen Nachrichtenagentur ISNA.
Mortazavi habe „Blut an seinen Händen“, schreibt der User Reza. „Sechs Monate Gefängnis sind nichts. Und die Geldstrafe ist einfach nur lächerlich.“ „Lieber Reza“, antwortet ihm ein ISNA-Besucher mit dem Pseudonym Irani, „lange Gefängnisaufenthalte und hohe Geldstrafen sind normalen Bürgern wie dir und mir vorbehalten und nicht einem Said Mortazavi.“ User Seyyed schreibt: „Ich bin mir sicher, dass er seinen Gefängnisaufenthalt genießen wird. Bestimmt lernt er dort viele andere korrupte Kriminelle kennen, mit denen er nach seiner Zeit im Gefängnis Geschäfte machen kann.“

Busenfreunde: Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Ex-Generalstaatsanwalt Said Mortazavi
Busenfreunde: Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Ex-Generalstaatsanwalt Said Mortazavi

Der Freispruch in den Kahrizak-Mordfällen sei eine „nationale Schande“ findet Atoosa. „Was ist das bloß für ein Staat, der derartige Verbrechen nicht ahndet?“, fragt sie unter einem Beitrag des Nachrichtenportals Radio Zamaneh. Deutlich kühler äußert sich Siamak. Er schreibt: „Nur Ignoranten und politisch ahnungslose Menschen können sich über das Urteil empören. Jeder, der auch nur ein bisschen mit dem politischen System im Iran vertraut ist, muss wissen, dass er von der Justiz nicht mehr erwarten kann.“ Ähnlich resigniert äußert sich Farid auf Tabnak: „Warum regen wir uns über solche Meldungen überhaupt noch auf? Was hat uns unsere Wut jemals gebracht? Das Regime macht sowieso, was es will.“
Zuspruch für Mortazavi
Doch nicht alle IranerInnen vertreten die Meinung, dass Mortazavi eine deutlich härtere Strafe verdient hätte. Auf der ultrakonservativen Nachrichtenplattform Dolate Bahar sind viele der Überzeugung, dass Mortazavi unschuldig sei. So schreibt Iman: „Jeder weiß, dass die heutige Regierung nur im Sinn hat, sich an ihren Vorgängern zu rächen – die beste und sauberste Regierung in der Geschichte des Iran. Mortazavi ist das Opfer dieser Rachegelüste geworden.“
„Mortazavi muss eine Gegenklage gegen all jene einreichen, die in den letzten sechs Jahren seinen Ruf zerstören wollten“, fordert wiederum ein anonymer Besucher der Webseite, die vor allem von AnhängerInnen Ahmadinedschads gelesen wird. Mortazavis „vermeintliche Sünde“ sei gewesen, dass er mit Härte gegen die „Konterrevolution von 2009“ vorgegangen sei und „vor deren AnführerInnen nicht in die Knie gegangen ist“, schreibt etwa Habib. „Aber bei der Kampagne, die in den letzten Jahren gegen ihn geführt wurde, kann man doch froh sein, dass er nicht zum Tode verurteilt worden ist“, so Habib weiter. Auch sechs Monate Gefängnis seien „eindeutig zu viel“, findet Reyhaneh. „Mortazavi hat sicher Fehler begangen, aber ein sechsmonatiger Freiheitsentzug ist alles andere als eine angemessene Bestrafung“, schreibt die Besucherin der Facebookpräsenz von BBC Farsi
All-Star-Fußballspiel in Teheran
Bei einem Benefizspiel am vergangenen Donnerstag konnten sich Fußballlegenden wie Luis Figo, Edgar Davids, Roberto Carlos, Fabio Cannavaro und andere ehemalige internationale Topstars im Teheraner Azadi-Stadion vor knapp 50.000 Zuschauern gegen eine Auswahl iranischer Alt-Fußballer wie Ali Karimi, Khodadad Azizi und Karim Bagheri mit 3:0 durchsetzen. Die Einnahmen aus dem Spiel sollen MS-PatientInnen zu Gute kommen.
EX-Weltmeister Roberto Carlos verfolgt Ali Karimi
EX-Weltmeister Roberto Carlos verfolgt Ali Karimi

In sozialen Netzwerken und Online-Diskussionsforen zeigten sich zahlreiche Fans erfreut darüber, dass so viele internationale Altstars für den guten Zweck nach Teheran gekommen sind. „Das war ein toller Tag für den Iran. Die Atmosphäre im Stadion war großartig. Danke an alle, die da waren, besonders an unsere Gäste, die auf dem Rasen gezaubert haben“, schreibt Hamid auf der Facebookseite von DW Farsi. „Wann hat man denn im Leben schon die Gelegenheit, so viele Weltstars aus nächster Nähe spielen zu sehen? Ich war da, und es war großartig“, schreibt Farshad auf der Facebookseite Iran Football Magazine. „Danke, dass du dem iranischen Fußball einen unvergesslichen Tag beschert hast“, schreibt Amir auf auf der offiziellen Facebookseite von Fabio Cannavaro. „Du magst zwar auf dem Platz mit der Nummer 5 auflaufen, aber in unseren Herzen bist du die Nummer 1“, so Mitra. Auch Luis Figo wird auf seiner Facebookseite mit zahlreichen Zuneigungsbekundungen überflutet: „Viva Figo, der Iran liebt dich“, schreibt Majid. „Danke, dass du gekommen bist. Danke auch, dass du an die MS-Kranken gedacht hast.“
Das Spiel sei ein „tolles Erlebnis“ gewesen, schreibt ein User der größten iranischen Fußballplattform PFDC. „Die ersten 20 Minuten haben die Iraner sogar dominiert. Danach ist ihnen jedoch die Luft gegen die deutlich fitteren ausländischen Stars ausgegangen“, schreibt der User mit dem Pseudonym BacheLot.
Kritik an Rahmenbedingungen
Aber nicht jedes Resümee fällt positiv aus. Deutliche Kritik wird vor allem an den Rahmenbedingungen der Begegnung laut: „Das Stadion war nicht einmal halbvoll. Dabei gab es so viele Gründe, zum Spiel zu gehen. Allen voran der Benefizzweck hätte mehr Menschen ins Stadion locken müssen“, klagt PFDC-User Keano. Ein anderes Forumsmitglied mit dem Usernamen Damavand wiederum klagt über den schlechten Zustand der Spielfläche. „Noch nie sah der Rasen des Azadi-Stadions in den letzten 15 Jahren schlechter aus als bei diesem Spiel.“ Andere, wie wie  Z Joon, kritisieren  kritisieren die vermeintlich zu harte Spielweise der iranischen Auswahl: „Die Weltstars werden den Iran wohl in Rollstühlen verlassen müssen.“ Es sei zudem „sehr peinlich“, dass die iranischen Spieler alle „offensichtlich übergewichtig“ seien, während die ausländischen Altstars noch so aussähen „wie zu ihren besten Zeiten“, schreibt Mahyar auf DW Farsi.
Die Weltstars hätten gewusst, worauf sie sich einließen, stellt dagegen der PFDC-Nutzer Bessos klar: „Sie sind aus eigenem Antrieb in den Iran geflogen, und ich bin mir sicher, dass sie ihre Zeit dort genossen haben und auch mit der Zuschauerzahl zufrieden waren. Wenn in Europa ein solches Spiel stattgefunden hätte, hätten nicht mal ansatzweise so viele Fans den Weg ins Stadion gefunden“, versucht der Fußballfan die Kritik zu relativieren.
  JASHAR ERFANIAN