Revolutionsführer will mehr Babys

Irans Bevölkerung solle deutlich wachsen, wünscht der geistliche Führer Ali Khamenei. Dafür will die Politik nun die Voraussetzungen schaffen. Im Netz macht sich indes vor allem Unmut über das Vorhaben breit.

„Die Bevölkerung des Iran ist jung und dynamisch, doch sie muss weiter wachsen, damit unser Land noch mächtiger wird.“ Mit diesen Worten wird der geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, auf seiner offiziellen Webseite zitiert. Es müssten Grundlagen für einen Baby-Boom geschaffen werden, so der De-facto-Staatschef in seiner jüngsten Stellungnahme. Junge IranerInnen sollen daher künftig vom Staat finanziell stärker unterstützt werden. Zudem sollten Mütter umfangreichere Kassenleistungen erhalten, fordert Khamenei.
Bereits im August 2011 hatte das religiöse Oberhaupt der Islamischen Republik erklärt, dass der Iran Versorgungskapazitäten für eine Bevölkerung von bis zu 150 Millionen Menschen habe. Erst wenn diese Zahl erreicht sei, sollten die Behörden wieder Maßnahmen gegen ein weiteres Wachstum unternehmen. Derzeit beläuft sich die Bevölkerungszahl des Iran auf rund 77 Millionen. Nun hat der iranische Präsident Hassan Rouhani Innen-, Gesundheits- und Arbeitsministerium mit der Entwicklung von Konzepten zur Realisierung der Forderung Khameneis beauftragt. Zudem sollen umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro für die Baby-Boom-Kampagne beim Parlament beantragt werden.

Werbeposter des Staates für mehr Mehr Kinder
Werbeposter des Staates für mehr Mehr Kinder

Hintergrund dieses politischen Vorstoßes ist die Angst vor einem weiteren Rückgang des Bevölkerungswachstums. Nach dem Ende des Iran-Irak-Kriegs im Jahr 1988 hat der Iran eine strenge Geburtenkontrolle eingeführt, mit der die Zahl der Geburten pro Frau von sieben Kindern im Jahr 1979 auf derzeit durchschnittlich 1,7 reduziert wurde. Dadurch sank das Bevölkerungswachstum auf etwa 1,3 Prozent. Dieses geringe Wachstum könnte dazu führen, dass der Iran bald ein demographisches Problem bekommt, befürchten einige Politiker. Experten glauben deshalb, die jüngsten Aussagen Khameneis und die Reaktion der Regierung auf sie markierten einen Wandel in der Bevölkerungspolitik.
Virtuelles Kopfschütteln
Das Vorhaben der Politik stößt indes bei der Mehrheit der iranischen Internetgemeinde auf Unverständnis. Viele Netzuser sind der Überzeugung, dass der Iran angesichts seiner prekären Wirtschaftslage nicht imstande sei, ein massives Bevölkerungswachstum zu stemmen.
„Jeder im Iran – ob jung oder alt – weiß, wie es um Arbeitslosigkeit und Armut in unserem Land bestellt ist. Wenn der Staat die derzeitige Bevölkerung nicht satt bekommt, wie will er das bei einer höheren Zahl schaffen?“, kommentiert etwa Bazarban einen Beitrag von BBC Farsi über die neue Bevölkerungspolitik des Iran. Der Internet-User Habib hat seine eigene Erklärung für die Pläne der iranischen Politik: Eine größere Population bedeute mehr Armut. Und Menschen, die um ihr Überleben kämpften, hätten weniger Zeit, über Unfreiheiten nachzudenken. Dies sei die eigentliche Motivation hinter dem Vorstoß der Politik, glaubt der BBC-Nutzer.
Auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sind weit mehr kritische als unterstützende Stimmen zu vernehmen. Viele UserInnen sehen in der neuen Bevölkerungspolitik eine Gefahr für die Emanzipation der Iranerinnen. „Mit dieser Politik will der Staat Frauen wieder auf die Rolle der Hausfrau und Mutter reduzieren“, ist auf der Facebook-Seite Nein zum Kopftuchzwang zu lesen. In den Medien werde seit den Äußerungen  Khameneis eindeutig das Bild der iranischen Frau als Gebärmaschine propagiert, glaubt die Twitter-Userin Mahsa bereits beobachtet zu haben.
„Paradies auf Erden“
Werbeaktion der Gegner im Internet
Werbeaktion der Gegner im Internet

Doch trotz der Kritik finden sich auch Stimmen, die ein Wachstum der Bevölkerung begrüßen. Die größte Unterstützung ist dabei auf Webseiten zu verzeichnen, die eine deutliche Nähe zu konservativen Kräften im Iran aufweisen. „Würden die Politiker mehr auf unseren geliebten geistlichen Führer hören, wäre der Iran jetzt ein Paradies auf Erden“, lautet etwa ein Kommentar auf dem Blog Saleh1364. Doch auch auf Facebook finden sich vereinzelt unterstützende Stimmen: Jede Weltmacht habe eine Bevölkerung von über 100 Millionen. Und wenn auch der Iran eine Weltmacht werden wolle, müsse seine Bevölkerung wachsen, schreibt Baqer auf der Facebook-Präsenz der Deutschen Welle Farsi. Auch Mehdi äußert sich grundsätzlich positiv zur neuen Bevölkerungspolitik, ohne jedoch dieser vorbehaltlos gegenüber zu stehen. Das Vorhaben sei unterstützenswert, jedoch müsse dafür Sorge getragen werden, dass zukünftige Generationen nicht unter möglichen negativen Folgen wie in etwa Wassermangel oder Umweltverschmutzung litten, schreibt er auf Dolate Bahar, einer Website, die dem ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad nahe steht.
  JASHAR ERFANIAN