Konservatives Muskelspiel erzürnt Web-Community

Große Online-Wut auf die Konservativen im Iran: Unter ihrem Druck bleibt Frauen der Besuch von Volleyballspielen der Männer verwehrt. Empört sind Web-UserInnen auch über das Verhalten konservativer Demonstranten während einer Beerdigung.

In Fußballstadien dürfen sie nicht. Ebenso ist es ihnen untersagt, Männer im Wettkampf gegeneinander schwimmen zu sehen. Nun steht auch Volleyball auf der Liste jener Sportarten, denen Frauen nicht zuschauen dürfen, wenn Männer sich messen.

Die Entscheidung des iranischen Volleyballverbandes, Frauen den Besuch von Männerwettkämpfen weiterhin zu untersagen, kam überraschend. In den vergangenen Wochen hatten sich iranische SportpolitikerInnen trotz des Drucks konservativer Kräfte optimistisch gezeigt, dass Frauen wenigstens begrenzter Zugang zu den Spielen gewährt werde.
Doch nun musste die iranische Volleyballnationalmannschaft der Männer am Freitag bei ihrem 3:0-Sieg gegen die USA bei den Weltligaspielen in Teheran zumindest auf einen Teil ihrer passionierten Anhängerschaft verzichten – was in der iranischen Web-Community große Empörung auslöste: „Unfassbar! Wir sind ja immer so stolz auf unsere Kultur und Geschichte, aber während im Nachbarland Aserbaidschan Frauen und Männer vereint die Europaspiele anschauen und ihre LieblingsathletInnen anfeuern, verbieten wir IranerInnen unseren Frauen, Sportveranstaltungen zu besuchen. Schämen sollten wir uns!“, ärgert sich Kian, ein wütender Besucher der Webseite von BBC Farsi. „Wie im Mittelalter“, schreibt ein anderer User der Nachrichtenseite. Mohammad ist der Ansicht, dass, „solange die Mullahs im Iran etwas zu sagen haben“, die IranerInnen immer wieder solche „Demütigungen“ erdulden müssten. „Ob Reformer oder Konservativer, alle sind gleich“, schreibt er auf Radio Farda.

Kopfschütteln über Konservative
Doch der Unmut der Web-UserInnen richtet sich in erster Linie gegen die Konservativen. Diese hatten in der vergangenen Woche zu Protesten gegen den Besuch von Frauen bei den Volleyball-Weltligaspielen aufgerufen. Diesem Aufruf kamen vergangenen Mittwoch einige Dutzend Fundamentalisten nach, die sich vor dem Sportministerium versammelten. Kurze Zeit darauf gab die Volleyball-Föderation dann ihre Entscheidung bekannt.

Demonstration gegen das Verbot vor dem Gebäude des iranischen Volleyball-Verbandes
Demonstration gegen das Verbot vor dem Gebäude des iranischen Volleyball-Verbandes

„Wer die Parolen der Demonstranten gehört und in ihre Gesichter geschaut hat, der weiß, dass sie überhaupt keine Ahnung haben, was Volleyball ist“, schreibt Reza auf BBC Farsi. Möglicherweise verwechselten die Demonstranten die Sportart mit einem alkoholischen Getränk, witzelt er. „Was gab es denn dieses Mal zu essen? Für welche Köstlichkeit haben die Menschen dieses Mal ihre Seelen verkauft?“, fragt Sirous hämisch und spielt damit auf Massendemonstrationen der Konservativen an, bei denen des Öfteren kostenlose Mahlzeiten ausgegeben werden. Die Demonstration der Konservativen sei nicht angemeldet gewesen, bemerkt ein anonymer User des Nachrichtenportals Jahan News. „Dennoch haben die Sicherheitskräfte nicht eingegriffen und die Kundgebung nicht aufgelöst“, schreibt er. Grund dafür sei, dass die Konservativen die „wahren Machthaber“ im Iran seien, antwortet ihm Pourandokht. „Wer glaubt, dass die Reformer und Moderaten im Iran irgendein politisches Gewicht haben, der irrt.“ Shima hält dagegen: „Pourandokhts Analyse ist zu kurz gegriffen. Die Konservativen und die Gemäßigten haben einen Deal: Letztere dürfen bei den Atomgesprächen dem Westen Zugeständnisse machen, wenn sie innenpolitisch den Konservativen das Feld überlassen. Und genau das passiert gerade.“
Solidarität mit Frauen gefordert
Doch davon wollen viele nichts wissen. Wenn schon den Sportverantwortlichen in der Administration des moderaten Präsidenten Hassan Rouhani die Hände gebunden seien, so sollten wenigstens andere gegen das Volleyball-Zuschauverbot für Frauen vorgehen, so die Meinung zahlreicher Web-NutzerInnen. „Der Volleyball-Weltverband sollte den Iran ausschließen“, kommentiert ein anonymer Iraner einen Nachrichtenbeitrag von Radio Farda. „Falls der Iran tatsächlich die weiblichen Fans aussperren sollte, darf es nur eine Konsequenz geben: Die Disqualifizierung unseres Volleyballverbandes“, fordert auch der Twitter-User Hirad1981. Andere Web-User sind der Ansicht, dass nun die iranischen Männer in die Pflicht genommen werden müssten. „Bedauernswerter als jene Kräfte, die die Verbannung der Frauen von den Zuschauerrängen zu verantworten haben, sind jene Männer, die ungeachtet dessen in die Arenen strömen“, schreibt Nima Dehghani
Wenn es für die Religiösen ein Problem ist, dass Männer und Frauen zusammensitzen, dann bin ich gerne bereit, meinen Platz für eine Frau zu räumen. Doch die Wahrheit ist, dass die Konservativen einfach nicht wollen, dass Frauen Haus und Küche verlassen“, schreibt ein anonymer Besucher des Nachrichtenportals Shahre Khabar.
Trauerfeier für Veteranen des Irakkriegs

Das letzte Gleit für die 175 getöteten Soldaten
Das letzte Gleit für die 175 getöteten Soldaten

Wütend auf die Konservativen sind die iranischen Internet-NutzerInnen auch wegen eines anderen Vorfalls: Am vergangenen Montag haben in Teheran Dutzende Konservative während einer Beisetzung der sterblichen Überreste von 175 Iranern, die während des Iran-Irak-Krieges in den 80er Jahren offenbar lebendig begraben worden waren, gegen die Atompolitik der Rouhani-Regierung und die USA demonstriert.
„Auch ich habe wie Tausende andere TeheranerInnen an der Beisetzung teilgenommen. Doch ich habe den Trauerzug nach einer halben Stunde verlassen, weil ich die ekelerregenden Parolen einiger Demonstranten nicht mehr ertragen konnte“, schreibt ein anonymer Besucher des Nachrichtenportals Fararu. „Wie können Menschen bloß dermaßen schamlos sein und eine Trauerfeier auf diese Art für ihre Zwecke missbrauchen?“, fragt sich auch Maryam auf Tir Press. Die Antwort von Soheyl: „Diese fundamentalistischen Parolenschreier kennt man doch bereits. Sie nutzen jede Gelegenheit, um gegen den politischen Gegner zu hetzen.“ Den Grund dafür glaubt Mohsen zu kennen: Die Demonstranten seien von den konservativen Revolutionsgarden, die wirtschaftlich von den Sanktionen gegen den Iran profitierten, angeheuert worden, um gegen eine Einigung im Atomkonflikt mit dem Westen zu demonstrieren, kommentiert er einen Nachrichtenbeitrag der Webseite Aftab News.
„Tod den USA im Sinne der Gefallenen“
Doch unter den Web-NutzerInnen gibt es auch Unterstützung für die konservativen Demonstranten: „Eure Doppelmoral widert mich an“, schreibt beispielsweise Ahmad auf Tir Press. „2009 habt ihr während des (schiitischen) Trauertags Ashura das ganze Land ins Chaos gestürzt. Und jetzt werft ihr uns vor, taktlos zu agieren?“, so der Iraner in Anspielung auf die Proteste der oppositionellen Grünen Bewegung im Jahr 2009, die während des Ashura-Festes, das besonders für gläubige Schiiten eine große Bedeutung hat, ihren Höhepunkt erreichten.

„175 Soldaten sind von Saddam Hussein lebendig begraben worden. Von jenem Saddam, der von den USA unterstützt wurde. Wir sind es den Gefallenen schuldig, die USA bei jeder Gelegenheit zu verfluchen“, schreibt Saeed auf dem Nachrichtenportal Khabar Online.
„Rouhanis Annäherung an die USA ist eine Ohrfeige für unsere Märtyrer“, findet auch ein anonymer User der Webseite Radio Farda. Doch solche Äußerungen bleiben nicht unwidersprochen: „Ich selber habe damals im Krieg mit diesen Männern an der Front gekämpft. Sie würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, wofür ihr politisch steht“, antwortet ihm Mohammad.
  JASHAR ERFANIAN