Irak – letzter Dominostein des Drucks auf den Iran?

Der Irak spielt bei der Rettung der iranischen Wirtschaft momentan eine Schlüsselrolle. Diese Rolle bleibt erhalten, solange die USA den Irak aus den Sanktionen gegen den Iran ausnehmen – eine Ausnahme, die nicht nur den beiden Nachbarn Iran und Irak zugute kommt.
Von Farzaneh Ziaie*
Bislang beobachten die USA den blühenden Handel zwischen dem Iran und dem Irak stillschweigend. Das zeugt von einem langfristigen und komplizierten Plan und lässt vermuten, dass die USA aus den guten wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder politisches Kapital schlagen werden. Sie warten nur den richtigen Zeitpunkt ab.
Die Islamische Republik versucht ihre angeschlagene Wirtschaft durch den Ausbau der Handelsbeziehungen mit dem westlichen Nachbarland zu retten. Dadurch macht sie sich immer mehr von einem Land abhängig, das unter starkem Einfluss der USA steht. Wie und warum kam dieser Prozess in Gang? Wie profitieren die drei Seiten dieses Spiels davon? Und stellt der Irak für den Iran gleichzeitig eine Bedrohung dar?
Der wirtschaftliche Einfluss des Iran im Irak
Das Handelsvolumen zwischen dem Iran und dem Irak hat sich in den vergangenen zwei Jahren spürbar vergrößert. Laut dem iranischen Zoll sind die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen im Jahr 2018 um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Der Iran ist derzeit der größte Exporteur in den Irak und möchte sich durch Investitionen vor allem am Wiederaufbau des Nachbarlandes beteiligen.
Der Generalsekretär des iranischen Zentrums für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit dem Irak und Syrien, Hassan Danaiefar, ließ kürzlich wissen, dass das Handelsvolumen zwischen dem Iran und dem Irak im laufenden Jahr die 12,5-Milliarden-Dollar-Marke erreicht hat – davon allein neun Milliarden Dollar Treibstoff-Exporte in den Irak. Vor 13 Jahren habe das bilaterale Handelsvolumen nur 750 Millionen Dollar betragen, so Danaiefar. Der einstige langjährige Botschafter des Irans im Irak kündigte an, dass in Zukunft nicht nur Waren in den Irak ausgeführt würden, sondern die Zeit der Investitionen und des Wiederaufbaus des Iraks gekommen sei.
Die wichtigsten Gründe
Zwei wichtige Gründe haben zu den stärkeren wirtschaftlichen Beziehungen beigetragen. Erstens musste sich der Irak der Bedrohung durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) mit allen Mitteln stellen. Dies machte das Land im Bereich Sicherheit vom Iran abhängig. Diese Präsenz schuf den nötigen Raum für wirtschaftliche Investitionen des Iran in der unsicheren Investitionszone Irak. Als der Krieg gegen die IS-Terroristen vorbei war, zogen auch internationale Investoren in den Irak zurück. Das Nachbarland Iran war zwar durch seine längere Anwesenheit im Vorteil, bekam es jedoch mit mächtigeren Konkurrenten aus der Türkei und China zu tun.

Die vom Iran unterstützten Miliz Al-Haschd asch-Scha’bi im Irak haben im Kampf gegen den IS an Bedeutung gewonnen
Die vom Iran unterstützten Miliz Al-Haschd asch-Scha’bi im Irak hat im Kampf gegen den IS an Bedeutung gewonnen

 
Besonders seitens der Türkei ist die Konkurrenz groß. Das Nachbarland nimmt durch umfangreiche Investitionen und vielfältige Handelsbeziehungen eine zentrale Rolle in der irakischen Wirtschaft ein. Die sicherheitstechnische Abhängigkeit des Irak vom Iran beschert Teheran jedoch bessere wirtschaftliche Chancen. Diese Abhängigkeit nahm zwar durch die stärkere Präsenz der USA im Irak im Zuge der Bekämpfung des IS ab, der Irak bleibt jedoch von iranischen Gas- und Stromlieferungen abhängig.
Auch die Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik tragen zu engeren Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der Nachbarländer bei. Aufgrund der Sanktionen brach der Ölexport des Iran stark ein. Weitere Waren können aufgrund von Zahlungsproblemen ebenfalls kaum exportiert werden. Der Irak ist jedoch von den Sanktionen ausgenommen und kann Gas und Strom aus dem Iran importieren, auch die Privatsektoren beider Länder können Geschäfte machen. Der Irak wurde deshalb zum Hauptziel iranischer Investitionen und Exporte. Dies beschert ihm eine strategisch wichtige Position, von der auch die USA profitieren, und zwar politisch.
Die Iran-Irak-Geschäfte laufen allerdings nicht reibungslos. Es gibt Zahlungsprobleme, aber auch Schwierigkeiten beim Warentransport. Diese Hürden sind jedoch nicht unüberwindbar. Wichtig ist auch, dass Bagdad über die Sanktionen gegen den Iran insbesondere bei Bankgeschäften lange mit Washington diskutierte. Es wurde vorgeschlagen, eine Art „irakisches Instex“ (Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten) ins Leben zu rufen oder den Iran mit der eigenen Währung, dem irakischen Dinar, zu bezahlen. Beide Lösungen waren für Teheran uninteressant, weil der Iran auf den internationalen Märkten mit dem irakischen Dinar wenig anfangen kann.
Ein befreiender oder gefährlicher Weg?
Fortsetzung auf Seite 2