Frauen auf dem iranischen Arbeitsmarkt

Auf dem angespannten iranischen Arbeitsmarkt leiden die Frauen am meisten. Deshalb versprechen die Kandidaten für Regierungsämter in ihren jeweiligen Wahlprogrammen stets, die Arbeitsbedingungen für Frauen zu verbessern; Versprechungen, die bisher nicht gehalten wurden.
Laut der Statistikbehörde des Iran waren im iranischen Kalenderjahr 1392 (2013/14) etwa 3,15 Millionen Frauen berufstätig. Das ist verglichen mit dem Kalenderjahr 2009/10, als es etwa 3,7 Millionen weibliche Beschäftigte gab, ein alarmierender Rückgang – zumal es zudem ein ansehnliches Bevölkerungswachstum gab. Jedes Jahr treten junge Frauen in den iranischen Arbeitsmarkt ein. Doch die Hälfte von ihnen findet keine Stelle. Einem Bericht der Nachrichtenagentur IRNA zufolge waren im Jahr 2013 etwa 50 Prozent der Frauen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos.
Vor allem die Zahl der studierenden Frauen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Studienanfängern liegt seit einigen Jahren bei 60 zu 40 Prozent. Der wachsenden Zahl von Frauen an den Universitäten stehen aber keine entsprechenden Arbeitschancen gegenüber. Im Gegenteil: Die Hochschulabsolventinnen werden von den Arbeitgebern ignoriert.
Nach Angaben des iranischen Arbeitsministeriums stieg die Zahl der arbeitslosen Akademikerinnen innerhalb der letzten fünf Jahre um 200 Prozent. Das Ministerium bestätigte, dass in diesem Zeitraum 521.000 Frauen ihren Arbeitsplatz aufgeben mussten.
Gleichberechtigung am Arbeitsplatz

In der Teppichindustrie des Iran arbeiten bis zu 90 Prozent Frauen
In der Teppichindustrie des Iran arbeiten bis zu 90 Prozent Frauen

Besonders in den technischen Bereichen werden Männer den Frauen vorgezogen. Denn die Einhaltung der im Iran vorgeschriebenen Geschlechtertrennung sei etwa bei Außendiensten mit großen Schwierigkeiten verbunden, erzählt ein iranischer Unternehmer, der sich als Besucher einer Technikmesse in Deutschland aufhält, dem Iran Journal. „Das Gesetz schreibt getrennte Anreise sowie getrennte Unterbringung der Angestellten vor. Die Einschränkung durch die Familienangehörigen kommt hinzu. Schwangerschaft und die allgemeine Rolle der Frau als Mutter stellen zusätzliche Hindernisse dar, Frauen einzustellen“, sagt der Unternehmer.
Immer wieder kritisieren iranische Politiker die geringe Beteiligung der Frauen an der Wirtschaft. Abolhasan Firuzabadi, Stellvertreter des iranischen Arbeitsministers, beklagte vergangenen Monat die höhere Arbeitslosigkeit der Frauen. „Die Beteiligung der Frauen am iranischen Wirtschaftsleben liegt bei 20 Prozent“, sagte der Politiker bei einer Frauenversammlung. Doch trotz der vielen Versprechen der Verantwortlich zur Veränderung und Verbesserung der Bedingungen wurde bisher nichts unternommen.
Beispiele aus Köln
In einem Deutschkurs in Köln sitzen zwei Iranerinnen mit unterschiedlichem beruflichem Werdegang. Beide halten sich seit sechs Monaten als Asylsuchende in Deutschland auf. Maryam arbeitete nach ihrem exzellent abgeschlossenen Studium drei Jahre als Chemieingenieurin in einer Fabrik im Iran. Trotz der erfolgreichen Laufbahn wurde sie anstelle ihrer männlichen Kollegen bei einer Finanzkrise der Firma entlassen: Denn „die Männer gelten als Haupternährer der Familie“, argumentierte ihr Arbeitgeber. Und sie werde „als Arbeitslose von ihrem Mann finanziell unterstützt.“
Azita, die 25 Jahre lang als Textilarbeiterin im Iran tätig war, wurde entlassen, weil sie die islamischen Verhaltensnormen am Arbeitsplatz nicht eingehalten hatte. Sie habe arbeiten müssen, da die Familie mit dem Einkommen ihres Mannes nicht über die Runden gekommen sei, sagt die 40-jährige Arbeiterin, die seit ihrem 15. Lebensjahr im selben Betrieb tätig war, um die Familie mit zu ernähren.
Alleierziehende Frauen
Arbeit auf einem Reisfeld am Rande der nordiranischen Stadt Ghaemshahr. Die Frauen pflanzen Setzlinge ein. Im August wird geerntet.
Frauen auf einem Reisfeld am Rande der nordiranischen Stadt Ghaemshahr pflanzen Setzlinge ein!

Unter den Frauen sind die alleinerziehenden am stärksten von den frauenfeindlichen Einstellungen der Arbeitgeber betroffen. „82 Prozent der alleinerziehenden Mütter sind arbeitslos“, sagte kürzlich die Frauenbeauftragte des iranischen Präsidenten, Shahindokht Molawardi, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Fars. Und wie immer, wenn PolitikerInnen über Frauenprobleme sprechen, versprach auch Molawerdi, diesen Frauen helfen zu wollen: „Wir müssen für diese Frauen Bildungsprogramme entwickeln, um sie ins Berufsleben zu führen“, so die Frauenbeauftragte der Regierung.
Arbeitsplatz mit besonderen Missständen
Da gesetzliche Auflagen und Inspektionen im Iran fehlen, herrschen vor allem in kleineren Betrieben schlechte Arbeitsbedingungen. Niedrige Löhne, Mangel an Mutterschutz und Schwangerschaftsurlaub sowie fehlende Krippen- und Kindergartenplätze stellen besondere Schwierigkeiten für Frauen dar. Oft übernehmen Frauen dennoch schwere, unterbezahlte Arbeit. Etwa in der Landwirtschaft: „60 Prozent der Landarbeit in der Provinz Gilan werden von Frauen ausgeführt“, berichtete die Nachrichtenagentur ILNA vor drei Monaten. Während die Männer als Fachkräfte an den Landwirtschaftsmaschinen arbeiteten, würde den Frauen mühselige Handarbeit ohne jegliche Sozialversicherung zugeteilt.
Oft fallen erwerbstätige Frauen auch verbaler Gewalt oder sexueller Belästigung zum Opfer. Die Missstände bei den Arbeitsbedingungen beeinflussen das Privatleben der berufstätigen Frauen negativ. Die iranische Sozialarbeiterin Maryam Malek leitet eine Gruppe von Frauen, die wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz an Nervenkrankheiten und psychischen Beschwerden leiden. Im Gespräch mit Iran Journal erklärte sie, 70 Prozent der Arbeiterinnen litten „an Depression, Stress und Angstattacken“. Die Überlastung durch Haushaltspflichten und Berufsleben verursache Schlafstörungen und Verdauungsprobleme und führe zu vorzeitigen Alterserscheinungen sowie früh auftretenden Wechseljahren.
  NAHID FALLAHI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Said Shabahang