Die Islamische Republik fiebert

Im November 2019 nahm ein politisches Erdbeben im Iran seinen Anfang. Eine bis zu 300-prozentige Benzinpreiserhöhung brachte die Bewegung ins Rollen, seither lassen erwartete und unerwartete Ereignisse das ganze Land beben. Nun bemüht sich Präsident Rouhani um Versöhnung mit der Bevölkerung, rechtzeitig vor den Parlamentswahlen am 21. Februar.

Von Nasrin Bassiri

Vor einundvierzig Jahren sprach Ayatollah Ruhollah Khomeini in Teheran: „Unsere Väter haben sich für Qajar-Dynastie entschieden, aber sie waren nicht befugt, zu entscheiden, wer uns heute regieren soll! Das Volk von damals durfte für sich sprechen, wir sind das Volk von heute und sie durften doch nicht bestimmen, wer uns heute regieren soll.“

Die dritte Generation

Heute meldet sich die dritte Generation zu Wort, die Zwanzig- und Fünfundzwanzigjährigen, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben. Ihre Eltern waren erst Kinder, als ihre Großeltern sich mehrheitlich für die islamische Regierung und gegen den Schah entschieden haben.

„Der Islam wird allen Iraner*innen Segen bringen. Der Erlös aus dem Erdölverkauf soll nicht in den Taschen der Wohlhabenden verschwinden, sondern auf den Tischen der Unterprivilegierten landen“, versprach Khomeini am 1. Februar 1979. „Strom und Wasser werden im Gottesstaat allen kostenlos zur Verfügung gestellt.“ Die Wirtschaft werde im islamischen Staat wieder aufblühen.

Doch Khomeinis Versprechungen haben sich nicht bewahrheitet. Heute fragt sich nicht nur die dritte Generation, ob es Sinn macht, sich an den Parlamentswahlen zu beteiligen.

Verfallsdatum
Iranisches Parlament: Parlamentarier verbrennen die amerikanische Fahne (9. Mai 2018)

 

Auswahl vor der Wahl

Im Februar 1979 fragte Khomeini vor der Gründung der islamischen Republik seine auf dem Teheraner Friedhof Behesht-e Zahra versammelten Zuhörer: „Fragt Eure Abgeordneten: Sind sie tatsächlich vom Volk gewählt? Die Antwort wird mit Sicherheit negativ ausfallen.“

Heute muss sich, wer bei den iranischen Parlamentswahlen kandidieren will, einer Vorauswahl durch den Wächterrat unterziehen. Das ist ein 12-köpfiges Gremium, das je zu einer Hälfte vom religiösen Oberhaupt des Iran, zur anderen Hälfte vom Justizchef ernannt wird, den wiederum das religiöse Oberhaupt bestellt. Der Wächterrat prüft alle Kandidat*innen, bevor sie bei der Wahl antreten dürfen.

Demnach handelt es sich bei den Kandidat*innen der Parlamentswahl nicht um Volksvertreter*innen, sondern um diejenigen, die vom Wächterrat als systemkonform erachtet wurden. Die Wähler*innen dürfen lediglich entscheiden, welche dieser in die islamische Ordnung passenden Personen denn nun ins Parlament einziehen soll.

Mandat mit Verfallsdatum
Fortsetzung auf Seite 2