Deutsche Hilfe bei der Rettung von Irans größtem Binnensee

Nach offiziellen iranischen Angaben trocknet der größte Binnensee des Landes, der Urmiasee, zu 85 Prozent aus und hinterlässt 10 Milliarden Tonnen Salz. Präsident Hassan Rouhani plant die Rettung des Sees – und die Deutschen wollen helfen.
Der Urmiasee ist der größte Binnensee des Nahen und Mittleren Osten. Der See liegt im Nordwesten des Iran, 550 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt. Ein etwa 463.600 Hektar großes Terrain rund um den See ist seit 1976 als UNESCO-Biosphärenreservat klassifiziert.
Doch der Urmiasee bietet bereits jetzt vielen Tier- und Pflanzenarten keinen Lebensraum mehr. Salzstürme bedrohen zudem die Gesundheit von 15 Millionen Menschen in der Region um das Binnengewässer. Salzhaltige Stürme sind in dieser Gegend des Iran neu; sie hängen direkt mit dem Austrocknen des Sees zusammen. Die Salzstürme kämen nicht regelmäßig vor, aber die Bevölkerung sei überrascht, warnt die lokale Geologin und Forscherin Razieh Lak. Die Menschen um den See wüssten nicht, wie sie mit den gesundheitsschädlichen Salzstürmen umgehen sollten. Die Nachrichtenagentur ISNA berichtete am 14. Februar 2014 sogar von einer möglichen Evakuierung der Millionenstadt Täbris. Lak stellte in ihrer letzten Messung Mitte Februar fest, dass der Wasserstand des Urmiasees auf 2,5 Meter gesunken ist. Früher war der See 16 Meter tief.
Warum trocknet der See aus?
Der Bau von 40 Staudämmen an den Zubringerflüssen und von 18.000 meist illegalen Brunnen hätten den See zum Austrocknen gebracht, erklärt Professor Ahad Rahmanzadeh, der Sprecher der Initiativgruppe Urmiasee „IGUL“, die im Juni 2012 in Bonn gegründet wurde. Der Iran sei stark von Wasserknappheit betroffen. Nicht nur der Urmia, sondern auch andere Seen wie der Hamoun- oder der Parishansee und auch Flüsse wie Karoun und Sefidroud trockneten aus. Die Wüstenbildung schreite voran, die Niederschlagsmenge nehme ständig ab, der Zugriff auf das Grundwasser dagegen nehme seit Jahren zu und verursache irreversible Schäden, so Rahmanzadeh.
Gründung einer Initiativgruppe in Bonn

Trtotz de drohenden Katastrophe ist der Urmiasee Immer noch  bei den  Zugvöglen beliebt
Trtotz de drohenden Katastrophe ist der Urmiasee Immer noch bei den Zugvöglen beliebt

Zur „Initiativ Group Urmia Lake“ (IGUL) gehören Wissenschaftler der Universitäten Bonn, Bochum und Marburg, die dem Iran seit Jahrzehnten wissenschaftlich und persönlich verbunden sind. Die Gruppe bemüht sich, in Kooperation mit Wissenschaftlern von Anrainer-Universitäten, Umweltbehörden und NGOs die Lage des Sees in den Focus der nationalen und internationalen Öffentlichkeit zu rücken und gemeinsam mit den Partnern nachhaltige Lösungsansätze herauszuarbeiten. Die Initiativgruppe präsentierte im Juli 2013 eine 10-Punkte-Strategie, die Maßnahmen wie die Entfernung der einzigen Brücke, die Vernichtung von Staudämme und Trockenlegung von Brunnen in der Umgebung des Sees vorsieht. Rahmanzadeh sagte gegenüber TfI, dass über 30 deutsche Politiker verschiedener Bundestagsfraktionen bereits ihre Solidarität bekundet hätten. Zu den UnterstützerInnen des IGUL-Rettungsplans gehört auch Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
Die Grünenpolitikerin erklärte im Gespräch mit TfI, es drohe eine große Katastrophe mit unglaublichen Auswirkungen. Mit dem Austrocknen des Sees drohten Millionen Menschen in der Region Vertreibung, wirtschaftliches Desaster, Krankheiten, Verwüstung und Versalzung von großen historischen Kulturlandschaften, so Roth. Verantwortlich sei die Politik der iranischen Regierungen der vergangenen 30 Jahre, die elementare Naturgesetze verachtet habe und ignorant auf Staudammbauten gesetzt habe, mit Entnahme großer Wassermengen für landwirtschaftliche Zwecke. Wenn nicht tatsächlich etwas getan werde, werde der See Umweltexperten zufolge in drei Jahren endgültig sterben. Damit sei die Heimat von 15 Millionen Menschen in Aserbaidschan und Iran bedroht, betonte Roth.
Rouhanis Rettungsplan
Die Entfernung dieser Brücke wäre eine wichtige Maßnahme zur Regenerierung des Urmiasees, glauben Experten
Die Entfernung dieser Brücke wäre eine wichtige Maßnahme zur Regenerierung des Urmiasees, glauben Experten

Nun plant Präsident Hassan Rouhani die Rettung des Urmiasees und verspricht finanzielle Unterstützung. Unter seiner Schirmherrschaft wurde eine Expertenkommission gegründet. Er werde persönlich die Verantwortung für die Rettungsmaßnahmen übernehmen, sagte er bei einer Kabinettssitzung am 7. Dezember 2013. Und obwohl bis jetzt nichts Wesentliches geschah, hoffen vor allem lokale Forscher auf den Erfolg von Rouhanis Vorhaben.
Es sei positiv, dass es nach der Regierungszeit Ahmadinedschads, in der wertvolle Jahre verloren gegangen seien, jetzt mit Rouhani einen Hoffnungsschimmer gebe, so Claudia Roth. Jetzt müsse auch die Politik das Vorhaben Rouhanis unterstützen. „Wir können auf die Katastrophe aufmerksam machen und moralische, wissenschaftliche oder technologische Unterstützung leisten“, so Roth. „Wir sind in sechs Bundesländern an der Macht und können gute Hilfe leisten“, versichert die Grünen-Politikerin.
Rettungsplan aus Deutschland
Ahad Rahmanzadeh hofft auf die Realisierung der 10-Punkte-Strategie von IGUL. „Wir sind nicht der Meinung, dass der See allein durch ein oder zwei Maßnahmen gerettet werden kann. Wir empfehlen ein Bündel von kohärenten Maßnahmen, die integrativ durchgeführt werden sollen“, erklärt der Experte über den Rettungsplan IGUL. Er empfiehlt, die Staudämme der Zulaufflüsse um 20 bis 25 Prozent weiter zu öffnen und die Zahl der Brunnen im Einzugsgebiet des Sees stark zu reduzieren.
Die erste internationale Konferenz für die Rettung des Urmiasees fand im November unter der Schirmherrschaft der Freien Universität in Berlin statt. Im Februar fand in der Stadt Urmia am Westufer des Sees eine dreitägige internationale Konferenz mit 600 Teilnehmern, darunter deutsche Wissenschaftler der FU Berlin und amerikanische Wissenschaftler, statt. Doch ob die Bemühungen zur Rettung des Sees jemals fruchten werden, steht in den Sternen. „Der Urmiasee wird nie mehr wie früher sein. Mit bestem Willen und besten Projekten kann höchstens die Hälfte des Sees gerettet werden. Dazu wird internationale und vor allem deutsche Hilfe benötigt“, sagte der wissenschaftliche Konferenzdirektor Naser Agh in Urmia.
  Taher Shir Mohammadi
Hinweis: Das RBB-Fernsehen strahlt am 7. April, ab 20:15 Uhr, die Reihe fernOST, in der unter anderem auch über den Urmiasee berichtet wird – im 2. Teil, ab 21:00 Uhr!