Atomkonflikt: Die Knackpunkte für eine endgültige Übereinkunft

Die dritte Runde der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und der sogenannten 5+1-Gruppe wird als ein wichtiger Schritt zur endgültigen Übereinkunft bezeichnet. Doch es gibt Hindernisse, die eine dauerhafte Lösung des Konfliktes verhindern könnten. Ein Gastbeitrag von Mehran Barati.

Auf Persisch sagt man: „Ta seh nasheh, bazi nasheh“, auf Deutsch: „Aller guten Dinge sind drei.“ Und tatsächlich begann das Endspiel der Islamischen Republik Iran (IRI) mit dem Westen erst am Ende der dritten Verhandlungsrunde am 9. April. Jetzt sollen beide Seiten ihre endgültigen Vorstellungen bis Mai aufs Papier bringen, um die noch vorhandenen Differenzen genau zu dokumentieren. Am 13. Mai wird dann das Feilschen um eine endgültige Vereinbarung weitergehen. Die Optimisten halten eine Übereinkunft in weniger als sechs Monaten für möglich. Es gibt Nebenschauplätze, die den Prozess beschleunigen oder auch aufhalten können, etwa die Entwicklungen im Irak und in Syrien und die Rolle, die der Iran in beiden Ländern spielen könnte.
Wo liegen aber die Knackpunkte für eine endgültige Übereinkunft? Schon am Ende des ersten Verhandlungstages hatte der stellvertretender Außenminister des Iran, Seyyed Abbas Araghchi, sie benannt:
Der Schwerwasserreaktor in der Stadt Arak

Der Iran muss bewiesen, dass in dem Schwerwasserreaktor Arak kein waffenfähiges Plutonium produziert werden kann
Der Iran muss bewiesen, dass in dem Schwerwasserreaktor Arak kein waffenfähiges Plutonium produziert werden kann

Die Gruppe 5+1 (bestehend aus den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates und Deutschland) ist besorgt, dass dort waffenfähiges Plutonium produziert werden könnte. Ein Leichtwasserreaktor erfülle den gleichen Zweck, den die Iraner zu verfolgen behaupten. Die Antwort der IRI: Der vorhandene Reaktor in Arak soll nach einigen technologischen Veränderungen, die die Menge des produzierten waffenfähigen Plutoniums einschränkten, weiterbetrieben werden.
Was bedeutet aber technologische Veränderung? Das Waffenplutonium enthält im allgemeinen neben Plutonium-239 einen Anteil am Isotop Plutonium-240 von weniger als 7 Prozent. Das Plutonium-240 beeinflusst aber die Qualität des Plutoniums für Waffenzwecke. Der IRI muss also bis zum 13. Mai bewiesen haben, dass durch technologische Veränderungen am genannten Reaktor überhaupt kein waffenfähiges Plutonium produziert werden kann. Ob das gelingt, ist durchaus offen.
Wieviel und welche Zentrifugen
Anzahl und technologische Qualität der für die Urananreicherung eingesetzten Zentrifugen sind umstritten. Der Westen hat das Recht der IRI grundsätzlich anerkannt, Urananreicherung für Kernkraftwerke und in beschränktem Maße auch für medizinische Zwecke zu betreiben. Von den vorhandenen mehr als 19.000 Zentrifugen will der Westen, insbesondere die USA, nur 4.000 in Betrieb sehen. Außerdem soll die angewandte Technologie der Zentrifugen so ausgewählt werden, dass die Verringerung ihrer Gesamtzahl im Ergebnis nicht zur Produktion einer größeren Uranmenge befähigt.
Die ballistischen Raketen des Iran
Die Gruppe 5+1 hatten in der Resolution 1929 des Weltsicherheitsrates vom 9. Juni 2010 der IRI die Entwicklung von ballistischen Raketen untersagt. Die iranischen Raketentypen “Shahab3” und “Sadjil” gelten mit ihrer Reichweite zwischen 800 und 2100 Kilometern als ballistische Mittelstreckenraketen. Solche Raketen wurden entwickelt, um sie mit einem atomaren Sprengkopf zu bestücken. Der Westen sagt: Der Iran soll keine angriffsfähige Raketen haben und entwickeln. Die Iraner möchten jedoch über ihre Waffensysteme zur Landesverteidigung nicht verhandeln, zumindest nicht im Rahmen der laufenden Verhandlungen über die Atomanlagen des Landes. Da es sich bei diesem Punkt um einen Beschluss des Weltsicherheitsrates handelt, müsste ein anderer Rahmen gefunden werden, der den Iranern ermöglicht, das Gesicht zu wahren, und zugleich den Verhandlungsweg öffnet. Hierbei ist ein Scheitern durchaus realistisch.
Die Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA)
Der Westen sagt, der Iran soll keine angriffsfähigen Raketen haben und entwickeln!
Der Westen sagt, der Iran soll keine angriffsfähigen Raketen haben und entwickeln – Foto: Rakete Typ Shahab-3

Um die totale Aufsicht der IAEA über die iranischen Atomaktivitäten zu ermöglichen, verlangt die Gruppe 5+1 die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Nichtverbreitungsvertrag (MPT). Es geht hierbei um vermutete Experimente der iranischen Revolutionswächterarmee im Bereich der atomaren Sprengköpfe. Die Iraner vermuten aber hinter diesem Ansinnen eventuelle Spionageabsichten von Mitgliedern der dann aus verschiedenen Ländern kommenden Kontrollgruppen der IAEA. Es wird sehr schwer werden, die Besorgnisse beider Seiten zu überbrücken.
Das Ende der Embargos
Der iranische Außenminister bestätigte in Wien, dass das Ende aller Embargos eines Beschlusses des Weltsicherheitsrates bedarf. Wann und wie es zu einem solchen Beschluss kommen könnte, ist noch offen. Da die meisten Embargos durch einseitige Beschlüsse der USA, ihres Finanzministeriums und Kongresses oder einzelner Bundesstaaten erwirkt wurden, wird es ohne Zustimmung der US-Regierung kein Ende aller Embargos geben. Dies gilt insbesondere für die schon in Genf freigegebenen Gelder des Irans auf ausländischen Konten. Die Banken haben diese Gelder den Iranern noch nicht zur Verfügung gestellt, da sie sich der Ernsthaftigkeit amerikanischer Absichten nicht sicher waren. Die 5+1 sollte die Banken ermutigen, diese Mittel endgültig als freigegeben zu erachten.
Der Iran bemüht das Völkerrecht
Der Verhandlungsdelegation für die Beendigung der gegen den Iran verhängten Embargos soll nun ein Komitee von Völkerrechtlern zur Seite gestellt werden, um die einzelnen Positionen des Iran völkerrechtlich zu untermauern. Hier wird auch das Ansinnen der USA völkerrechtlich angegangen, ein Geschäft zwischen Russland und dem Iran als gegen die Genfer Beschlüsse vom Dezember 2013 verstoßend zu bewerten und zu verbieten. Russen und Iraner haben vor, für 20 Milliarden Dollar iranisches Öl gegen russische Waren zu tauschen. In Genf war ein Tauschhandel Öl gegen Waren im Wert von maximal 10 Milliarden Dollar beschlossen worden. Werden die Russen und Iraner hier die Ukrainekarte spielen? Der Revolutionsführer ist ohnehin der Meinung, dem Westen gehe es nicht um die Atomanlagen im Iran, vielmehr würden die islamischen Revolutionäre nicht geduldet, sondern bekämpft. Das hätte schon der Berliner Mykonosprozess bewiesen. Dort wurde die Führung der IRI wegen Mordes an kurdischen Oppositionellen verurteilt. Der Westen würde immer einen Anlass finden, die IRI anzugreifen. Selbst wenn es keine Frage der Menschenrechte gebe, würde man etwas anderes erfinden, um die IRI zu diskreditieren.
Mehran Barati
Dr. Mehran Barati ist einer der exponierten Oppositionellen aus dem Iran. Er ist regelmäßiger unabhängiger Analyst auf BBC Persian und VOA (Voice of America) Persian und gilt als Experte für internationale Beziehungen.