Wunschlisten für den neuen Präsidenten

Dass keine Wunder vom zukünftigen iranischen Präsidenten Hassan Rouhani zu erwarten sind, dessen waren sich seine Wählerinnen und Wähler bereits beim Urnengang bewusst. Wie eingeschränkt sein politischer Spielraum ist, ist ihnen bekannt. Deshalb wissen die IranerInnen ihre Erwartungen der Lage anzupassen. Trotzdem werden Forderungen an den zukünftigen Präsidenten lauter.
Seit dem klaren Sieg Rouhanis bei den Präsidentschaftswahlen am 14. Juni wurden bereits einige Wunschlisten veröffentlicht. Sie stammen insbesondere von Kulturschaffenden und Journalisten, die unter Mahmoud Ahmadinedschad berufliche Einschränkungen hinnehmen mussten. Nun erwarten sie von der neuen Regierung Wiedergutmachung.
Als gemeinsamer Nenner zwischen den Wählern und dem neuen Präsidenten gilt die Sanierung der maroden Wirtschaft des Iran. In seinem Wahlprogramm versprach Rouhani, mit Verwaltungsreformen und der Verbesserung der außenpolitischen Strategien das Land aus der Wirtschaftskrise zu holen.
Doch darüber hinaus gibt es eine Reihe von Forderungen, die entweder spontan bei Straßenveranstaltungen wie Wahlfeiern ausgerufen wurden oder von AktivistInnen der Zivilgesellschaft formuliert werden. Sie alle sind sich über das bedrückende politische Klima im Iran einig. Und sie verlangen Verbesserungen wie Pressefreiheit, freie bürgernahe Organe wie Frauenverbände, Berufsgenossenschaften oder Studentenverbände sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen.
Forderungen der Filmschaffenden
Der Dachverband der iranischen Filmschaffenden, das „Haus des Kinos“ oder persisch „Khane Cinema“, gratulierte dem künftigen Präsidenten Hassan Rouhani zu seinem Wahlsieg. In dem Schreiben wird sein Sieg als „der Sieg der Vernunft, der Mäßigung und der Hoffnung“ bezeichnet, von dem sich die Filmschaffenden einiges erhoffen: etwa die Anerkennung ihrer Arbeitsrechte, Kündigungsschutz, Berufssicherheit und die Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung. Außerdem verlangen sie die „Durchsetzung der in der iranischen Verfassung vorgesehenen Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und die Aufhebung der Zensur“.

"Khaneh Cinema", Dachverband der Filmschaffendenorganisationen verlangt von Rouhani mehr Freiheiten
„Khaneh Cinema“, Dachverband der Filmschaffenden-organisationen verlangt von Rouhani mehr Freiheiten

Glückwünsche an den Präsidenten Rouhani kamen auch vom Berufsverband der unabhängigen Filmproduzenten. In einer Erklärung äußerte der Verband die Hoffnung, „den Posten des Kultusministers mit einer Persönlichkeit aus dem Kulturbereich“ besetzt zu sehen, „um den politischen Schatten von Kunst, Kultur und besonders vom iranischen Film zu entfernen“.
In den vergangenen acht Jahren war die iranische Filmkunst stark vernachlässigt worden. Immer wieder warnten iranische Filmschaffende vor der desaströsen Lage des iranischen Films. Bei der Regierung Ahmadinedschads stießen diese Warnungen jedoch auf taube Ohren.
Verheißungen von und für Publizisten
Der noch verbotene „Verband iranischer Journalisten“, der über sechstausend Mitglieder zählt, gratulierte dem Wahlsieger ebenfalls. In seinem Schreiben wünscht sich der Verband Lösungen für Probleme wie Armut, Inflation und Arbeitslosigkeit. Außerdem verlangt er nach individuellen und sozialen Freiheiten im Inland sowie fairen, freundschaftlichen und vernünftigen Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft. Dem Schreiben zufolge erhofft sich der Berufsverband unter der neuen Regierung auch die baldige Wiederaufnahme seiner Aktivitäten.
Unter Mahmoud Ahmadinedschad hatte sich die Lage der Presse und der Journalisten im Iran immer weiter verschlechtert. Drohungen gegen Journalisten und Verhaftungen wurden immer häufiger. Zeitungen, Zeitschriften sowie Internetportale wurden überwacht, geschlossen und deren Betreiber verfolgt. Das sorgte bei Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland für Proteste.
Wünsche aus dem Netz
Gleich am ersten Tag nach der Auszählung der Wählerstimmen formulierte deshalb eine Gruppe von Bloggern und Web-Aktivisten Wünsche aus dem Internet.
In der Regierungszeit von Mahmoud Ahmadinedschad wurden die Medien stärker als vorher zensiert und Medienmacher schikaniert
In der Regierungszeit von Mahmoud Ahmadinedschad wurden stärker als vorher die Medien  zensiert und Medienmacher schikaniert

Gerichtet ist der Brief an Wahlsieger Rouhani. Darin wird ihm vor Augen geführt, wie wichtig die sozialen Netzwerke für seinen Wahlsieg gewesen seien. Die Autoren kritisierten die Situation des Internets im Iran. Überwachung und Filterung unerwünschter Websites und dazu noch die langsame Geschwindigkeit mache das Internet im Iran unbrauchbar. Damit versperre die Regierung nicht nur den Zugang der Menschen zu Informationen, sondern gefährde auch die wirtschaftliche Entwicklung.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hängen die Internetaktivisten ihrem Schreiben noch einen Merkzettel an: Die verbesserte Netzverbindung sei eine Garantie für Rouhanis Wiederwahl in vier Jahren.
Schleierfrei
Auch über die Abschaffung des Schleierzwangs in dem islamischen Land wird nun viel diskutiert. Diese Forderung zu erfüllen liegt allerdings nicht in Rouhanis Machtbereich; das ist auch denjenigen klar, die diesen Wunsch äußern. Sie hoffen jedoch, mit der Wiederholung der Forderung sich mehr Gehör verschaffen zu können. Viele InternetaktivistInnen glauben, die Zeit sei noch nicht reif für solche Forderungen.
Zu viel verlangt
Am vergangenen Mittwoch mahnte auch Ex-Präsident Khatami mehr Zurückhaltung bei der Äußerung von Forderungen an. Khatami zählt zu den wichtigsten Unterstützern von Rouhani. Er warnte bei einem Treffen mit StudentenaktivistInnen der Universität Teheran vor „übereilten und unangebrachten Ansprüchen“ an die neue Regierung. Auf die Frage nach der Freilassung politischer Gefangener antwortete er: „Gründe für diese Verhaftungen sind Engstirnigkeit, fehlende Bereitschaft zum Dialog und der zurzeit herrschende Druck von oben.“ Ihm zufolge gelte es, geduldig und realistisch zu bleiben und dem neuen Präsidenten Zeit zu lassen, um seine Versprechen realisieren zu können.
FP