Ein Sieg für den "Revolutionsführer"
Die Rationierung und Preiserhöhung von Benzin hat im Iran landesweite Proteste ausgelöst. Dutzende Parlamentarier sprachen sich zunächst dagegen aus, manche bekundeten gar ihre Bereitschaft zur Niederlegung ihres Mandats. Doch nach einer Rede von Staatsoberhaupt Ali Khamenei zogen sie ihre Kritik zurück. Khamenei besiegelt damit erneut seine Alleinherrschaft.
„Liebe Landsleute, das Parlament hat schon lange nicht mehr das Ruder in der Hand“, twitterte Fatemeh Salahshouri, Abgeordnete des iranischen Parlaments, am 16. November.
Die Rationierung und Preiserhöhung von Benzin sei ohne das Wissen des Parlaments und hinter verschlossen Türen von den Chefs der Exekutive, Legislative und Judikative des Iran beschlossen worden.
Seit Freitag dürfen Besitzer*innen von privaten PKW monatlich 60 Liter Benzin für den Preis von 15.000 Rial (12 Cent) pro Liter tanken. Wer mehr verbraucht, muss für jeden weiteren Liter 30.000 Rial bezahlen. Die Ration für Taxen ist höher. Bisher kostete ein Liter Benzin im Iran 10.000 Rial.
Die neuen Benzinpreise und die Rationierung lösten eine landesweite Protestwelle aus, die bis Montagabend andauerte.
In ihrem Tweet bezeichnet Salahshour das iranische Parlament als „eine der Säulen einer halbherzigen Demokratie“, die für nichts mehr tauge und am besten aufgelöst werden sollte.
Am gleichen Tag hatten weitere Abgeordnete ihren Unmut über die erhöhten Benzinpreise kundgetan und eine Rücknahme des Beschlusses verlangt.
Laut der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Fars sollen 60 Parlamentsmitglieder sogar die Amtsenthebung von Präsident Hassan Rouhani vorbereitet und die Entlassung von Parlamentspräsident Ali Larijani in Erwägung gezogen. Andere kündigten an, aus Protest ihre Mandate niederlegen zu wollen.
Demonstrationen Teheran, Kermanshah, Urmia und anderen Städten:
https://youtu.be/iVTkuPHX3-M
Khameneis Rede
Am Sonntag glättete dann Staatsoberhaupt Ali Khamenei die Wogen. In einer Rede bezeichnete er den Beschluss als richtige Entscheidung, die „alle“ zu akzeptieren hätten. Die Protestler bezeichnete Khamenei als vom Ausland gelenkte Unruhestifter. Er verlangte von den Sicherheitskräfte des Landes, mit den „Feinden des Systems“ nicht zimperlich zu sein.
Zudem wies der oberste religiöse Führer des Iran alle Verantwortlichen des Staates an, dafür zu sorgen, dass die Erhöhung des Benzinpreises nicht automatisch zu einer steigenden Teuerungsrate beitrage.
Alles gut!
Kurz nach Khameneis Rede teilte Asadullah Abbasi, Sprecher des Parlamentspräsidiums, den Abgeordneten mit, dass das Präsidium keine Einwände gegen die Rationierung und Erhöhung des Benzinpreises habe und alle Abgeordneten verpflichtet seien, Khameneis Anweisungen Folge zu leisten.
Mit der „ritterlichen Stellungnahme des Führers“ sei wieder Ruhe im Parlament eingekehrt, verkündete auch Ali Motahari, einer der Vertreter der Hauptstadt Teheran in dem Abgeordnetenhaus. Nur ein Abgeordneter, Mohammad Ghassim Osmani aus der Stadt Bukan, bestand auf seiner Mandatsniederlegung – als Zeichen des Protestes.
In seiner Rede vor dem Parlament am Sonntag mahnte Osmani: „Man kann mit Gewalt Proteste verhindern, aber die Folgen dieser Entscheidung werden damit nicht gestoppt.“
Er wies darauf hin, dass die Haupteinnahmequelle des Landes Erdölprodukte seien und die Erhöhung der Benzinpreise automatisch zur Verteuerung anderer Güter führen werde. Außerdem nahm Osmani Stellung zu der Aussage einiger Regierungsverantwortlicher, dass der Benzinpreis im Iran verglichen mit denen anderer Ländern immer noch sehr niedrig sei. „Das Einkommen der Menschen in jenen Ländern ist auch nicht mit unserem vergleichbar“, so Osmani. Ein Lehrer im Iran verdient monatlich etwa dreißig Millionen Rial – 230 Euro.
„Benzinpreiserhöhung nützt dem Volk“
In den vergangenen Tagen haben Regierungsvertreter immer wieder versucht, auf die Vorteile der Benzinpreiserhöhung hinzuweisen. Die Gründe für diese Entscheidung seien soziale, betonten Regierungschef Rouhani und sein Sprecher Ali Rabiee. Demnach sollen die dadurch erzielten Mehreinnahmen Bedürftigen zugute kommen. Laut Rabiee sollen damit 18 Millionen Familien – etwas 60 Millionen Menschen – unterstützt werden – fast drei Viertel der Bevölkerung. Der Iran hat 83 Millionen Einwohner*innen.
Auch aus umweltpolitischen und verkehrstechnischen Gesichtspunkten sei die Rationierung und Verteuerung sinnvoll, argumentieren andere Verantwortliche. Der Iran hat seit Jahren mit immensen Umweltproblemen zu kämpfen.
Was dabei bisher nicht erwähnt wurde, ist der verheerende Rückgang der Einnahmen des Landes nach der Reaktivierung der US-Sanktionen seit Mai 2018. Kürzlich gab Hashmatollah Falahat-Pisheh, ehemaliger Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Sicherheit und Außenpolitik, bekannt, dass die iranischen Ölexporte auf ein Zwanzigstel gesunken seien. Nach Meinung von Experten will die Regierung mit der Benzinpreiserhöhung die Haushaltslücken schließen.
SEPEHR LORESTANI
Aus dem Persischen übertragen und überarbeitet von Farhad Payar
© Iran Journal
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