Drogentod zum Discountpreis

Experten zufolge bieten zahlreiche Straßenhändler und Läden für Naturheilmittel in Teheran Medikamente an, die zur Abhängigkeit und sogar zum Tode führen können. Oft beinhalten diese Medikamente das Schmerzmittel Tramadol. Das Mittel wird gegen Nervosität und zur Steigerung der Lust am Sex verabreicht.
Schon im vergangenen Dezember hatte Taha Taheri, der Leiter der iranischen Antidrogenkampagne, persönlich auf Teherans Straßen festgestellt, dass Straßenhändler von Naturheilmitteln „in großen Mengen und zum Discountpreis“ mit dem Mittel Tramadol handeln. Die massive Verbreitung und die großen Mengen dieser Droge auf dem illegalen Markt deuteten darauf hin, dass eine starke Organisation hinter dem Handel stecke, so Taheri damals. Knapp ein Jahr später, am 12. Dezember, warnte Maryam Akhgari, die Leiterin des toxikologischen Instituts der iranischen Gerichtsmedizin, vor der Zunahme der Gefahren durch den Konsum von Tramadol: „Der Konsum von Tramadol in hohen Dosen ist bei jungen Erwachsenen enorm gestiegen“. Es gebe dabei Fälle, wo bereits der erste Konsum zum Tode geführt habe.
Mitte September hatte Rasul Khazari, Mitglied des Gesundheitsausschusses des iranischen Parlaments, den andauernden Anstieg des Drogenangebotes im Iran und das Sinken der Preise kritisiert. Die Drogenbekämpfungspolitik der Regierung sei „unzulänglich“, so Khazari.

Experten warnen vor massivem Handel von Tramadol durch Naturheilmittel-Läden
Experten warnen vor massivem Handel von Tramadol durch Naturheilmittel-Läden

Etwa 1,5 Millionen Drogenabhängige soll es laut der Regierung von Mahmud Ahmadinedschad Anfang des Jahre im Iran gegeben haben. Das Gesundheitsministerium der neuen Regierung korrigierte die Zahl bereits nach oben: auf 2,2 Millionen. Ali Moayedi, Leiter der Antidrogenabteilung der iranischen Polizei, schätzt die Zahl der Drogensüchtigen im Iran sogar auf drei Millionen. Er behauptete Anfang November im iranischen Fernsehen, das Rauschgiftproblem „in den Griff bekommen“ zu haben, und nannte diesen „Erfolg seiner Behörde“ eine „besondere Errungenschaft der heiligen Islamischen Republik“.
Tod beim ersten Konsum
Doch Drogenexperten sehen das anders. Nach einer Studie des toxikologischen Instituts ist die Zahl der Todesfälle durch Tramadol in den vergangenen fünf Jahren massiv gestiegen. Genaue Zahlen sind allerdings nicht bekannt. Die Leiterin des Instituts, Maryam Akhgari, warnt vor „massivem Handel von Tramadol durch Naturheilmittel-Läden“. Der Grund für die Zunahme der Beliebtheit des Schmerzmittels sei, dass es als Ersatz für Rauschgift verwendet werde, so Akhtari.
Tramadol wurde ursprünglich zur Bekämpfung von mittleren bis starken Schmerzen entwickelt. Es wird in Form von Tropfen, Tabletten oder Zäpfchen angeboten. Häufige Nebenwirkungen sind neben Übelkeit, Störung der Atemorgane und Kreislaufstörungen auch Verwirrtheit und Wahnvorstellungen. Die regelmäßige Einnahme von Tramadol führt zur Abhängigkeit. Experten zufolge verwenden viele junge Menschen Tramadol auch zur Vorbeugung von Nervosität, insbesondere während der Prüfungszeiten an den Gymnasien, aber auch zur Steigerung der Lust am Sex. Viele wüssten nicht, dass sie dabei abhängig werden könnten.
Auch Methadon erhältlich
Viele Drogensüchtige sterben an einer Überdosis Methadon
Viele Drogensüchtige sterben an einer Überdosis Methadon

Der Leiter der Suchtforschung bei der iranischen Gerichtsmedizin, Mohammad Reza Ghadirzadeh, bestätigt die Aussagen seiner Kollegin: „Unter den Naturheilmitteln werden Medikamente zum Drogenentzug angeboten, die keine Zulassung haben.“ Neben Tramadol beinhalteten sie auch Morphium. Die Medikamente werden Ghadirzadeh zufolge in illegalen Labors am Rande der Hauptstadt hergestellt. „In den Läden für Naturheilmittel wird unter der Ladentheke auch mit dem rezeptpflichtigen Methadon gehandelt“, so Ghadirzadeh.
Laut einem Bericht der Gerichtsmedizin sterben viele Drogensüchtige an einer Überdosis Methadon, das sie ohne Absprache mit einem Arzt einnehmen. Selbst bei kleinen Kindern stellten Medienberichten zufolge iranische Gerichtsmediziner bereits Methadonkonsum als Todesursache fest, weil die Eltern das Mittel in der Reichweite der Kinder aufbewahrten.
Drogenbekämpfung durch Furcht und Schrecken
Im Kampf gegen Drogen hält sich das islamische Regime stark an das Prinzip Furcht und Schrecken. Mit harten Strafen wie Hinrichtungen von Drogendealern wird versucht, den Konsum einzuschränken. Experten kritisieren diese Methoden und verlangen nach breitgefächerten Maßnahmen, etwa Aufklärung in den Schulen und Hilfen für Menschen, die einen erfolgreichen Drogenentzug hinter sich haben. Beobachter werfen der Regierung Versagen im Kampf gegen Drogen vor: Das Überangebot von Rauschgift auf den Straßen und in den Schulen und die niedrigen Preise seien ein Beweis dafür, ist immer wieder auf iranischen Webseiten zu lesen.
  Sepehr Lorestani
Aus dem Persischen: Said Shabahang