Der Albtraum von Schönheit

In keinem anderen Land der Welt werden so viele Schönheitsoperationen durchgeführt wie im Iran, glauben iranische SoziologInnen. Nasenoperationen, Fettentfernungen und Veränderungen der Augenfarbe oder das Einsetzen von Schmucksteinen in das Auge sind für die ChirurgInnen ein lukratives Geschäft. Die PatientInnen setzen sich jedoch oft großen Gefahren für die Gesundheit aus. Der Schleierzwang verstärke den Wunsch nach Schönheit, glauben Experten. 

21 Jahre alt war Zahra erst, als sie vor wenigen Tagen in einem Teheraner Krankenhaus an den Folgen einer Magenverkleinerung starb. Die junge Iranerin wollte sich schöner fühlen. „Viele in unsere Familie leiden an Übergewicht. Zahra wollte das nicht mehr. Sie wollte unbedingt schlank sein“, sagt die Mutter der Verstorbenen. Ihre Tochter habe darauf bestanden, ihren Magen operativ verkleinern und sich Fett absaugen zu lassen. Dafür habe sie monatelang Geld gespart, um die kostspieligen Eingriffe aus eigener Tasche zahlen zu können. Kurz nach dem riskanten Eingriff fiel Zahra ins Koma. Die Ärzte konnten ihr Leben nicht mehr retten.
Und der Tod der jungen Teheranerin ist kein Einzellfall. Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele PatientInnen im Iran infolge von Schönheitsoperationen den Tod finden. Doch ExpertInnen vermuten, dass es jährlich Hunderte sind, die bei solchen Eingriffen bleibende Schäden davontragen oder gar sterben.
Doch trotz der Schreckensmeldungen über Behandlungsfehler, die im Iran die Runde machen, boomt das Geschäft der plastischen ChirurgInnen Teherans wie nie zuvor: Nasenoperationen, Hautstraffungen, Fettentfernungen und sogar Veränderungen der Augenfarbe oder das Einsetzen von Schmucksteinen in das Auge sind für die meisten SchönheitschirurgInnen längst Standardeingriffe. Zwei von drei Schönheitsoperationen, die an Augen durchgeführt werden, sollen iranischen Medienberichten zufolge zu Beeinträchtigungen der Sehkraft führen.

Edelstein im Auge, neueste Modegag in der Islamischen Republik
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Doch manche ChirurgInnen glauben daran nicht: „Wenn Schönheitsoperationen von kompetenten Ärzten in guten Kliniken durchgeführt werden, ist das Risiko einer Schädigung sehr gering“, sagt etwa der Arzt Mohammadreza Shafiie. Der Gesundheitsexperte Mostafa Eghlima ist dagegen der Meinung, dass das Risiko im Iran besonders groß sei: „Hier werden ChirurgInnen, wenn sie eine OP verpfuschen, nur in den seltensten Fällen zur Verantwortung gezogen. Aus diesem Grund sind sie bereit, fast jeden Eingriff durchzuführen, solange sie daran gut verdienen“. In anderen Ländern sei das anders: „Wenn in den USA ein Chirurg eine OP in den Sand setzt, muss er dafür gerade stehen. Aus diesem Grund wägt er ab, welche OP machbar ist und welche nicht“, so Eghlima.
Nasen-OPs besonders gefragt
Der Verband der plastischen Chirurgen Irans schätzt die Zahl der Schönheitsoperationen im Land auf jährlich über 100.000. ExpertInnen halten das für eine konservative Schätzung. Einige von ihnen sind davon überzeugt, dass in keinem Land der Welt so viele Schönheitsoperationen durchgeführt werden wie im Iran. Als gefragteste Eingriffe gelten Nasenkorrekturen. 80.000 IranerInnen legen sich laut Mostafa Eghlima für eine schönere Nase jährlich unters Messer. Doch warum ausgerechnet die Nase? Der Chirurg Shafiie glaubt: „Aufgrund ihres zentralen Platzes ist die Nase das auffälligste Merkmal in einem menschlichen Gesicht. Es ist daher verständlich, dass Menschen mit einer weniger schönen Nase das Bedürfnis haben, diese korrigieren zu lassen.“
Der Teheraner Psychologe Morteza Honardoust ist dagegen der Ansicht, dass vor allem die Verschleierungspflicht im Iran für die vielen Nasenkorrekturen verantwortlich sei: „Das Kopftuch lenkt den Blick auf die Nase. Schönheitsmakel im Gesicht werden stärker wahrgenommen, wenn man das Haar nicht offen tragen kann“, sagt er. In Gesellschaften ohne den Zwang, die Haare und den Körper zu verschleiern, liege der Fokus dagegen nicht so sehr auf dem Gesicht oder der Nase allein, so Honardoust.
Schönheit für alle!
Reklame in einer iranischen Website für eine Creme, die die Nase verkleinern soll.
Reklame in einer iranischen Website für eine Creme, die die Nase verkleinern soll.

Das Bedürfnis vieler IranerInnen, sich chirurgisch verschönern zu lassen, ist ein vergleichsweise junges Phänomen. Im ersten Jahrzehnt nach der Revolution von 1979  – vor allem während des Iran-Irak-Kriegs von 1980 bis 1988 – war die Nachfrage nach Schönheitsoperationen so gut wie nicht vorhanden. Die IranerInnen hätten damals eine andere Geisteshaltung gehabt und auf Äußerlichkeiten wenig Wert gelegt, glauben SoziologInnen. Doch besonders ab Anfang der 2000er Jahre habe dann ein regelrechter Boom um die eigene Schönheit eingesetzt.
Heutzutage sieht man in den Straßen Teherans längst nicht mehr nur junge IranerInnen mit operierten Nasen und aufgespritzten Lippen. Auch immer mehr Menschen im mittleren und hohen Alter entscheiden sich zu solchen Eingriffen. Einen starken Antrieb erhält der Schönheitskult, der bei vielen IranerInnen schon in der frühen Pubertät auftritt, durch die Verbreitung bestimmter Schönheitsideale im Internet und in westlichen Fernsehsendern, sagen ExpertInnen.
  POOYA AZADI
Übersetzt und überarbeitet von  Jashar Erfanain