Parlamentswahlen im Iran – bedroht durch „Wahlboykott“?

Am 2. März finden im Iran Parlamentswahlen statt, und noch nie war die Frage nach der Wahlbeteiligung so groß. Laut einer Umfrage der iranischen Nachrichtenagentur MEHR werden sich in Teheran etwa 37 Prozent und im ganzen Land 60 Prozent der Bevölkerung an den Wahlen beteiligen. In der virtuellen Welt aber sprechen die meisten User von einem Wahlboykott.
Vor zehn Tagen gab der Wächterrat die endgültige Liste der zugelassenen Kandidaten für die Abgeordnetenwahl bekannt. Das geistliche Kontrollorgan überprüft alle Kandidaten auf den Grad ihrer Loyalität zum islamischen System und zum religiösen Führer. Auf der Liste der zugelassenen Kandidaten fehlen deshalb sogar 35 amtierende Abgeordnete, die sich erneut zur Wahl stellen wollten. Nun ringen 3.462 Kandidaten überwiegend aus dem konservativen Lager um die 290 Sitze im iranischen Parlament. Mehr als 48 Millionen Menschen sind laut dem iranischen Innenministerium wahlberechtigt.
Was diese Wahlen von den bisherigen im Wesentlichen unterscheidet, ist, dass die Reformer zum ersten Mal seit der Revolution vor 33 Jahren zu einem Wahlboykott aufgerufen haben. Angesicht der Massenproteste wegen der „Wahltäuschung“ bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 scheint sich der Gottesstaat diesmal vor einer geringen Teilnahme zu fürchten. Der iranische Religionsführer Ayatollah Khamenei bezeichnete in einer Rede am Mittwoch, den 29. Februar, die bevorstehenden Wahlen als „politisch besonders sensibel“.
Diese Worte schienen auch an die Sicherheitskräfte gerichtet zu sein. Denn dass bei den Wahlen die Sicherheit „höchste Priorität“ habe, betonte auch der Kommandeur der iranischen Polizei, Esmaeil Ahmadi Moghadam, am Freitag. Er kündigte an, dass bei den Parlamentswahlen zusätzlich zur Polizei etwa 85.000 Angehörige der Basij-Milizen einsatzbereit seien. Die Basiji-Miliz ist eine „Freiwilligenorganisation“ zur Unterstützung der islamischen Regierung. Sie gehört zu den wichtigsten Zweigen der Revolutionsgarde.
Stimme der Wahlgegner in der virtuellen Welt

Screenshot: www.rismanekhoda.blogfa.com
Screenshot: rismanekhoda.blogfa.com

Der Tenor bei den meisten Bloggern, die den Wahlboykott befolgen werden, lautet: „Keine Teilnahme wegen der Enttäuschung bei den umstrittenen Präsidentschaften 2009.“ Viele können die brutale Niederschlagung der „Grünen Bewegung“ nicht vergessen, und ebensowenig, dass die Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi und seine Frau Zahra Rahnavard, sowie Mehdi Karroubi seit mehr als einem Jahr unter Hausarrest stehen.
Der Blogger „Nourafkan“ schreibt: “Vergesst nicht, dass diese Kandidaten morgen im Parlament ‚Tod dem Moussavi’ rufen werden.“ Die Parlamentarier hätten „durch ihre Inkompetenz“ bei so manchem versagt. Aber er würde nie vergessen, wie sie einmal den Tod von Moussavi, Karroubi und Khatami verlangt hätten: „Keiner wird meine Stimme bekommen, um dann im Parlament so etwas zu rufen.“
Neue Wahlkampagne
Der Blogger „Asheghe_ iran“ wirft der Regierung „absolute Furchtsamkeit“ vor einer geringen Wahlbeteiligung vor. Er begründet dies mit einer SMS, die durch die Behörden an die Handynutzer geschickt wurde: “Radio Farda: Wenn die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent sein wird, dann werden die Amerikaner angreifen.“ Radio Farda gehört zum „European Free Radio“ und sendet von Prag aus. Der Sender wird von der iranischen Regierung wie andere persischsprachige Auslandssender als „Unruhestifter“ oder „Stimme der vom Westen unterstützten Opposition“ betrachtet. „Ashegh_iran“ wundert sich deshalb darüber, dass das Regime nun Radio Farda als Informationsquelle angibt.
Auch auf den Social Networks wie Facebook wurden Fotos eines Werbeplakates mit dem gleichen Inhalt wie der SMS gepostet. Das Plakat wurde in mehreren Stadteilen Teherans von Usern fotografiert. Diese Art der Werbung um  Wahlbeteiligung kann man auf jeden Fall als überaus neu bezeichnen.
Gegen Krieg und für Wahlboykott
Der Blogger „Majmaee Diwanegan“ begründet seinen Wahlboykott mit vier Punkten. Dabei nimmt er auch das Thema Krieg auf. Er schreibt: “Seit mindestens zwei Jahren höre ich im Parlament nur Krieg schürende Abgeordnete. Ich kann vielleicht keinen Krieg verhindern, aber ich werde auch nicht mit meiner Stimme den Weg der Kriegsbefürworter ebnen.“
Statt streiten sich einigen
Es gibt aber auch Befürworter von Parlamentswahlen unter den Bloggern wie „Risman Khoda“. Der wirbt allerdings nicht nur für die Wahlen, sondern wünscht sich auch mehr Einigkeit unter den politisch konservativen Kandidaten. Er schreibt: “Hier ist kein Platz zum Streiten, man sollte sich besser einigen.“ Dabei bezieht er sich auf die verschiedenen Kandidatenlisten, die das konservative Lager aufgestellt hat.
Wahlbeteiligung
Auch wenn man jetzt noch nicht sagen kann, wie die Wahlbeteiligung sein wird: Fakt ist, dass es bei diesen Wahlen weniger um die jeweiligen Kandidaten geht, sondern viel mehr um dies: Eine hohe Wahlbeteiligung wird das iranische Regime legitimieren, nach einem deutlichen Boykott“ werden sich die politischen Reformer als Sieger feiern.