Iranische Regierung will mehr männliche Mediziner
Eine Quotierung soll die Zahl männlicher Medizinstudenten an den iranischen Universitäten erhöhen. Ärzte zeigten stärker als Ärztinnen Bereitschaft, ihren Beruf in ländlichen Gebieten auszuüben, so die Regierung. KritikerInnen sehen in den Plänen einen falschen Ansatz.
Von Jashar Erfanian
Kaum ein Berufsstand genießt unter IranerInnen ein so hohes Ansehen wie der des Mediziners. Zurückzuführen ist diese Leidenschaft für medizinische Berufe wohl auf den weltberühmten iranischen Arzt Avicenna (Abu Ali al-Husein ibn Abdullah ibn Sina), der in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts den Grundstein für die moderne Medizin legte. Fast tausend Jahre nach seinem Tod hat Avicenna im Iran immer noch den Status eines Nationalhelden, dem Männer und vor allem viele Frauen nacheifern wollen.
Sima hat es geschafft. Mit der Aufnahme des Medizinstudiums in der Hauptsstadt vor zwei Jahren sei für sie ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen, erzählt Sima im Gespräch mit dem Iran Journal. „Meine drei Jahre jüngere Schwester und ich haben vom Kindesalter an immer den Wunsch gehabt, Ärztinnen zu werden. Unsere Puppen waren andauernd krank und wir haben sie täglich gehegt und gepflegt“, sagt die junge Frau lächelnd. Doch Sima ist auch wütend: „Sollte das geplante neue Konzept des Gesundheitsministers tatsächlich umgesetzt werden, könnte es sein, dass meine Schwester auf der Strecke bleibt und etwas anderes studieren muss“, schimpft die 22-Jährige.
Männerquote geplant
Hintergrund von Simas Aufregung ist der Plan des iranischen Gesundheitsministers Hassan Ghazizadeh Hashemi, den Anteil weiblicher und männlicher MedizinstudentInnen an den Universitäten zu regulieren. „In der Islamischen Republik gibt es einen großen Mangel an männlichen Ärzten und Pflegekräften. Dementsprechend unzureichend ist die gesundheitliche Versorgung in den peripheren Gebieten des Landes“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur ISNA den Minister. Zwar gebe es sehr viele Ärztinnen, doch seien Frauen in der Regel weniger mobil als Männer. Viele ausgebildete Ärztinnen und Pflegerinnen würden sich deshalb weigern, eine Stelle fernab der eigenen Stadt zu besetzen. Darum sei auch die Arbeitslosigkeit bei Ärztinnen und weiblichen Pflegekräften relativ groß, so Ghazizadeh Hashemi.
In der Tat haben die Aussagen des Gesundheitsministers einen realen Hintergrund. Lag 1991 der Anteil männlicher Medizinstudenten noch bei etwa 58 Prozent, sind es heute nur noch knapp 32 Prozent Männer, die sich bei den äußerst anspruchsvollen Aufnahmeprüfungen – den sogenannten Konkur-Prüfungen – für das Fach Medizin durchsetzen konnten. ,Nun soll eine „Männerquote“ den Trend umkehren und die alten Verhältnisse wiederherstellen.
Nicht wenige Bewerberinnen fürchten allerdings, dass ihnen dadurch künftig ein Medizinstudium ganz verwehrt bleiben könnte – obwohl sie bei den einmal im Jahr stattfindenden Konkur-Prüfungen, die an allen staatlichen Universitäten und in den unterschiedlichsten Fachrichtungen abgehalten werden, im Vergleich zu ihren männlichen Konkurrenten deutlich besser abschneiden.
Kritik an Reformplänen
Die Teheraner Fachärztin für Innere Medizin, Dr. Zohre Malek, teilt die Skepsis der jungen Frauen. Auch sie hält nicht viel von den Reformplänen des Gesundheitsministeriums. „Der Ansatz der Regierung ist ziemlich unüberlegt. Wenn es zukünftig mehr männliche Ärzte und Pflegekräfte geben soll, muss dafür gesorgt werden, dass allgemein mehr Menschen ein Medizinstudium aufnehmen können. Den Zugang zum Medizinstudium für Frauen zu begrenzen, löst das Problem überhaupt nicht“, sagt die Ärztin im Gespräch mit dem Iran Journal. Vielmehr müsse die Regierung dafür Sorge tragen, dass sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in kleineren Städten und Dörfern verbesserten, so dass Frauen keine Schwierigkeiten mehr hätten, dort ihren Beruf auszuüben. „Wie soll eine junge, alleinstehende Ärztin oder Pflegerin denn in der Provinz einen Job annehmen, wenn ihr als unverheiratete Frau nicht einmal eine Wohnung vermietet wird?“, fragt Malek.
Medizinstudentin Sima sieht in dem Vorstoß der Regierung mehr als nur einen gut gemeinten, aber falschen Plan. Sie ist der Überzeugung, dass mittelfristig Frauen allgemein der Zugang zur höheren Bildung erschwert werden soll: „Heute sind 60 Prozent der Studierenden weiblich. Doch die Gesellschaft des Iran ist patriarchalisch geprägt. Den Männern, die an den Hebeln der Macht sitzen, sind gebildete Frauen unheimlich“, fürchtet sie. Bestätigt sieht sich die angehende Ärztin durch den Entschluss der Vorgängerregierung, dass Frauen an 36 Hochschulen und 77 Fächer auf Diplom- und Master-Niveau nicht mehr studieren dürfen. „Ich bin eine Anhängerin von Präsident Rouhani“, sagt Sima, „aber was jetzt geplant ist, ist die Fortsetzung der Bildungspolitik der alten Regierung“.
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