Gleichberechtigung im Iran: „Peitschenhiebe für alle“

Verurteilte öffentlich auspeitschen zu lassen gehört im Iran zur Normalität. Für die gleichberechtigte Anwendung dieser gesetzlich legitimierten Züchtigung sorgen nach islamischem Recht ausgebildete Richter. Verurteilt werden Frauen ebenso wie Männer, Junge und Alte, Schauspieler, Studenten, Andersdenkende, Blogger oder Kinderschänder.  Alle sind vor dem Gesetzt gleich, wenn es um öffentliche Demütigung geht.
Das jüngste Beispiel dafür ist das vor einigen Tagen verhängte Urteil gegen die iranische Schauspielerin Marsieh Wafamehr. Sie wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zu 90 Peitschenhieben verurteilt. Die konkreten Vorwürfe gegen Wafamehr wurden nicht veröffentlicht. Vermutlich geht es um den Film „My Tehran for Sale“, in dem Wafamehr 2009 die Hauptrolle hatte. Sie spielt eine Theaterschauspielerin, deren Arbeit verboten wird. Sie macht aber im Geheimen weiter.
Die iranisch-australische Produktion wurde in konservativen iranischen Kreisen scharf kritisiert. In manchen Szenen ist Wafamehr unverschleiert zu sehen.
Keine Ausnahme
Dass das Züchtigungsgesetz keine Ausnahme kennt und auch bei Frauen konsequent angewendet wird, beweist der Fall der Aktivistin und Promotionsstudentin Samieh Touhidloo, bekannt durch das Weblog „Bar sahele salamat“. Sie wurde in der Folge der Protestbewegung gegen die Präsidentschaftswahlen im Iran 2009 verhaftet und zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 50 Peitschenhieben verurteilt. Das Berufungsgericht milderte die Strafe ab und strich einen Anklagepunkt. Die Peitschenhiebe wurden aber im September dieses Jahres erteilt.
„Kein freies Land“

Peyman Aref
Peyman Aref

Peyman Aref ist der zweite Aktivist, der kürzlich ebenfalls zu 74 Peitschenhieben verurteilt wurde. Seine Ansichten veröffentlicht er im Weblog „Tajadod nahme“. „Ich bin ausgepeitscht worden, und zwar in diesem Land, das laut Ahmadinedschad das freieste Land auf der Welt ist, weil ich angeblich den Präsidenten beleidigt haben soll“, so Aref  in einem Interview mit dem Onlinemagazin „Djaras“ nach der Durchführung des Urteils.
Die Bilder der blutigen Wunden auf Arefs Rücken waren unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Internet zu sehen. Dass die Blogger schnell darauf reagierten, kam nicht überraschend. Das Weblog “Alfreds Gahneveshteha“ setzt sich dabei mit dem Thema „Zivilcourage“ in der iranischen Gesellschaft auseinander und klagt: „Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer Zeit, in der man nicht einmal Tiere schlagen darf. Wenn man es trotzdem täte, würden viele Menschen und Medien vehement protestieren. Was ist mit uns passiert? In unserem Land wird einen Mann wegen einer einfachen Kritikäußerung mit einem Kabel ausgepeitscht, und keiner sagt etwas!?“
Keinen Mumm
Der Blogger Alfred kritisiert auch die „Aktivisten der Protestbewegung“, die nur in der virtuellen Welt Widerstand leisten könnten. Er warnt: „Wir haben uns in ein virtuelles Volk verwandelt. Ein Volk, das nur noch ‚I like it‘ und ‚Comments‘ schreiben kann. Ein ‚revolutionäres‘ Volk, das nur im Internet rebelliert! Damit können wir aber unserer Verantwortung nicht gerecht werden.“
Kein Verdienst

Der Blogger „Khosroo“ veröffentlicht die Fotos der Wunden auf Arefs Rücken in seinem Weblog „Pochtestan“ und kommentiert unter der Überschrift „Schaut gut hin!“:  „Hier sind die Spuren der Gnade der islamischen Republik auf dem Körper eines Masterstudenten im Fach Politikwissenschaft der Teheraner Universität.“ Khosroo zitiert dann das persische Sprichwort „Ihr habt es verdient“ und fügt zu dieser ‚Weisheit‘, die die Opfer immer als Schuldige darstellt, hinzu: „Selbst wenn diese Weisheit wahr sein sollte – das haben wir nicht verdient.“