„Keine Rücksicht auf Extremisten“ – Reaktionen auf die Umsetzung des Atomabkommens

Die Umsetzung des Genfer Atomabkommens zwischen dem Iran und der Gruppe 5+1 hat für überwiegend positive Reaktionen in der iranischen Presse gesorgt. Die Hardliner kritisieren zwar, die Regierung habe dem Westen gegenüber nachgegeben. Die moderaten Kräfte sehen jedoch in der neuen Entwicklung Chancen für Veränderungen.
Am Dienstag, dem Tag nach Inkrafttreten des Atomabkommens zwischen dem Iran und der Gruppe 5 + 1 (den fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und Deutschland) setzten sich iranische Medien mit den Folgen des Abkommens auseinander. Die meisten Tageszeitungen wiesen dabei auf die damit einhergehenden Lockerungen der Sanktionen hin, die die Wirtschaft des Iran in die Knie gezwungen und die Lebensbedingungen vieler IranerInnen enorm verschlechtert haben. Interessant dabei ist, dass die meisten Zeitungen im Iran als Sprachrohr eines der politischen Flügel innerhalb des Regimes fungieren.
„Erpressung“ oder Segen?
Die Zeitung Kayhan etwa, die Staatsoberhaupt Ali Khamenei nahesteht, nennt das Genfer Atomabkommen „unausgeglichen“. Der Inhalt sei „verfassungswidrig“, schreibt das ultrakonservative Blatt: „Das Genfer Atomabkommen ist vom iranischen Parlament nicht beschlossen worden und hat deshalb keine rechtliche Gültigkeit.“ Zuvor hatte die Zeitung die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und dem Westen als „Erpressung“ seitens des Westens bezeichnet.
Die regierungsnahe Zeitung Iran dagegen sieht in dem Abkommen einen Segen für das Land, denn damit werde die Wirtschaft wieder angekurbelt. Tatsächlich war bereits am Montag, nachdem bekannt wurde, dass die EU-Außenminister beschlossen hatten, die Sanktionen gegen den Iran zunächst für sechs Monate zu lockern, eine Erholung des Wechselkurses zu beobachten. Die Preise für Dollar und Euro ließen leicht nach.

Verhandlungsführer/in in Genf: freudeige Umarmung nach der Einigung im November 2013
Verhandlungsführer/in in Genf: freudeige Umarmung nach der Einigung im November 2013

Zuvor hatten Experten der Internationalen Agentur für Atomenergie (IAEA) bestätigt, dass der Iran Vorkehrungen zur Einhaltung des im vergangenen November beschlossenen Abkommens getroffen habe. Der Iran hatte sich verpflichtet, die Anreicherung von Uran über fünf Prozent hinaus auszusetzen, einen Teil der Vorräte des auf 20 Prozent angereicherten Urans zu verdünnen, und der IAEA die uneingeschränkte Kontrolle seiner Atomanlagen in Natans und Fordo zu gestatten.
Im Gegenzug hebt die EU vorübergehend das Einfuhrverbot für petrochemische Produkte aus dem Iran auf und erlaubt den Handel mit Gold und anderen Edelmetallen mit Teheran. Außerdem werden Beschränkungen bei Finanztransaktionen gelockert und europäische Transportgesellschaften dürfen wieder iranisches Öl nach China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und in die Türkei transportieren.
Auch das Weiße Haus hat angekündigt, mit der Lockerung der Sanktionen gegen den Iran zu beginnen.
Die Teheraner Zeigung Shahrvand, die der Regierung nahe steht, schreibt, nur wenn die Atomverhandlungen fortgesetzt würden, könnte diese Entwicklung anhalten. Laut Catherine Ashton, der EU-Außenbeauftragten, sollen die Verhandlungen im Februar wieder aufgenommen werden: „Die nächsten sechs Monaten werden für die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen entscheidend sein“, ließ Ashton am Montag wissen.
Konservative unzufrieden
Die Atomanlage Natans - Jahre lang ein Streitpunkt zuwischen dem Iran und dem Westen
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Die hartnäckigsten Gegner des Atomabkommens säßen im iranischen Parlament, schreibt der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam in der reformorientierten Tageszeitung Shargh: „Sie haben sich deutlich und öffentlich gegen die offizielle Politik in der Atomfrage geäußert, und betrachten sie nicht als Errungenschaft.“
Tatsächlich sprachen konservative Abgeordnete im iranischen Parlament nach einem Bericht der reformorientierten Zeitung Arman sogar von einer „Atom-Apartheid“ gegenüber dem Iran. Das Abkommen benachteilige ihr Land gegenüber dem Westen. Am Dienstag forderten 150 konservative Parlamentarier mehr Informationen über den Inhalt des Genfer Abkommens von der Regierung. Arman dagegen betrachtet die Umsetzung des Atomabkommens als außenpolitischen Erfolg.
Der nationale Konsens“
Die Zeitung Ebtekar sieht in der Umsetzung der Genfer Vereinbarungen die Folge des „nationalen Konsenses“, der zum Regierungswechsel zugunsten der Moderaten geführt habe: Am Tag der Präsidentschaftswahlen habe die Mehrheit der IranerInnen mit der Entscheidung für Hassan Rouhani die vorübergehende Aussetzung der Urananreicherung akzeptiert, „um ihre wirtschaftliche Sicherheit wiederzugewinnen“, so das reformorientierte Blatt. Und die ehemalige Abgeordnete Fatemeh Rakei schreibt in einem Beitrag für die reformorientierte Zeitung Etemaad: Der Iran und der Westen sollten in der jetzigen Situation „ohne Rücksicht auf die Extremisten im Iran und im Westen ihre Verpflichtungen erfüllen.“
FS / FP