Subventionsabbau im Iran: eine Zwischenbilanz

Ein Jahr nach der Einführung des Subventionsabbaugesetzes spricht die iranische Regierung von einem Erfolg. Kritiker dagegen sehen darin keine gute Politik.
Vor einem Jahr, am 19. Dezember 2010, trat im Iran die erste Phase des „Gesetzes zur Lenkung und Optimierung von Subventionen“ in Kraft. Mit dem Gesetz wurde die Subventionierung für sechzehn verschiedene Waren und Dienstleistungen abgebaut: darunter Gas, Wasser, Strom, aber auch Mehl. Ziel war es, in den folgenden fünf Jahren praktisch alle staatlichen Preissubventionen – Gesamthöhe: etwa 85 Milliarden Euro – nach und nach aufzuheben und durch Direktzahlungen an die Bevölkerung zu ersetzen. Denn allein die Beibehaltung der staatlichen Subventionen für Energie hätte laut einem Bericht der Weltbank etwa 15 Prozent des iranischen Bruttoinlandproduktes ausgemacht.
Das Gesetz hatte schnelle Folgen: mit seinem Inkrafttreten gingen etwa die Treibstoffpreise massiv in die Höhe. Der Benzinpreis erhöhte sich von 7 auf 49 Cent pro Liter, der Preis für einen Liter Diesel stieg von 1,2 auf 29 Cent. Gas, Wasser, Elektrizität und Mehl wurden in ähnlichem Umfang teurer.
Teil des Geldes an die Bürger
Schon bei der Beratung des Gesetzes hatte es im iranischen Parlament heftigen Streit darum gegeben, wer die Kontrolle über die eingesparten Gelder haben sollte. Denn sowohl das Parlament wie auch der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad erhoben Anspruch auf die Mittel. Beschlossen wurden schließlich, einen Teil des Geldes als Direktzahlungen in Höhe von umgerechnet 25 Euro pro Person und Monat an die Bevölkerung zu verteilen. Damit sollte der Schock der starken Preisanstiege aufgefangen werden.
Die Auszahlung erfolgt seither alle zwei Monate, bedingungslos und ohne Bedarfsprüfung. Rund 60,5 Millionen Iraner, 81 Prozent der Bevölkerung, haben sich für die Auszahlungen angemeldet und im letzten Jahr die Gelder bezogen. Die Regierung hat versprochen, deren Höhe im kommenden Jahr zu verdoppeln.
Gründe für den Subventionsabbau
Es waren vor allem zwei Gründe, die die iranische Regierung zum Abbau der Subventionen brachten: zum einen ging es darum, das staatliche Budget zu entlasten und so die Bedingungen zu erfüllen, die laut dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) zur Schaffung einer effizienten und dynamischen Wirtschaft notwendig sind. Der zweite wichtige Grund: die durch die staatlichen Subventionen niedrigen Treibstoffpreise im Iran führten zu einem extrem hohen Treibstoffkonsum, der vor allem in der Hauptstadt Teheran zu der enormen Luftverschmutzung beitrug. Mehrmals musste die Regierung in den vergangenen Jahren deshalb den Autoverkehr in der Metropole einschränken oder gar Büros und Schulen schließen lassen.
Auf Stimmenfang“

Das Parlament will die Befugnisse der Regierung bei der Optimierung der Subventionen einschränken und die Kontrolle des Parlaments darüber erweitern.
Das Parlament will die Befugnisse der Regierung bei der Optimierung der Subventionen einschränken und die Kontrolle des Parlaments darüber erweitern.

Kritiker in- und außerhalb des Iran nennen noch einen anderen Grund für den Subventionsabbau. Sie werfen der Regierung Ahmadinedschad vor, mit den Direktzahlungen an die Bürger auf Stimmenfang bei der Bevölkerung gehen zu wollen, um sich so den Sieg bei den kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu sichern.
Obwohl dieser Vorwurf nicht von der Hand zu weisen ist: die Bilanz des ersten Jahres der Durchführung des Subventionsabbaugesetzes dient nur bedingt diesem möglichen Ziel.
Präsident Ahmadinedscha erklärte bei der Jubiläumsfeier der einjährigen Durchführung des Gesetzes am 19. Dezember den Subventionsabbau zu einem Erfolg. Das Gesetz habe die Kluft zwischen Arm und Reich reduziert, und zudem die Fähigkeit des wirtschaftlichen Managements des Iran unter Beweis gestellt, umfangreiche Programme zu realisieren.
Tatsächlich hat sich seit der Einführung des Gesetzes der Benzinverbrauch im Land um sechs Prozent reduziert. Der Verbrauch von Diesel und Heizöl ging um zehn beziehungsweise um 36 Prozent zurück. Viele Firmen stellten ihren Energieverbrauch von Heizöl auf  Gas um, was zu einer starken Zunahme des Gasverbrauchs geführt hat.
Saubere Luft weiterhin Mangelware
Insgesamt hat  die Regierung durch zurückgehende Importe von Benzin und Diesel etwa acht Milliarden US-Dollar gespart. Doch zu einer Verbesserung der Luftqualität in Teheran oder anderen großen Städten Irans hat das nicht geführt. Denn nach wie vor steigt die Zahl der Kraftfahrzeuge, die nach alten Technologien gebaut werden, und die Qualität des Benzins, das im Iran produziert wird, weicht weiterhin von internationalen Normen ab. Viele Autos im Iran sind technisch stark veraltet und die Frist für die regelmäßige TÜV-Kontrolle – die im Iran vor zehn Jahren eingeführt wurde – wurde kürzlich von zwei auf fünf Jahre verlängert. Laut Angaben des Amtes für Luftqualitätskontrolle in Teheran sind im vergangenen Jahr 4.000 an den Folgen der Luftverschmutzung gestorben.
Zudem hat der Anstieg der Strom- und Wasserkosten viele Haushalte so belastet, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Rechnungen zu bezahlen. Der Gaspreis ist nach dem Subventionsabbau um bis zu 70 Prozent gestiegen. Der Energiekommission des iranischen Parlaments zufolge haben 1,6 Millionen Haushalte im Iran in den vergangenen Monaten ihre Gasrechnungen nicht bezahlt – das sind 30 Prozent der Gaskunden. Die Regierung führt das darauf zurück, dass es vielen Haushalten schwer falle, ihren hohen und ineffizienten Energieverbrauch zu reduzieren.
Direktzahlung  wird problematisch
Laut Gesetz sollten die Direktzahlungen an die Bevölkerung etwa die Hälfte des durch den Subventionsabbau eingesparten Geldes betragen. Die andere Hälfte sollte teilweise für die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegeben werden, und teilweise Firmen und Industrieanlagen zur Verfügung gestellt werden, um auch für sie die Energiepreissteigerungen aufzufangen und durch Modernisierungen den Energieverbrauch zu senken.
Doch einer Studie des iranischen Parlaments zufolge, deren Ergebnisse auch ein Bericht des iranischen Rechnungshofes bestätigt, führte schlechtes Management der Regierung dazu, dass selbst die komplette Auszahlung der eingesparten Mittel als Direktzahlungen an die Bevölkerung nicht ausreichen würden, um die Preissteigerungen auszugleichen. Von finanzieller Unterstützung für den öffentlichen Nahverkehr oder Hilfe für Privatfirmen könne daher keine Rede sein, so der Bericht. Viele Firmen haben aufgrund der gestiegenen Energiepreise und des Ausbleibens staatlicher Hilfe bereits Pleite gemacht.
Zudem führten die Direktzahlungen an die Bürger dazu, dass die Menge des umlaufenden Geldes in der Gesellschaft um 80 Milliarden Dollar zugenommen hat und damit von 270 Milliarden Dollar im November 2010 auf heute 350 Milliarden Dollar stieg. Im gleichen Zeitraum stieg auch die Inflationsrate auf 20 Prozent – doppelt so viel wie im vergangenen November.
Sorge um die Folgen
Kritiker des Subventionsabbaus im iranischen Parlament schätzen deshalb, dass das Geld in den Händen armer Familien zwar kurze positive Effekte hat, doch dann durch starke Inflation entwertet wird. Höchstens in Dörfern und Kleinstädten könne es eventuell längere positive Effekte haben und damit die Popularität der Regierung steigern. Doch mittelfristig, so die Kritiker, sei die Politik  der Regierung zum Scheitern verurteilt. Ganz in diesem Sinne verabschiedete das Parlament am 25. Dezember in erster Lesung ein neues Gesetz, das die Befugnisse der Regierung bei der Durchführung des Gesetzes zu Lenkung und Optimierung der Subventionen einschränkt und die Kontrolle des Parlaments darüber erweitert.