Sonne, Wind und Politik

Auch die deutsch-iranische Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft erreichte nach dem Atomabkommen neue Dimensionen. Mit Hinweis auf „die politische Öffnung des Iran seit 2013“ veranstaltete die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) im April 2016 das Koordinierungsgespräch „Stand und Perspektiven der Hochschulzusammenarbeit mit dem Iran“ in Bonn. An diesem Gespräch über Erfahrungen, Potenziale und praktische Hindernisse bei der Kooperation mit iranischen Universitäten beteiligten sich Vertreter von rund 35 deutschen Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen.
Das zweite HRK-Koordinierungsgespräch fand am 16. Mai 2018 unter dem Motto „Entwicklung der Hochschulzusammenarbeit mit dem Iran“ in Bonn statt. Dabei wurde mit Hinweis auf „das hohe Niveau des iranischen Bildungssystems“ festgestellt, dass „ große Potentiale für die Hochschulzusammenarbeit mit Iran“ vorhanden sind. Es wurde bei diesem Gespräch auch bekannt, daß die Zahl der Kooperationen zwischen deutschen und iranischen Hochschulen sich in den zwei Jahren zuvor auf über 70 fast verdoppelt hatte. Die Anzahl iranischer Studierender an deutschen Hochschulen im Studienjahr 2017 wurde mit etwa 8.000 angegeben, die drittgrößte Gruppe iranischer Auslandsstudenten hinter China und Indien. Die Zahl iranischer WissenschaftlerInnen an deutschen Hochschulen hat sich laut DAAD seit 2006 mit 1.453 Personen im Jahr 2017 mehr als verdreifacht.
Die „Deutsche Wissenschaftstag im Iran“ als erster Iran-Germany Science Day fand vom 26. Februar bis zum 2. März 2018 in Teheran und Isfahan statt. An den Veranstaltungen beteiligten sich etwa 60 Vertreterinnen und Vertreter deutscher Hochschulen, außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und von Wissenschaftsorganisationen. Der Wissenschaftstag war vom Bundesministerium für Bildung und Fordschung (BMBF) und dem iranischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie (MSRT) initiiert und organisiert.
Im Rahmen des DIES-Programms (Dialogue on Innovative Higher Education Strategies, gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ), veranstaltete die HRK vom 15. bis 19. Oktober 2018 eine fünftägige Informationsreise für iranische Universitätspräsidenten nach Deutschland, an der Präsidenten oder Vizepräsidenten von elf Universitäten teilnahmen. Ziel war, iranischen Universitäten einen konkreten Einblick in die Struktur des deutschen Hochschulsystems mit den jeweiligen Profilen und Schwerpunkten der einzelnen Hochschultypen zu geben.

Deutsch-iranischer Wissenschaftstag, mit etwa 60 deutschen Delegierten und mehr als 200 Vertretern von etwa 30 iranischen Universitäten und Forschungseinrichtungen - Februar 2018
Deutsch-iranischer Wissenschaftstag  – Februar 2018

 Auch der DAAD hat die Zusammenarbeit mit staatlichen iranischen Wissenschaftseinrichtungen verstärkt und betreibt seit 2014 nach einer längeren Isolationsphase wieder ein Büro in Teheran. Das DAAD-Informationszentrum fungiert als Ansprechpartner für iranische Ministerien und Institutionen, die für Hochschulen, Wissenschaft, Lehre und Forschung zuständig sind. Zudem versteht es sich als Repräsentanz des deutschen Hochschul- und Forschungsraums, die Informationen zu deutschen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen vermittelt. Der DAAD finanziert bereits seit zehn Jahren gemeinsame Projekte mit dem Iran, unter anderem mit dem Program „Hochschuldialog mit der islamischen Welt“, das das interkulturelle Verständnis im akademischen Umfeld fördern soll. Die Hochschulen im Iran sind in diese Zusammenarbeit eingebunden. Im Herbst 2015 reisten die Präsidentin des DAAD und die Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Wissenschaftsakademie Leopoldina als Mitglieder einer deutschen Wissenschaftsdelegation in den Iran, der auch der Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) angehörte. Die DFG ist über ein im Januar 2016 unterschriebenes „Memorandum of Understanding“ mit ihrem iranischen Counterpart, der “Iranian National Science Foundation“, mit dem Ziel verbunden, Grundlagenforschung zu fördern.
Neben diesen Verträgen und Kooperationen im Bereich Wissenschaft und Forschung auf staatlicher Ebene haben viele deutsche Hochschulen direkte Kooperationen mit einzelnen iranischen Hochschulen.

Nicht unabhängig von Politik

Dass aber auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit nicht völlig unabhägig von politischen Rahmenbedingungen realisiert werden kann, zeigte die Stellungnahme von HRK-Präsident Professor Horst Hippler, der in einem offenen Brief an das iranische Staatsoberhaupt Khamenei am 14. Februar 2018 schrieb: „Zweifellos bieten die Wissenschaftsbeziehungen zum Iran ein großes Potential. Die Wahrung der akademischen Freiheiten und der Schutz der Menschenrechte sind jedoch Grundbedingungen der Kooperation.“ Hippler hatte sich zuvor bereits mehrfach bei der iranischen Staatsführung für die Freilassung des schwedisch-iranischen Wissenschaftlers Ahmad Reza Djalali eingesetzt, der im Iran wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt wurde.
Die Führung der Islamischen Republik erkennt die Freiheit von Lehre und Forschung nicht an. Seit der Revolution 1979 und nach mehrjähriger Schließung der Universitäten überwacht ein sogenannter „Höchster Rat der Kulturrevolution“ die Grenzen von Lehre und Forschung. Der Rat benennt als seine Ziele unter anderem, „Gedeihen und Erhabenheit der islamisch-humanen Kultur“ zu schützen und die „Verbreitung der Botschaft und des Wesens der islamischen Revolution in der iranischen Gesellschaft und der Welt“. Nicht zuletzt deshalb blühen die meisten deutsch-iranischen akademischen Kooperationen im Bereich der Naturwissenschaften. Denn gerade die Geisteswissenschaften werden eingeschränkt und verdächtigt, „verdorbene westliche“ Werte zu verbreiten.♦

© Iran Journal

Dr. Javad Kooroshy, Dipl. Volkswirt ist Autor des Buches „Islamische Wirtschaftsordnung, Anspruch und Wirklichkeit, Hamburg 1990“. Er hat auch  zahlreiche Aufsätze über Politik und Wirtschaft im Iran verfasst und war  Lehrbeauftragter an der FU und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Orient Institut in Hamburg. Er hat zuletzt 20 Jahre als Rundfunkjournalist gearbeitet.

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