Silicon Valley in Teheran

„Unsere Zielgruppe waren in erster Linie iranische Technologieunternehmer im Ausland“, sagte Amir Zarkesh, einer der Organisatoren der Berliner Konferenz. Ihnen sollte „das technologische Klima des Iran“ nahegebracht werden. Doch der Aufbau von Brücken ist nicht das einzige Ziel. Es geht noch um ein weitergehendes Vorhaben. „Teheran kann Tausende von Kilometern von Silicon Valley entfernt sein, wo die weltweit größten High-Tech-Unternehmen und innovativsten Startups angesiedelt sind. Doch technologisch kommen die iranischen Online-Unternehmen trotz politischer Feindseligkeiten und internationaler Sanktionen der IT-Welt immer näher*. Die iBridges-Konferenz in Berlin, die die Herausforderungen und Chancen des Unternehmertums im Iran erforschen will, wird vor allem in einer Zeit, in der die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des nuklearen Streits in Teheran zunehmen, die Hoffnungen auf steigende Investitionen in den Tech-Sektor stärken.“
Zu den iranischen Teilnehmern der Berliner iBridge-Konferenz zählten Digikala, eine Online-E-Commerce-Plattform, die mit rund 750.000 Besuchern pro Tag und einem geschätzten Kapitalwert von 150 Millionen Dollar das größte Startup-Unternehmen im Nahen Osten ist; Aparat, die iranische Version von YouTube, Takhfifan, eine Groupon-Website, und das kleinere Unternehmen Mamanpaz, das seinen Online-Kunden echte Hausmannskost bietet.
Neben prominenten Silicon-Valley-Investoren wie Dave McClure war auch der ehemalige Investment-Direktor von Facebook anwesend. McClure stellte in seiner Rede fest: „Wie viele aufstrebende Volkswirtschaften hat der Iran eine große Bevölkerung, die ein großes Potential für unternehmerische Initiativen hat. Wenn das Land sich öffnet und die Beziehungen mit den USA und anderen Teilen der Welt wieder hergestellt werden, wird es eine Menge wirtschaftliches Wachstum geben, auf jeden Fall viele interessante Möglichkeiten für Tech-Startups.“ Das Problem sei aber, so McClure weiter, dass die derzeitigen Regelungen Investitionen in den iranischen Tech-Sektor nicht erlaubten. „Auf der Grundlage der derzeitigen Struktur der US-Investmentgesetze ist es für Investoren wie mich nicht möglich, direkt in Startups im Iran zu investieren. Aber wir sind optimistisch, dass sich die Beziehungen in naher Zukunft normalisieren.“
Auch ein Thema der Konferenz: Die Verbreitung von Internet und Smartphones ist im Iran, wo 70 Prozent der Bevölkerung unter 35 Jahre alt sind, extrem hoch. Mindestens die Hälfte der IranerInnen haben Zugang zu einem Smartphone. Laut Internet World Stats hat der Iran mehr als 46 Millionen InternetnutzerInnen, das sind 57,2 Prozent der Bevölkerung und damit fast die Hälfte der Internetnutzer im gesamten Nahen Osten. Sanktionen und Isolation des Landes haben die iranischen IT-Unternehmer nicht daran gehindert, ehrgeizige Pläne zu entwickeln. Farhad Hedayati, Gründer von Taskulu, eine Task-Management-Plattform, sagte, sein Startup sei in erster Linie für den Einsatz in englischer Sprache entwickelt worden. Das Projekt umfasse mittlerweile über 8.000 Anwender aus 120 verschiedenen Ländern. Da Irans Bankensystem von der Außenwelt abgeschnitten sei und es keine „normale Art“ gebe, Geld aus dem und in den Iran zu überweisen, sei Taskulu gezwungen, seine Dienstleistungen im Ausland kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Die dritte iBridge-Konferenz, 2016, Barcelona
Die dritte iBridge-Konferenz, 2016, Barcelona

 
Trotz solcher Probleme war Mohammad Noresi, der 28-jährige Gründer der iranischen Crowdfunding-Plattform Hamijoo, optimistisch. „iBridges wird das erste Mal ins Ausland gehen, und ich hoffe, es hilft uns, Geld zu finden.“ In Diskussionen wurde klar, dass die Aufhebung der Sanktionen sowohl Bedrohung als auch Chance für die iranischen Startups sein könnte. Unternehmen wie der führende Mobile-App-Store Cafe Bazaar, der auf dem Android-Markt ist, werden voraussichtlich Probleme haben, wenn Google direkt auf den iranischen Markt käme, während ein Unternehmen wie Digikala von der Aufhebung der Sanktionen profitieren würde, weil es Zugang zu Investitionen bekomme. Cafe Bazaar wird auf 20 Millionen Dollar geschätzt und bietet mehr als 25.000 iranische und internationale Apps an.
Sanktionen haben ausländische Investitionen im Iran aber nicht vollständig gestoppt. Unternehmen, die nicht in den USA geschäftlich tätig sind, waren bereit, Risiken einzugehen. So ist im Iran ein Joint Venture zwischen der südafrikanischen Telekommunikationsgesellschaft MTN und dem in Deutschland ansässigen Unternehmen Rocket Internet Startups auf den Markt gegangen und hat iranische Versionen von eBay (Mozando), Amazon (Bamilo) und Uber (Taxi Yaab) eingerichtet.
Rouhani und die Internetzensur
Präsident Rouhani hat sich wiederholt gegen Online-Zensur und die Facebook-, Twitter- und YouTube-Sperrungen ausgesprochen und sich für den freien Zugang zu Informationen eingesetzt. Jedoch ist das nicht von Bedeutung, weil er diesbezüglich kein Entscheidungsträger ist. Alle Entscheidungen über den Zugang zum Internet werden vom Obersten Rat für den Virtuellen Raum gefällt. Der Rat wird vom obersten Führer der Hardliner, Ayatollah Ali Khamenei, kontrolliert, der in allen Staatsangelegenheiten das letzte Wort hat. Rouhani unterstützt die Technologie-Unternehmer, er hat sich für höhere Internet-Geschwindigkeiten und größere Netz-Bandbreite im Land ausgesprochen. „Wir sollten den Cyberspace als Chance sehen. Warum haben wir so viel Angst? Wir sollten unserer Jugend vertrauen“, sagte Rouhani 2014. Kommunikationsminister Mahmoud Vaezi hat sich im Namen der Regierung von der Filterungspolitik distanziert: Sein Ministerium habe nichts damit zu tun. Vaezi plant sogar, die Zahl der öffentlichen Gebäude mit freiem Wlan bis Anfang des kommenden Jahres zu erhöhen. Die Internetgeschwindigkeit im Iran sei noch nicht gut, sagte er Anfang 2017.
MEHRAN BARATI
*Startup-Beispiele aus dem Iran:
Mamanpaz.ir ist ein in Teheran tätiger Online-Speiselieferservice, der Gerichte anbietet, die tatsächlich von Müttern gekocht werden. Mehrere hundert KundInnen bestellen dort ihre Lieblingsspeisen zu bezahlbaren Preisen. Mamanpaz hat mittlerweile vier Büroangestellte und fünf Motorradkuriere.
Hamijoo.com ist eine Crowdfunding-Website, die iranischen KünstlerInnen und Filmprojekten hilft. Hamijoo versucht einen alternativen Weg zur Unterstützung von Kunst und Kultur zu finden. Innerhalb von zwei Monaten nach der Markteinführung musste Hamijoo drei neue Mitarbeiter einstellen, bei weiter steigendem Bedarf. Mehr als 160 Künstler haben sich an Hamijoo gewandt, um eine Finanzierung für ihre Projekte zu finden.
Takhfifan.com ist eine beliebte iranische Version der Deal-of-the-Day-Website Groupon. Die Seite bietet Rabatte in neun Kategorien, etwa Theater- und Konzertkarten. Das Unternehmen hat mehr als eine Million E-Mail-AbonnentInnen und bietet 20 bis 25 Angebote pro Tag. Als Gründer eines erfolgreichen iranischen Startups mit 60 Mitarbeitern gehört Takhfifan zu einer kleinen Anzahl iranischer Unternehmer, die im vergangenen Jahr zu einer Silicon-Valley-Konferenz eingeladen wurden, und zum iranischen Lenkteam der iBridges-Konferenz in Berlin.
Aparat.com ist eine iranische Online-Video-Sharing-Site, die zu einem bekannten Namen im Iran geworden ist. Wie YouTube zeigt sie Musik-Clips, Filme und Videos. Ihr Gründer, Mohammad-Javad Shakouri Moghaddam, ist auch CEO von Aparats Muttergesellschaft Sabaldea, die hinter einer Reihe weiterer erfolgreicher Startup-Projekte im Iran steht, darunter Cloob.com, eine persischsprachige Social-Network-Seite mit mehr als drei Millionen BenutzerInnen, und Mihanblog.com, ein kostenloser Blog-Hosting-Service. Shakouri Moghaddam begann vor zehn Jahren mit einem Stab von drei Mitarbeiten. Jetzt beschäftigt sein Unternehmen 65 MitarbeiterInnen. Auf Aparat werden fünf Millionen Videos pro Tag geladen, die Website bekommt etwa 150 Millionen Hits pro Monat. Vor kurzem hat Aparat einen neuen Service namens Filimo eingeführt, eine iranische Version von Netflix, die derzeit kostenlos erhältlich ist. Die Blockierung von YouTube-Angeboten habe zum Erfolg von Aparat beigetragen, sagt der Gründer Er hofft aber, viele seiner Nutzer zu halten, sollte das Youtube-Verbot aufgehoben werden.
Digikala.com ist eine E-Commerce-Website ähnlich Amazon. Das Unternehmen ist sehr erfolgreich und wurde als die sechst-bestbesuchte Website im Iran eingestuft. Es ist das größte seiner Art im Nahen Osten. Mit rund 750.000 Besuchern pro Tag und mehr als 2,3 Millionen AbonnentInnen finden 85-90 Prozent des iranischen E-Commerce auf Digikala statt. Das Unternehmen startete 2007 mit sieben Mitarbeitern in einem kleinen gemieteten Büro in Teheran, mit damals nur zwei Produkten im Angebot: Handys und Digitalkameras. Heute hat Digikala angeblich einen Kapitalwert von 150 Millionen Dollar, 760 MitarbeiterInnen und versendet mehr als 4.000 Bestellungen pro Tag. Der Lieferservice wird in Teheran und der angrenzenden Stadt Karaj genauso angeboten wie in 20 weiteren Städten. Digikala verkauft jetzt alles, Smartphones, Bücher, Haushaltsgegenstände und Kosmetik. Auf die Frage, was passieren würde, wenn Amazon in den Iran liefern könnte, sagt der Gründer von Digikala: Er betrachte die Aufhebung der Sanktionen als Chance. Es gebe schließlich immer noch die Möglichkeit von Kooperationen.
  Offizieller Website der iBRIDGE