Silicon Valley in Teheran

Die Nutzung von Investitionskapazitäten, Erfahrungen und Wissen der iranischen ExpertInnen im Exil, vor allem im kalifornischen Silicon Valley, war der Kernpunkt der Konferenz in Berkeley. Darum ging es auch in der Rede Dariush Zahedis, des Gründers des Center for Entrepreneurial Studies an der Berkeley-Universität am ersten Tag der Konferenz. Zahedi nannte die Existenz einer im Ausland lebenden iranischen Elite ein „Privileg des Iran“ für die Entwicklung seines Unternehmertums. Dave McClure, einer der erfolgreichsten Technologieunternehmer der USA, Co-Founder von 500 Startups und Angel Investor, sprach über die Besonderheiten von Investitionen in erfolgreiche Startups. Für diese gebe es keine vorbestimmte Route. Die Unternehmer müssten darauf vorbereitet sein, jederzeit Methoden und Modelle zu variieren. In frühen Wachstumsstadien sollten sie ihre Investition auf eine praktische und erweiterungsfähige Idee konzentrieren, damit sich das Risiko ihres Scheiterns minimiere.
Dr. Hamid Biglari, früheres Mitglied der Geschäftsleitung der Citigroup Bank of Amerika, verwies auf die Ähnlichkeiten der aktuellen Bevölkerungspyramide Irans und die der USA vor 30 Jahren. Es sei die Generation der zwischen 1946 und 1964 geborenen Baby-Boomer gewesen, die die USA verändert hätte. Die Bedingungen im Iran seien aktuell ähnlich gut geeignet, technologische und ökonomische Fortschritte herbeizuführen. Um die Zukunft zu gestalten, müsse man den künftigen technologischen Entwicklungsprozess im Auge haben. Kamran Elahian, Chairman und Co-Founder der Global Innovation Partners LLC Innovation Catalyst ging in seiner Rede auf zukünftige Technologietrends ein: “Wenn wir die großen Technologiewellen erkennen, dann könnten wir gut darauf reiten”, so Elahian.
Hessam Armandehi, Co-Founder und Chief Executive Officer der Teheraner Firma Cafe Bazaar, und Mohsen Malayeri, Gründer von avatech.ir, stellten Startup Grind vor, das entwickelt wurde, um iranische Unternehmer zu bilden und zu verbinden. Es ist ein Zusammenschluss der Online- und Offline-Netzwerke dynamischer Startup-Communities, die dazu beitragen, Innovationen, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand auf lokaler Ebene zu fördern. Armandehi erläuterte, dass Cafe Bazaar der Arbeitskultur der Silicon-Valley-Unternehmen folge und gleich am Anfang eine Wachstumsrate von 35 Prozent erzielt habe. Malayeri stellte eine Variante eines iranischen Startups vor, digikala.com, das die Marktstrategie von Amazon iranisierte.
Mehdi Beyk Poor, Fatemeh Makki und Parisa Entezami stellten als Gründer von anjammidam.com ihr Unternehmen als eines der erfolgreichsten Startups mit einer Plattform vor, wo Käufer und Verkäufer von Dienstleistungen landesweit online direkt miteinander kommunizieren und ihre Transaktionen über die Webseite abwickeln können. Ausbildungs- und Fortbildungsanbieter seien ebenso vertreten wie die Arbeitsbereiche Kochen, Nähen, Schreib- und Übersetzungsarbeit, Hausaufgaben von Schülern oder Handwerker. Der Erfolg des Angebots hänge wesentlich von der Konzeption der so genannten Gig-Wirtschaft ab. Diese impliziere, dass Menschen nicht immer einen festen Job hätten, aber als Anbieter von Dienstleistungen selbstständig sein und ihr Geld verdienen könnten. Dabei würde anjammidam.com den KäuferInnen angebotener Dienstleistungen die Rückzahlung ihres Geldes sichern, falls die Arbeit nicht vollständig ausgeführt werde. Die Webseite bekommt für abgeschlossene Verträge eine Provision.
Chancen und Hindernisse des iranischen Marktes
Am zweiten Tag der Berliner Konferenz sprach Alinaghi Mashayekhi, Professor an der Sharif-University of Technology in Teheran, über Chancen und System des technologischen Unternehmertums im Iran. Als eine der größten Herausforderungen bezeichnete er die Eingriffe des Staates und den fehlenden Zugang zu internationalen Märkten. Zugleich seien die wirtschaftlichen Herausforderungen eine Chance für die IT-Branche des Iran. Erst im Umgang damit könnten die Technologieindustrien stark und konkurrenzfähig werden. Mashayeki erwarb seine Qualifikationen am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology. Nach seiner Rückkehr in den Iran gründete er zusammen mit Philanthropen aus der Wirtschaft und Unterstützung von Diaspora-Iranern sowie führenden Persönlichkeiten des privaten Sektors 2007 die Iranian Business School (IBS). Die IBS arbeitet seit 2014 mit der finnischen Aalto-University zusammen. Viele Startup-Investoren haben ihr Studium an der IBS absolviert.

Die zweite iBridge-Konferenz, 2015, Berlin
Die zweite iBridge-Konferenz, 2015, Berlin

 
Diaspora als Brückenbauer im Technologietransfer
Von der Elite unter den Auswanderern profitieren, um den technologischen Wandel voranzutreiben – das haben sowohl China wie Indien in den vergangenen 20 Jahren erfolgreich praktiziert. Nicht alle Auswanderer, die als Wissenschaftler oder Investoren im Ausland Erfolg haben, kehren nach Indien oder China zurück. Doch beide Länder haben ein günstiges Klima geschaffen, um die Elite der Emigranten zu Kapitalinvestitionen in ihre Wirtschaft zu ermutigen. Diese Eliten wurden in beiden Ländern große Rivalen für die erfolgreichen amerikanischen Modelle. Die iranischen Diaspora-Eliten, die in den USA zu den erfolgreichen Managern der technologischen Industrien gehören, haben außer familiären Kontakten oft keine Beziehung zum Entwicklungsprozess ihres Herkunftslandes. Mit der rasanten Entstehung von dynamischen Startups im Iran entwickelt sich aber auch das Interesse der Diaspora, sich daran zu beteiligen. Trotz der weiteren Existenz von Wirtschaftsembargos und sonstigen Barrieren entstanden im Iran sehr erfolgreiche Modelle der digitalen Wirtschaft. Damit ist auch die Überzeugung gewachsen, dass wirtschaftlich-technologische Kontakte zu den Diaspora-IranerInnen die Chancen für die Entstehung großer technologischer Unternehmen günstig beeinflussen würden.
Es bleiben trotz dieser positiven Einschätzung viele Fragen offen, die auf der Berliner iBridge-Konferenz nicht behandelt werden konnten. Die wichtigste darunter ist die Frage nach Anpassungsmöglichkeiten von Investitionsmodellen an die spezifischen ökonomischen Bedingungen des Iran.
Lagerkampf im iranischen Machtapparat
Über die Berliner iBridge-Konferenz haben große internationale Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen ausführlich berichtet. Übereinstimmend stellten sie fest, dass die iranischen Startups fähig seien, sich auf internationalen Märkten zu behaupten. Gefragt wurde, warum es nicht möglich sei, eine internationale iBridge-Konferenz in Teheran zu veranstalten.
Die Regierung des als gemäßigt geltenden Präsidenten Rouhani und sein Außenminister Zarif haben in dem Wissen, dass eine internationale IT-Business-Konferenz unter Beteiligung von Silicon-Valley-Iranern und US-Amerikanern im Iran nicht möglich ist, die Teilnahme iranischer Startup-Gründer an der Berliner Konferenz gefördert – trotz großen Widerstands der Führung der Revolutionsgarden und anderer Hardliner. Auf der Webseite der Regierung erklärte Parviz Karami, ein hoher Regierungsbeamter, die iBridge-Konferenz in Berlin „wird eine Brücke zwischen iranischen Unternehmern auf der ganzen Welt bauen”. Sie stärke die wissenschaftlichen Grundlagen und das Vertrauen der Iraner: „Dies ist für unser Land wegen des starken Rückgangs unserer Öleinnahmen, die in den kommenden Jahren weiter sinken könnten, besonders wichtig. Es wird auch dazu beitragen, die Abwanderung der Intelligenz aus dem Iran zu verlangsamen und sogar einige Iraner dazu ermutigen, zurückzukommen“, so Karami.
Solch klare Aussagen der Exekutive über iBridge machten die iranischen Hardliner höchst nervös. Insbesondere, weil sie registriert hatten, dass namhafte Reformer an der Berliner Konferenz teilgenommen hatten. Darunter der ehemalige Präsident der iranischen Zentralbank, der nach Ahmadinedschads Wahl zurückgetreten war. Der Kommunikationsminister Mahmoud Vaezi wurde ins Parlament geladen, um die plötzliche Bandbreitenerhöhung des Internets zu erklären. Die Zeitung Vatan-e-Emrooz, die hinter jeder Aktivität von Diaspora-IranerInnen eine Verschwörung vermutet, veröffentlichte im April 2016 einen Artikel auf ihrer Titelseite, der erklärte, dass iBridge darauf abziele, einen „weichen Sturz“ im Iran zu orchestrieren. Die Zeitung behauptete sogar, iBridge-Gründer Kamran Elahian und sein Unterstützer Hamid Biglari seien eng mit Israel liiert.
Während die Regierung die Teilnahme in Berlin also unterstützte, wurden viele der Teilnehmer von Sicherheitsorganen der Revolutionsgarden zum Verhör geladen und eingeschüchtert – was jedoch von mäßigem Erfolg war. Nur wenige sagten ihre Teilnahme ab. Neun Tage nach der Berliner Konferenz schrieb die Tageszeitung Keyhan, Sprachrohr der schlimmsten Demagogen der Hardliner im Regime, hinter der Berliner iBridge-Konferenz stünden saudische und israelische Generäle. Es ginge um die Schaffung von parallelen sozialen Strukturen mittels Förderung bestimmter Kapitalbesitzer und Wirtschaftseliten des Landes. Die langsame Veränderung sozialer Strukturen sei eine der besten militärischen Strategien, das vorhandene politische System zu stürzen – ein System, das im Gegensatz zu „weichen Diktaturen“ auf die Stärke und Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sei. Keine noch so starke Staatsmacht sei in der Lage, den Veränderungen von Werten, Zielen und Forderungen der Bevölkerung und Eliten Widerstand zu leisten. Sie wäre innerhalb einiger Jahrzehnte gezwungen, ihre Minderheitenposition gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung aufzugeben und sich damit selbst in Gefahr zu bringen. Das alles, schrieb Kayhan, geschehe über gravierende Veränderungen im „iranischen Lebensstil“ und seiner Wertesysteme.
Was die Organisatoren wollten
Fortsetzung auf Seite 3