„Iranische Oppositionelle können doch miteinander reden“

Am Wochenende fand ein Kongress säkularer iranischer Oppositioneller in Bochum statt. Obwohl die Mehrheit der Eingeladenen nicht kam, betrachten die OrganisatorInnen die Zusammenkunft als Erfolg. Über Themen und Ziele des Kongresses sprach TFI mit Omid Pouryousefi (SPD), Mitglied des Migrationsausschusses der Stadt Bochum und verantwortlich für die Organisation vor Ort.
Sechs bis sieben Millionen ExiliranerInnen soll es weltweit geben. Die Mehrheit von ihnen hat den Iran zwischen 1979 und 1988, also in der Zeit zwischen der islamischen Revolution bis zum Ende des achtjährigen Krieges gegen den Irak, verlassen. Seither hat es immer wieder Versuche gegeben, die politischen Flüchtlinge und GegnerInnen der Islamischen Republik zur Schaffung einer politischen Alternative zum Regime in Teheran zu mobilisieren. Doch alle scheiterten bislang.
Nun hat eine Gruppe säkularer Demokraten sich ein ähnliches Ziel gesetzt. Nach einem ersten Treffen 2013 in den USA traf sie sich vergangenes Wochenende in Bochum. Die „Versammlung säkular-demokratischer Organisationen des Iran“ möchte sich als Sammelbecken säkularer IranerInnen unterschiedlicher politischer Weltanschauungen profilieren und die Basis für den Aufbau einer säkular-demokratischen Alternative zur Islamischen Republik schaffen. Zahlreiche politische Organisationen und etwa 1.000 Oppositionelle wurden zu dem Kongress eingeladen. Zugesagt hatten etwa 150 der Eingeladenen, gekommen waren 120. Der Rest war entweder zeitlich verhindert oder mit den eingeladenen Organisationen oder Personen nicht einverstanden. Denn die Eingeladenen waren AktivistInnen verschiedenster politischer Richtungen: von Liberalen bis zu Monarchisten und Kommunisten. Trotzdem sind die Organisatoren zufrieden. Der Gastgeber der Tagung, der Bochumer Musikproduzent und Autor Omid Pouryousefi, spricht sogar von einem Erfolg.
TFI: Herr Pouryousefi, woran messen Sie den Erfolg Ihres Kongresses?
Omid Pouryousefi: Es kommt nicht oft vor, dass 120 Iranerinnen und Iraner mit unterschiedlichen politischen Weltanschauungen zusammenkommen, miteinander reden und sich auf einen kleinen gemeinsamen Nenner einigen.
Was ist Ihr gemeinsamer Nenner?
Ein Dialog über die Notwendigkeit eines säkularen Systems im Iran als Alternative zur Islamischen Republik. Ehrlich gesagt, ich war gespannt, was hier passieren würde. Es ist kein Geheimnis, dass die Iraner im Ausland zersplittert sind und deshalb keine Alternative zur Islamischen Republik existiert.
Gibt es wirklich keine Alternative?
Ich meine damit eine starke Opposition, die die Interessen der Menschen im Land vertritt und vom Ausland, von der EU oder den Vereinten Nationen, ernst genommen wird. Wir können natürlich durch einen weiteren Kongress noch keine Alternative zum islamischen Regime werden. Aber es ist möglich, dazu beizutragen, dass die oppositionellen Gruppen und Menschen, die an ein säkulares Systems als Alternative zur Islamischen Republik glauben, zueinander finden.
Sie wollen nicht direkt zur Demokratisierung im Iran beitragen?

Diskussionen in kleinen Runden waren ein Teil des Kongresses - Foto: Omid Pouryousefi
Diskussionen in kleinen Runden waren ein Teil des Kongresses – Foto: Omid Pouryousefi

Doch. Aber unser vorrangiges Ziel ist zurzeit, dass säkulare Oppositionelle und Aktivisten aus unterschiedlichen politischen Lagern erst einmal miteinander reden, einander zuhören und gegenteilige Meinungen akzeptieren und respektieren. Damit wäre in diesem Stadium viel erreicht. Es gibt einige Organisationen und politische Aktivisten, die sich Demokratie im Iran auf ihre Fahne geschrieben haben, aber nicht bereit sind, mit Andersdenkenden in Kontakt zu treten.
Haben Sie das Gefühl, durch den Kongress diesem Ziel näher gekommen zu sein?
Der erste Tag war unangenehm, ich war richtig verzweifelt. Die Redner, hauptsächlich von den älteren Generationen, haben ihre Redezeiten in die Länge gezogen, wollten gar nicht aufhören und haben durcheinander geredet. Es gab Chaos und ich fragte mich, ob das überhaupt gut gehen kann. Aber am zweiten Tag lief alles besser, und am Ende haben sich die Leute sehr respektvoll behandelt und sich freundlich und friedlich voneinander verabschiedet, Kontakte ausgetauscht und über kleinere Runden und Aktionen in naher Zukunft gesprochen. Das war ein tolles Erlebnis.
Worüber haben Sie denn diskutiert?
Hauptsächlich über die Voraussetzungen und Instrumente zur Schaffung eines säkularen Staates, über uneingeschränkte politische und soziale Freiheiten in einem säkularen Iran und über die konstitutionelle Revolution vor 108 Jahren, deren Ziel unter anderem die Trennung von Staat und Religion war.
Warum haben Sie als Ort für ein solches Treffen ausgerechnet eine Kirche ausgesucht?
Ich habe vor drei Monaten von Esmail Nouri Ala, dem Hauptorganisator des Kongresses, die Anfrage bekommen, ob wir den Kongress nicht in Deutschland abhalten könnten. Das erste Treffen hatte vergangenes Jahr in den USA stattgefunden. Ich habe dann bei vielen Institutionen in Bochum angefragt. Die Christuskirche war die erste, die sich bereit erklärt hat, uns aufzunehmen. Ich kannte Thomas Wessel, den Pfarrer der Gemeinde, von früheren Projekten, die ich mitorganisiert habe. Er hat uns sehr unterstützt.
Wie geht es weiter?
Wir werden nun zunächst das Protokoll sowie Fotos und einige Videomitschnitte und Dokumentationen über den Kongress veröffentlichen und ich hoffe, dass das die politischen Aktivitäten der Iraner etwas im Sinne des gegenseitigen Verständnisses beeinflusst. Ich muss betonen: Wir sind keine politische Partei, die ein bestimmtes Programm durchsetzen will und einen bestimmten Arbeitsplan verfolgt. Jede und jeder von uns wird ihre oder seine Aktivitäten wie gewohnt fortsetzen. Wichtig war, dass die Teilnehmer auf Beibehaltung des jährlichen Kongresses bestanden haben und es wurde beschlossen, dass der Kongress auch im nächsten Jahr und zwar in Frankfurt am Main stattfinden soll. Da haben sich bereits einige Leute freiwillig gemeldet und werden bald mit den Vorbereitungen beginnen.
Laut der Website des Kongresses wird Ihr Vorhaben mit insgesamt 7.500 Dollar von privaten Sponsoren gefördert. War das Ihr gesamtes Budget?
Ja. Die Teilnehmer sind auf eigene Kosten angereist. Die Christuskirche war sehr kulant, wir haben für wenig Geld fast alles bekommen, was wir brauchten, inclusive Räume und Technik. Es hat meine deutschen Kollegen und Freunde sehr gewundert, dass Menschen bereit sind, aus anderen europäischen Ländern und sogar aus Kanada und den USA auf eigene Kosten für so eine Sache anzureisen.
Was war für Sie das wichtigste Ergebnis dieser Tagung?
Ich habe gemerkt, dass die älteren Generationen sich sehr von den jüngeren unterscheiden. Die jüngeren Teilnehmer waren genervt von den langen Reden der Älteren und ihr teilweise rechthaberisches Verhalten. Auf der anderen Seite waren die jüngeren sehr geduldig und aufmerksam bei der Sache. Ich werde deshalb mithilfe einiger junger Teilnehmer einen Kongress für die jüngere Generation von Aktivisten in Bochum organisieren. Das soll keine Alternative zum jetzigen Kongress werden, sondern ihn ergänzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen die Themen selbst bestimmen und schon im Vorfeld alles mitplanen. Ich hoffe, dass wir mit den beiden Kongressen noch größere Erfolge verzeichnen können.
Wird es eine Altersbeschränkung geben?
Ja, zwischen 18 und 35 Jahre.
Dann werden Sie mit Ihren 42 Jahren auch nicht zugelassen?
Andere ältere Weggefährten und ich möchten bewusst als Berater fungieren – natürlich nur. wenn die jüngeren das wünschen. Wenn nicht, werde ich als Zuschauer dabei sein. Meine Bestrebung wird weiterhin sein, nachhaltig und auf lange Sicht in kleinen Schritten ein Stück Verbesserung und gegenseitiges Zusammenrücken zu schaffen.
Interview: Farhad Payar
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