"Die Mär vom Regime Change"

Das Narrativ der Feindschaft beschwören

Gerade wegen des Gesprächsangebots aus Washington bemühen sich Khamenei und sein Machtzirkel, das Narrativ der jahrzehntelangen Feindschaft zwischen Amerika und dem Iran aufrechtzuerhalten.
Khamenei wies bereits den iranischen Ex-Präsidenten Mohammad Khatami darauf hin, dass das iranische Regime die Feindschaft gegen Amerika zum Machterhalt brauche. Dies ist sowohl ideologisch als auch machtpolitisch begründet. Ideologisch, da das Weltbild des Achtzigjährigen von Anti-Amerikanismus geprägt ist. Machtpolitisch, da Khamenei die Lorbeeren einer möglichen Übereinkunft mit den USA nicht Präsident Rohani überlassen möchte, der mit ihr sein innenpolitisches Gewicht inmitten des andauernden Machtkampfes um die Nachfolge Khameneis stärken würde.
In diesem Sinne hat Rohani am 12. November erklärt, dass am Rande der UN-Generalversammlung Mitte September „einige gute Vorschläge“ auf dem Tisch lagen, um die US-Sanktionen aufzuheben. Nur habe „der Iran sich entschieden, diese nicht zu akzeptieren“ – eine implizite Kritik an Khamenei, der auch damals jedwede Verhandlungen mit Amerika ausschloss.
All dies heißt nicht, dass Khamenei und sein Umfeld – wie am Vorabend des Verhandlungprozesses, der zum Atomdeal führte – geheimen Gesprächen mit den USA abgeneigt wären, wenn diese dem Überleben des Regimes dienten. Doch so lange eine Öffnung gegenüber dem Westen die wirtschaftliche Dominanz der Hardliner um Khamenei und die Revolutionsgarden in Gefahr bringen und gleichzeitig die innerstaatlichen Gegner im komplizierten Machtgefüge des Regimes stärken würde, nährt Khamenei das Feindbild Amerika.
Indes ist in der iranischen Gesellschaft die Wirkungskraft der anti-amerikanischen Regime-Rhetorik merklich verblasst. So fragen sich viele Iraner, wieso das Regime Verhandlungen mit den USA ablehnt, obwohl diese unabdingbar für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse sind.

So weit waren beide Länder: Irans Außenminister M. Javad Zarif schüttelte nach dem Zustandekommen des Atomdeals 2015 die Hand seines US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry!
So weit waren beide Länder: Irans Außenminister M. Javad Zarif schüttelte
nach dem Zustandekommen des Atomabkommens 2015 die Hand seines US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry!

 
Der Feind steht zuhause

Ein spektakuläres Beispiel ist ein Slogan, den man bei den Protesten in jüngster Vergangenheit immer wieder hörte: „Sie (die Machthaber) sagen immerzu, Amerika wäre der Feind, doch dieser steht zuhause.“ Die nun neuerlich ausgebrochenen Proteste untermauern den Eindruck, dass die Bevölkerung in erster Linie die eigene Führung verantwortlich macht.
Gewiss, die Irak- und Afghanistan-Kriege sowie die US-amerikanische Unterstützung iranfeindlicher Kräfte in der Region, insbesondere Saudi-Arabien und Israel, haben in Teheran für große Skepsis bezüglich der Absichten Amerikas gesorgt. Eine nüchterne Analyse zeigt jedoch, dass Trump keine „Regime-Change“-Ambitionen hegt und wenig Interesse an einer Demokratisierung Irans zeigt.
Dass Gespräche mit dem iranischen Regime in der gegenwärtigen Lage dennoch unwahrscheinlich sind, liegt nicht zuletzt am Kalkül Khameneis, das Narrativ der amerikanischen Feindschaft am Leben zu halten. Dies zu erkennen, wäre auch in Europa ein erster Schritt zur Unterstützung der Konfliktbeilegung.♦

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© Qantara

Dr. Payam Ghalehdar war bis Juni 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter im International Security Program der Harvard Kennedy School. Er ist Experte für US-Außenpolitik und untersucht militärische Interventionen.
Dr. Ali Fathollah-Nejad ist seit Herbst 2017 Wissenschaftler an der Brookings Institution in Doha. Zuvor war er Iran-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sowie Postdoktorand im Iran-Projekt der Harvard Kennedy School.

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