Die deutsche Außenpolitik im Atomkonflikt

Am 27.01.2017 entließ Bundespräsident Joachim Gauck Frank-Walter Steinmeier aus dem Amt des Außenministers und ernannte dazu den bisherigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Am 19. März 2017 wurde Frank-Walter Steinmeier zum 12. Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Tags darauf forderte der neue Bundespräsident die am Atomabkommen beteiligten Staaten auf, das Abkommen „mit Leben zu füllen“. Diesen Wunsch hatten auch die EU-Außenminister, die sich am 11. Januar 2018 in Brüssel mit dem iranischen Außenminister treffen wollten, um das weitere Vorgehen nach dem angekündigten Austritt der USA aus dem Atomabkommen zu besprechen. Gabriel appellierte an die USA, sich an die Vereinbarungen aus dem Abkommen zu halten. Dessen Scheitern wäre „ein sehr gefährliches Signal“ an andere Länder wie beispielsweise Nordkorea, die Atomprogramme verfolgten. Ab Mitte März 2018 war Sigmar Gabriel nicht mehr Außenminister, sondern nur noch ein sozialdemokratischer Politiker. Am 14.11.2018 reiste er gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation ein viertes Mal in den Iran, wo er von hochrangigen Regimevertretern empfangen wurde. Auf dem Programm standen unter anderem Treffen mit dem Chef der Zentralbank, dem Energieminister und dem Parlamentspräsidenten. Begleitet wurde Gabriel von 15 Unternehmern aus Deutschland, organisiert wurde die Reise vom Nah- und Mittelost-Verein, einem 1934 gegründeten Interessenverband der deutschen Wirtschaft, dessen Ehrenvorsitzender damals der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder war.
Von Sigmar Gabriel zu Heiko Maas
Am 14. März 2018 übernahm Heiko Maas (SPD) die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Gabriel. Am 8. Mai 2018 verkündete US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Der neue Außenminister Deutschlands erklärte am 9. Mai 2018, diese Entscheidung werfe die Bemühungen um Stabilität in der Region nicht unwesentlich zurück. In gleicher Richtung äußerte sich auch SPD-Chefin Andrea Nahles. Sie bezeichnete den Rückzug der Amerikaner als “Anschlag” auf das Bündnis zwischen den USA und Europa. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich drei Tage nach Trumps Kündigung am 11. Mai 2018 beim Katholikentag in Münster mit scharfen Worten in Richtung USA. Mit dem Ausstieg ginge Vertrauen in die internationale Ordnung verloren. Er habe der internationalen Gemeinschaft schweren Schaden zugefügt.

Alle im Bundestag vertretener Parteien sind für die Beibehaltung des Atomabkommens mit dem Iran
Alle im Bundestag vertretener Parteien sind für die Beibehaltung des Atomabkommens mit dem Iran

 
Der neue Außenminister Maas erklärte vor seinem Antrittsbesuch in Washington am 22. Mai 2018: „Für uns hat sich in der Sache nichts geändert.“ Deutschland und Europa würden für die Vereinbarung einstehen: „Das berührt unmittelbar die deutschen Sicherheitsinteressen und die Sicherheitsinteressen von ganz Europa.“ Der grüne Außenexperte Omid Nouripour forderte Maas auf, der US-Regierung Paroli zu bieten: „Nimmt die Trump-Regierung darauf keine Rücksicht, dann spielt sie mit den Säulen der transatlantischen Partnerschaft und zwingt uns, mit den Russen und den Chinesen gegen die Amerikaner zu arbeiten.“ Die Position der im Bundestag vertretenen Parteien zum Atomabkommen wurde zu dieser Zeit von der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung geteilt. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey ergab eine Zustimmungsrate von 80,3 Prozent. Unter Grünen-Wählern war die Zustimmung mit 95,6 Prozent am höchsten, unter den AfD-Wählern mit 51 Prozent am niedrigsten. 12,3 Prozent der Befragten hätten es lieber gesehen, wenn der Deal gekündigt worden wäre.
Im Deutschen Bundestag und darüber hinaus
Im Bundestag sprachen sich sowohl die Fraktion der Linken als auch die der FDP am 15. Mai 2018 in ihren Entschließungsanträgen 19/2131 und 19/2529 für die Beibehaltung des Atomabkommens aus. Auch die AfD plädierte trotz Bedenken für den Erhalt. Pessimistischer äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), in einem Interview mit der Nachrichtenmagazin Focus: Er glaube nicht an eine Rettung des Abkommens mit Iran, denn ohne die USA ginge es nicht.
Die Iraner haben inzwischen die verlangten wirtschaftlichen Leistungen der EU in Gestalt von Instex (Instrument for Supporting Trade Exchanges) als Instrument zur Regulierung ihres Handels bekommen. Diese sogenannte Zweckgesellschaft werde „den legitimen europäischen Handel mit dem Iran unterstützen“, hieß es am 31. Januar 2019 in einer gemeinsamen Erklärung von Außenminister Maas und seinen Amtskollegen aus Paris und London. Es ist höchst fraglich, ob diese Maßnahme den Iranern nützen wird.
Deutschland und EU im Terrorismuskonflikt mit Teheran
Am 10. Dezember 2018 erklärte Heiko Maas bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen, der Iran müsse sich auf zusätzlichen Druck der EU einstellen: „Wir werden mit dem Iran darüber reden müssen, wie er sich in Syrien verhält, was das ballistische Raketenprogramm angeht, was Geheimdienstaktivitäten in Europa betrifft.“ Schon Anfang 2019 ging die EU auf Konfrontationskurs mit Teheran. Die iranische Regierung wurde mit vereitelten Anschlägen in Frankreich, Holland und Dänemark in Verbindung gebracht. Am 8. Januar 2019 verhängten die EU-Länder Sanktionen gegen Amtsträger der Regierung Rouhani. Die Strafmaßnahmen richteten sich gegen einige iranische Staatsbürger sowie den Geheimdienst des Landes. „Die Verhängung von Sanktionen durch die gesamte Europäische Union ist ein beispiellos hartes Signal, und das wird im Iran sehr deutlich verstanden“, sagte der niederländische Außenminister Stef Blok. Maas bestätigte die Position des Niederländers und schloss seinerseits weitere Sanktionen nicht aus. Ob sie folgen und wie sich die Beziehungen zwischen dem Iran und Deutschland entwickeln werden, kann niemand voraussagen. Denn im Konflikt mit der Islamischen Republik sind viele unterschiedliche Interessen aus der Region und dem Rest der Welt im Spiel. Außerdem stellen die verbale Feindschaft des Iran gegen Israel, sein Konkurrenzkampf um mehr Macht in der islamischen Welt mit Saudi-Arabien und der Türkei sowie die Entwicklung ballistischer Mittel- und Langstreckenraketen zusätzliche Hürden auf dem Weg zu einer dauerhaften Einigung mit der Islamischen Republik dar.♦

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