Wirtschaft: Die wichtigste Herausforderung der neuen iranischen Regierung

Die iranische Wirtschaftslage wird als desaströs eingeschätzt. Das zu ändern, werde keine leichte Aufgabe für den neuen Regierungschef Hassan Rouhani, meinen Experten und sehen den Ausweg in der Aufhebung der Sanktionen und dem Rückzug des Militärs aus der Wirtschaft.
Erstmalig wurde im Iran in der vergangenen Woche über die wirtschaftliche Misere im Land und die Rolle des Militärs öffentlich diskutiert. Nachdem zunächst Wirtschaftsexperten ihre Sorge über die verheerende Lage der iranischen Wirtschaft geäußert hatten, kritisierte ein einflussreicher Parlamentarier die Übermacht des Militärs in der Wirtschaft. Zum Schluss meldete sich der Chef der iranischen Streitkräfte zu Wort.
Desaströse Lage
In einem offenen Brief an den neuen Präsidenten Hassan Rouhani wies der Verband der iranischen Ökonomen Anfang August auf den maroden Zustand der iranischen Wirtschaft hin. Dieser Einschätzung liegt ein unabhängiger Bericht zugrunde, der den offiziellen Angaben der bisherigen iranischen Regierung von Mahmud Ahmadinedschad widerspricht. Verbandsvorsitzender Ali Rashidi betont in dem Schreiben, die arbeitsaufwändige Analyse sei mit Beteiligung internationaler Wissenschaftler zustande gekommen. „Die wirtschaftlichen Ziele im vierten und fünften Fünfjahresplan der Regierung und deren Prognosen sind realitätsfremd“, stellen die Wissenschaftler darin fest. Derzeit gilt der fünfte Fünfjahresplan im Iran.
Nach Angaben des iranischen Erdölministeriums sowie des parlamentarischen Forschungsgremiums betrugen die Einnahmen aus Erdölexporten im vierten Fünfjahresplan (2005-2010) mehr als 630 Milliarden US Dollar. Am Ende dieser Periode hatte sich die Regierung mit etwa 62 Milliarden US Dollar verschuldet.
Internationales Wirtschaftsembargo

Der neue Präsident, Hassan Rouhani, hat beim Wahlkampf versprochen, "den Schlüssel zur Lösung der Probleme" des Landes" gefunden zu haben
Der neue Präsident, Hassan Rouhani, hat beim Wahlkampf versprochen, „den Schlüssel zur Lösung der Probleme“ des Landes“ gefunden zu haben

Die wegen des umstrittenen Atomprogramms gegen das Land verhängten Sanktionen sind ein harter Schlag für die iranische Ökonomie – darüber sind sich die Wirtschaftsweisen einig. Am stärksten sind die Erdölexporte und der Bankensektor betroffen. Dadurch ist der Zugang der Regierung zu den ohnehin niedrigeren Devisenerlösen aus dem Erdölverkauf erschwert. Der Vorsitzende der parlamentarischen Forschungskommission, Kazem Jalali, sprach von rund 60 Milliarden US Dollars, die von ausländischen Banken blockiert wurden. Ihm zufolge fehlten 2012 etwa15,5 Milliarden US Dollar in der Staatskasse.
Der neue Präsident werde dafür sorgen, dass die blockierten Gelder bei den ausländischen Banken freigegeben werden, so Jalali.
Wirtschaftsfaktor Streitkräfte
Fehlender freier Wettbewerb und mangelnde Investitionen aus privater Hand sind weitere Ursachen der maroden Wirtschaftslage des Iran. Dazu kommt die breite Präsenz der Militär- und Sicherheitsorgane in der Wirtschaft. Dies kritisierte der einflussreiche Abgeordnete Ahmad Tavakoli in einem Interview mit der Wirtschaftszeitschrift „Handel der Zukunft“: „Die Sicherheitsorgane sind mit Pauken und Trompeten in die iranischen Märkte eingezogen“, so Tavakoli. „Nun wird es schwierig, sie wieder hinaus zu begleiten.“ Er verlangt von der neuen Regierung, diesbezüglich „schlagkräftige“ Entscheidungen zu treffen.
Auf Tavakoli antwortete der Chef der iranischen Streitkräfte, General Hassan Firouz-Abadi: „Wenn die Regierung das will, werden sich die Streitkräfte aus den wirtschaftlichen Aktivitäten zurückziehen.“ Die Einmischung des Militärs in die Wirtschaft sei nur zu deren Förderung geschehen, so Firouz-Abadi. Sollte die Regierung in der Lage sein, die wirtschaftlichen Herausforderungen selbst zu bewältigen, würden sich die Streitkräfte künftig nur noch um die Rüstungsindustrie kümmern.
Übermacht der Revolutionsgarde
Das Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei ist zugleich der Oberbefehlshaber der Streitkräfte
Das Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei ist zugleich der Oberbefehlshaber der Streitkräfte

Wirtschaftlich auf fast allen Gebieten aktiv ist die iranische Revolutionsgarde. Als größter Unternehmer des Landes ist sie niemandem außer dem Revolutionsführer Rechenschaft schuldig. Die Garde unterliegt keiner Steuerpflicht und zahlt keine Zollgebühren auf Importe. Sie erhält von der Regierung Aufträge für Projekte wie den Ausbau der Ölanlagen, Pipelines oder den Ausbau der Teheraner Untergrundbahn. Ebenso ist sie in der Telekommunikation und dem Bankensektor tätig. Auch See- und Flughäfen werden von den Revolutionswächtern kontrolliert – etwa der größte iranische Containerhafen in der Hafenstadt Bandar Abas sowie der Payam-Flughafen bei Teheran. Obwohl der wirtschaftliche Einfluss der Revolutionswächter unter Ahmadinedschad wuchs, kritisierte er sie 2011 als „unsere Schieber-Brüder“.
Der künftige Wirtschaftsminister
Rouhani hatte beim Wahlkampf versprochen, mit Hilfe von Experten die Probleme des Landes zu bewältigen. Mit der Nominierung von Ali Tabib Nia zum Wirtschaftsminister, macht er den ersten Schritt in diese Richtung. Tabib Nia, der noch vom Parlament in seinem Posten bestätigt werden muss, absolvierte ein Wirtschaftsstudium an der Teheran-Universität, wo er 1993 einen Doktortitel errang und bis jetzt auch unterrichtete. Außer der Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Rat der Teheraner Universität war Tabib Nia Vorsitzender der Wirtschaftskommission der Regierung Khatamis, Berater der Wirtschaftskommission der Regierung Ahmadinedschads und Vorsitzender des Rates der Wirtschaftsweisen an der Universität Teheran.
 FP