Medikamentenmangel im Iran

Die Liste der rar gewordenen Arzneimittel im Iran wird immer länger. Besonders betroffen sind Arzneimittel für die Behandlung von Krebs-Patienten, Thalassämie, Multiple Sklerose (MS) sowie Atem- und Herzerkrankungen. Die staatliche Bürokratie und die Sanktionen behindern die Lösung des Problems.
Die Lage sei Besorgnis erregend, schreibt die Zeitung „Shargh“. Das bilde sich im Rückgang der Herstellung von Medikamenten ebenso wie deren begrenzter Einfuhr aus dem Ausland ab. Über 30 spezielle Arzneimittel seien im Iran bereits nicht mehr auf dem Markt. Schuld an der Misere seien, schreibt Shargh, „die internationalen Finanzsanktionen, der instabile Devisenmarkt im Land und die negativen Folgen der Umsetzung des Gesetzes zur Lenkung und Optimierung von Subventionen“. Der darin beschlossene Subventionsabbau hat bei vielen Waren und Dienstleistungen im Iran zu massiven Preiserhöhungen geführt.
Die iranische Pharmaindustrie kauft die notwendigen Basisstoffe für die Herstellung von Medikamenten überwiegend auf den globalen Märkten und ist somit stark auf den internationalen Handel angewiesen. So wirken die internationalen Finanzsanktionen gegen den Iran doppelt: Sie erschweren den Import von Medikamenten und lähmen deren Herstellung im Land, da die iranischen Pharmafirmen die notwendigen Grundstoffe nicht problemlos einführen können.
„Es gibt keine Probleme“

Marzieh Vahid Dastjerdi. Foto: darichekhabar.ir.
Marzieh Vahid Dastjerdi: "Wir sind die Nr. 1 in der Region".

Obwohl Verantwortliche aus dem Gesundheitsministerium bereits mehrmals eingeräumt haben, dass das Medikamentendefizit eine Folge der Finanzsanktionen gegen den Iran sei, ist in den offiziellen Stellungnahmen des Ministeriums davon keine Rede. Gesundheitsministerin Marziyeh Vahid Dastjerdi behauptete vor kurzem sogar, es gebe im Iran gar kein Medikamentenproblem: “Etwa 96 Prozent unseres Arzneimittelbedarfs stellen wir selbst her. Damit steht der Iran in der Pharmaproduktion an erster Stelle in der Region.“ Der Iran gehöre zu den fünf asiatischen und weltweit zwölf Ländern, die biotechnologische Pharmazeutika herstellen können“, so die Ministerin. „Zudem haben wir mit der iranischen Zentralbank die Regelung getroffen, sowohl den Medikamentenherstellern als auch den Importeuren ausländische Währungen zu günstigen Konditionen anzubieten.“
 
Gleichzeitig erklärte Kheirollah Gholami, einer der Verantwortlichen der Teheraner Hochschule für Pharmazie, in einem Interview mit der Zeitung Shargh jedoch, dass derzeit mehr als 30 Medikamente auf dem iranischen Markt nicht mehr verfügbar seien: “Vor allem Arzneimittel für Krebspatienten, aber auch Asthmasprays sowie bestimmte Tabletten für Herzkranke fehlen uns. Und zwar sowohl von ausländischen Firmen wie auch im Iran hergestellte Produkte.“
Zudem gebe es eine drastische Preiserhöhung bei Spritzen, die an Multipler Sklerose (MS) Erkrankte einmal pro Woche für ihre Behandlung benötigen. Die Betroffenen stehen nun vor großen Problemen: Auf inländische Produkte könnten sie auch nicht zugreifen, da den Firmen die Inhaltsstoffe zur Herstellung des Medikaments fehlten, so der Experte.
Ein Teufelkreis
Die Pharmaindustrie hat  mit aufwändiger Bürokratie zu kämpfen.
Die Pharmaindustrie hat mit aufwändiger Bürokratie zu kämpfen.

Vergangenes Jahr hatte die iranische Zentralbank sich mehrere Monate lang geweigert, Importeuren zu staatlichen Konditionen günstigere Devisen zu verkaufen. Die Firmen mussten sich auf dem illegalen Markt teurere Devisen beschaffen. Im Februar schaltete sich dann das Gesundheitsministerium ein und verlangte günstige Devisen für die Pharmafirmen. Doch auch damit wurde das Problem nicht behoben, denn die Firmen haben nun mit aufwändiger Bürokratie zu kämpfen. Der nötige Vorgang spielt sich wie folgt ab: Zunächst muss der Pharmaimporteur beim Gesundheitsministerium einen Antrag auf Devisen stellen. Wird der dort genehmigt, wird er der Zentralbank weitergeleitet. Die Zentralbank bestimmt dann die Höhe der Summe, die dem Importeur zugestanden werden soll, und schickt dessen Antrag an das Gesundheitsministerium zurück. Erst wenn die dortigen Verantwortlichen der  von der Zentralbank bestimmten Summe zugestimmt haben, darf die Bank dem Importeur die günstige Währung verkaufen.
Diese langwierige und zermürbende Prozedur sowie die internationalen Sanktionen gegen die iranischen Banken haben dazu geführt, dass viele Importeure auf die staatlichen Devisen verzichten. Denn selbst wenn sie in deren Genuss kommen, können sie ihre weiteren Finanztransaktionen nicht reibungslos abwickeln: wegen der Sanktionen gegen die iranischen Banken. Ein Teufelskreis, der langfristig katastrophale Folgen haben kann.
fp
Quelle: Die Zeitung „Shargh“