Libyen – Iran: eine Hassliebe

Die iranische Regierung zeigt sich offiziell erfreut über den Sturz von Gaddafis Regime. Doch gleichzeitig wächst die Sorge der Teheraner Machthaber vor „äußeren Einmischungen“.  Eine Bestandsaufnahme einer politischen Stimmungslage.
Über den Sturz von Gaddafis Regime haben sich das Außenministerium und der Parlamentspräsident, Ali Laridjani, positiv geäußert. „Der Iran beglückwünscht das muslimische Volk Libyens zu den jüngsten Entwicklungen“, steht es verklausuliert in der Erklärung des iranischen Außenministeriums. Weder wird eindeutig auf den Sturz hingewiesen, noch der Übergangsrat erwähnt oder gar seine Anerkennung  in Betracht gezogen. In derselben Erklärung mahnt Teheran aber die Libyer, die Einmischung der „Hegemonialmächte“ in ihr Land zu unterbinden.

Widersprüchliche Beziehung
Die Beziehung Irans zu Libyen war in den letzten 30 Jahren immer voller Widersprüche und Turbulenzen.

Mousa Al-Sadr
Mousa Al-Sadr

Ein wichtiger Faktor dabei war das Verschwinden des einflussreichen schiitischen Geistlichen Mousa Al-Sadr. Die Aufgabe der ersten iranischen Delegation, die demnächst nach Libyen reisen soll, ist dann auch nicht Kontakt zu den neuen Machthabern zu suchen. Nach den Worten von Mehdi Mehdizadeh, Mitglied der Sicherheitskommission des iranischen Parlaments, werde diese Delegation das Schicksal von Mousa Al-Sadr erkunden. Dieser war 1978 zu einem offiziellen Besuch nach Libyen gereist. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.
Der Fall Al-Sadr hat seitdem immer einen Schatten auf die Beziehungen Irans zu Libyen geworfen. Die beachtliche Militärhilfe, die Gaddafi im achtjährigen Krieg gegen den Irak in den 1980er Jahren leistete, verbesserte das Verhältnis aber erheblich. Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, der damalige Parlamentspräsident, und auch der damalige Revolutionsgarden-Minister, Moshen Rafighdoost, haben immer wieder auf die von Libyen gelieferten Raketen und anderes Kriegsmaterial hingewiesen.
Gegenseitiger Schlagabtausch
Durch die Annäherung Gaddafis an den Westen verschlechterte sich das Verhältnis in den letzten Jahren allerdings wieder. Der libysche Diktator stellte seine Atomprogramme ein, im März 2008 stimmte Libyen sogar der Resolution 1803 des UN-Sicherheitsrates zu, die Sanktionen gegen den Iran beschloss. Gaddafi forderte die iranische Führung auf, seinem Weg Richtung Westen zu folgen – sonst würde sie das Schicksal des irakischen Diktator Saddam Hussein erwarten.
Teherans Dilemma
Als sich im Februar 2011 die Proteste in Libyen gegen Gaddafis Regime ausweiteten, distanzierte sich Teheran offiziell von Gaddafi. „Wie ist es möglich, dass ein Staatschef Kampfflugzeuge, Panzer und Kanonen gegen seine eigenen Leute einsetzt?“, fragte  Staatspräsident Ahmadinedschad öffentlich. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums forderte am 23. Februar sogar „wirksame und dringende Schritte“ der internationalen Gemeinschaft gegen das libysche Regime.  Aber als die Flugverbotszone über Libyen seitens des UN-Sicherheitsrats beschlossen wurde und die Westmächte ihre Luftschläge begannen, gerieten die außenpolitischen Entscheidungsträger Irans in ein Dilemma. Staatsoberhaupt, Ayatollah Ali Khamenei, kritisierte den internationalen Militäreinsatz gegen Libyens Machthaber. Die ultrakonservative Zeitung „Kayhan“ schrieb, dass der militärische Einsatz der Nato in Libyen eine Botschaft an den Iran sei.
Die größte Sorgen des Irans sind nun weitere militärische Interventionen, vor allem im momentanen Machtkampf in Syrien.  Syrien ist der strategisch wichtige Verbündete des Iran in der Region und Teheran unterstützt Machthaber Baschar al-Assad  im Kampf gegen die Protestbewegung. Am 15. August bezeichnet der Sprecher des iranischen Außenministeriums die Konflikte in Syrien als „eine innere Angelegenheiten dieses Landes“.  Äußere Einmischung könnte sie noch verschärfen.  Er warf dem Westen vor, sich gewohnheitsmäßig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und sie militärisch zu besetzen.
Im Iran stellen sich nun viele die Frage, wie lange sich Teheran die Unterstützung Assads leisten kann. Sollten die Ereignisse in Libyen die Protestbewegung in Syrien weiter stärken, wird Assads Regime bald der Vergangenheit angehören.