Frauendiskriminierung als politisches Druckmittel

Seit Wochen wird in den iranischen Medien über Geschlechtertrennung auf Arbeitsplätzen diskutiert. Während die Ultrakonservativen diese Maßnahme als „Frauenförderung“ bezeichnen, erachten  die KritikerInnen sie als  Diskriminierung. 

Nach Geschlechtern getrennte Schulen, Unis, Sportanlagen und sogar Sitzplätze in Nahverkehrsbussen gibt es im Iran seit Jahren. Und neuerdings sind davon sogar Arbeitsplätze betroffen. Denn Ende Mai wies der Teheraner Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf seine Behörden an, Arbeitsplätze von Männern und Frauen seien künftig räumlich zu trennen. Leitungskräfte dürfen nur noch männliche Assistenten und Bürokräfte beschäftigen. Von dieser Richtlinie sind zunächst die Beschäftigten im Teheraner Rathaus sowie allen weiteren Einrichtungen betroffen, die der Stadtverwaltung unterstehen. Die Begründung des Bürgermeisters lautet: Es sei aus religiöser Sicht nicht angebracht, wenn Frauen mehr Zeit mit fremden Männern als mit ihren Ehemännern verbrächten. Der Name seines Erlasses lautet: „Förderung der Stellung der Frau“.
Die Rechtsanwältin Mehrangiz Kar sieht hinter dem Erlass andere Absichten. Er sei auf die Familienpolitik des religiösen Führers Ayatollah Ali Khamenei zurückzuführen, sagt die im Exil lebende Juristin und Menschenrechtlerin im Gespräch mit TFI. „Ghalibaf will sich damit als linientreu präsentieren und Khamenei seine Loyalität bezeugen“, so Kar.
Westliche Lebensweisen wie die Berufstätigkeit von Frauen seien „zweitrangige Themen“ für den Iran, hatte Khamenei vor kurzem gesagt. Wichtiger sei es, „Frauen zuhause eine entspannte Atmosphäre zu bieten, damit sie ihre Aufgabe als ideale Hausfrau wahrnehmen können“, so das geistliche Oberhaupt des Iran. Außerdem solle Irans Bevölkerung deutlich mehr wachsen, damit das Land „noch mächtiger wird“, so der Ayatollah. Nach seiner Schätzung hat der Iran Versorgungskapazitäten für eine Bevölkerung von bis zu 150 Millionen Menschen. Derzeit gibt es rund 77 Millionen IranerInnen.
Gefährliche Folgen

Frauendemonstration in Teheran: "Mann=Mensch, Frau=Mensch, Mensch=Mensch, Frau=Mann"
Frauendemonstration in Teheran:
„Mann=Mensch, Frau=Mensch, Mensch=Mensch, Frau=Mann“

Dass solche Maßnahmen der Politik des Ayatollahs dienten, sieht auch der im Exil lebende iranische Soziologe Hosein Ghazian so. Das habe mehrere negative Folgen, sagt Ghazian im Gespräch mit TFI.  Frauen würden zu Arbeitskräften zweiter Klasse: „Ohne Aufstiegsmöglichkeiten werden sie an den Rand gedrängt.“ Und „da höchstwahrscheinlich immer weniger Arbeitgeber bereit sein werden, Frauen unter solchen Bedingungen einzustellen“, seien sie vermutlich künftig auch häufiger arbeitslos. Bereits jetzt liegt die Arbeitslosigkeit bei Frauen im Iran mit 19 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei Männern mit 9 Prozent.
Wie viele Frauen konkret von der Geschlechtertrennungsmaßnahme der Teheraner Stadtverwaltung betroffen sind, ist nicht bekannt. Auch Entlassungen von Frauen in diesem Zusammenhang wurden bislang offiziell nicht bestätigt. Weibliche Beschäftigte, die bisher als Assistentinnen oder Telefonistinnen für Leitungskräfte gearbeitet hätten, seien in andere Abteilungen versetzt worden, heißt es in einer Pressemitteilung des Rathauses.
Irans Justizminister Mostafa Pour-Mohammadi hält die Maßnahme für richtig. Die Geschlechtertrennung entspreche nicht nur den islamischen Werten, sondern würde zudem die Arbeitsleistung der Angestellten steigern, sagte er vergangene Woche. Eine Aussage, die, soweit ihm bekannt sei, von keiner wissenschaftlichen Studie gestützt werde, so der Soziologe Ghazian.
Lange Geschichte
Seit der Gründung der islamischen Republik Iran im Jahr 1979 wurde immer wieder versucht, unter dem Vorwand der „islamischen Werte“ die Trennung von Frauen und Männern in öffentlichen Einrichtungen durchzusetzen. Zunächst wurde die Geschlechtertrennung in den Grundschulen eingeführt. Während der Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad (2005-2013) beschloss das Bildungsministerium dann, Mädchen und Jungen bereits in der Vorschulzeit und in den Kitas voneinander zu trennen. Gleichzeitig wurden an einigen Universitäten des Landes geschlechtergetrennte Unterrichtsräume eingeführt. Die Anweisung dazu war 2011 vom Obersten Rat der Kulturrevolution erteilt worden und wurde von vielen AkademikerInnen heftig kritisiert.
Teherans Stadtverwaltung sei aber nicht die erste staatliche Einrichtung, die nach Geschlechtern getrennte Arbeitsplätze einführe, sagt Ghazian. Bei den Einrichtungen der Revolutionsgarde sei das bereits üblich.
Frauenpolitik als Mittel der Machtkämpfe
"Wunschvorstellung der Ultrakonservativen" im Iran - eine Karikatur von Toka Neyestani, die von den Regierenden und VerteidigerInnen der Frauenrechte kritisiert wird
„Wunschvorstellung der Ultrakonservativen“ im Iran – eine Karikatur von Toka Neyestani, die von den Regierenden und VerteidigerInnen der Frauenrechte kritisiert wird

Machtkämpfe zwischen den gemäßigten politischen Kräften um Präsident Hassan Rouhani und dem ultrakonservativen Lager sind seit Rouhanis Amtsantritt keine Seltenheit. Gewöhnlich drehen sie sich um Irans Außenpolitik, etwa die Atomverhandlungen mit dem Westen und die Annäherungspolitik Rouhanis an die USA. „Nun scheint auch die Frauenpolitik zu den Druckmitteln gegen Rouhanis Regierung zu gehören“, vermutet die Rechtsanwältin Kar. Der Teheraner Geschlechtertrennung hatten auch 200 der insgesamt 264 Abgeordneten des iranischen Parlaments ihre Unterstützung ausgesprochen.
Die Regierung Rouhani hat bislang keine deutliche Haltung gegenüber dem Erlass erkennen lassen. Zwar erklärte das Arbeitsministerium vergangene Woche, der Iran verstoße mit der Maßnahme gegen die von ihm unterschriebene internationale Menschenrechtskonvention, da durch sie „Frauen aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert werden“. Zwei Tage später jedoch dementierte das Ministerium seine Erklärung, die zuvor auch von Nachrichtenagenturen veröffentlicht worden war.
Laut Juristin Kar besteht die Möglichkeit, gegen die Geschlechtertrennungsmaßnahme Klage beim obersten Verwaltungsgericht des Iran zu erheben. Ob einer solchen Klage jedoch nachgegangen würde, ist fraglich. Denn am vergangenen Mittwoch kündigte das oberste Verwaltungsgericht in Teheran an, zum „Schutz der Frauen“ künftig Geschlechtertrennung in seinen Abteilungen einzuführen.
  FOROUGH HOSSEIN POUR