Abwägung der Wirtschaftlichkeit des Atomstroms für Iran

Das Atomprogramm des Iran hat in den vergangenen Jahren zu internationalen Sanktionen geführt, die das Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht haben. Wie hoch sind die Verluste, die der Iran dadurch erlitten hat? Und könnte das Land sie je durch die Einnahmen aus dem Atomstrom ausgleichen?

Von Behrooz Bayat

Mitte der 1970er Jahre begann das Schah-Regime mit dem Bau zweier Atomkraftwerke in der südiranischen Stadt Bushehr. Mit der Kraftwerk Union AG (KWU), einer Tochtergesellschaft von Siemens, wurde dafür ein weit überhöhter Preis von 8 Milliarden D-Mark vereinbart. Bushehr1 war zu 85 Prozent, Bushehr2 zu 50 Prozent fertiggestellt, als 1979 die Revolution im Iran ausbrach und die Arbeiten unterbrach. Der Bau wurde zu Beginn der 1990er Jahre durch russische Firmen fortgesetzt. Welche Ausgaben damit noch verbunden waren, ist unbekannt. Nach Schätzungen zweier iranisch-amerikanischer Wissenschaftler soll die Fertigstellung des nunmehr einen AKW Bushehr1 etwa 11 Milliarden US-Dollar verschlungen haben. Die Bautätigkeit dauerte insgesamt 35 Jahre.

Bushehr1 ist seit 2010 in Betrieb. Laut dem Red Book 2018 der Internationalen Agentur für die Atomenergie (IAEA) produzierte es 2016 5,9 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom (3,2 Milliarden kWh im Jahr 2015). Ein mittlerer Strompreis von 600 Rial/kWh bedeutet, dass Bushehr1 maximal 360 Milliarden Rial pro Jahr brutto erwirtschaftet. Auf der Grundlage des offiziellen Wechselkurses des Dollars im Iran von 42.000 Rial/$ ergibt sich damit, dass das AKW Bushehr1 jährlich nur 8,6 Millionen US-Dollar einbringt.

Daher hat Ali Akbar Salehi, der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, 2020 erklärt, Bushehr1 sei nicht in der Lage, die notwendigen Ersatzteile, die mit Fremdwährungen bezahlt werden müssen, zu finanzieren. Die Zahl bedeutet zudem, dass die Amortisierung der direkten Investitionen für Bushehr1 etwa 1.200 Jahre in Anspruch nehmen würde. Fakt ist, dass Bushehr1 überhaupt keinen Gewinn erbringt.

Selbst auf der Grundlage des für den Iran unrealistischen Strompreises an der europäischen Börse von 34 Euro pro Megawattstunde (MWh, entspricht 1.000 kWh) würde die Amortisation der Errichtungskosten etwa 50 Jahre dauern. Werden auch die Betriebskosten einbezogen, würde die tatsächliche Dauer diesen Zeitraum noch weit überschreiten.

Die Kosten der Uranförderung

Im Zuge des Drangs nach Autarkie hatte die Islamische Republik Iran (IRI) im Jahr 2006 begonnen, im Iran Uran zu fördern. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Uran-Reserven sowohl spärlich sind als auch minderer Qualität. Infolgedessen ist die Urangewinnung sehr kostspielig. Bis Ende 2016 wurden insgesamt 84 Tonnen sogenanntes Yellow Cake (Uraniumoxid) gewonnen.

 

Atomkraftwerk in der südiranischen Stadt Bushehr
Atomkraftwerk in der südiranischen Stadt Bushehr

Aber in der IRI addiert sich die generelle System-Ineffizienz mit der minderen Qualität der Uranminen, so dass die Kosten für die Herstellung von Yellow Cake exorbitant hoch sind. Nach dem Uranium Red Book 2018 der IAEA hat die IRI im Jahr 2016 für die Förderung von einem Kilogramm Uran 65 Millionen Rial (1.750 US-Dollar zum damaligen Dollar-Kurs) aufgewendet, während Kanada dieselbe Menge für etwa 80 kanadische Dollar herstellte. Die Produktionskosten weltweit variierten 2018 zwischen 31 und 162 Dollar pro Kilogramm Uran. Das zeigt das Ausmaß der Verlustträchtigkeit der iranischen Uran-Förderung.

Politische Kosten des Nuklearprogramms

Neben den direkten Kosten der Investitionen in das iranische Nuklearprogramm (NP), die wiederum politisch beeinflusst sind, gibt es auch rein politische Kosten, die durch die vielfältigen Sanktionen gegen den Iran verursacht werden: „Kollateralschäden“, die aber unvergleichlich schwerer wiegen als die unmittelbaren NP-Betriebsverluste.

Die Ambiguität des IRI-Nuklearprogramms, nicht zuletzt manifestiert durch die mangelnde ökonomische Begründung, hat den Argwohn des Westens befeuert. In der Schah-Ära bis 1979 waren es die Amerikaner, die dem Regime keine Möglichkeit der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente erlauben wollten. In der post-revolutionären Ära, in der das islamische Regime in die Animosität mit dem Westen Zuflucht nahm, ist dessen Skepsis weiter gewachsen. Hinzu kamen die klandestinen Maßnahmen des Regimes, im Verborgenen ein Nuklearprogramm auf die Beine zu stellen; ein NP, das alle Ingredienzien eines militärisch intendierten Unterfangens beinhaltete: Urananreicherung und einen Schwerwasser-Forschungsreaktor.

Kurz nach der Entstehung der IRI mutierte die Feindschaft gegen die USA und Israel zur Staatsdoktorin, ja zum Raison d‘etre des Regimes. Die IRI musste zur Aufrechterhaltung dieser Feindschaft in einem Zustand von „weder Krieg noch Frieden“ verharren. Dazu sah sie sich genötigt, einerseits jenseits der eigenen Grenzen eine „strategische Tiefe“ herzustellen, andererseits eine mögliche atomare Abschreckung im Lande selbst zu bewerkstelligen. Mit anderen Worten: Zwei Konfliktfelder überlagerten sich, wobei der Atomkonflikt in dieser Schärfe mit dem ersteren, nämlich der normverletzenden Einmischung der IRI in die kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittleren Osten, in enger Verbindung steht. Dieses Verhalten lieferte der anderen Seite wie Netanjahu und den arabischen Despoten den Vorwand, den Streit mit allen möglichen Übertreibungen anzuheizen.

Das Resultat des Festhaltens der IRI an ihrer Politik waren politische wie ökonomische Sanktionen, die zum Teil vom Sicherheitsrat der UNO mit Resolutionen unter Paragraf 7 der UN-Charta untermauert wurden. Auf dieser Basis sahen sich auch die Europäer legitimiert, weitergehende Sanktionen zu verhängen. Die Kosten dieser Sanktionen sind schwer zu beziffern. Es gibt Schätzungen die zwischen einigen Milliarden bis zu einer Billion Dollar schwanken.

Die Kosten der politisch motivierten Sanktionen

Fortsetzung auf Seite 2