Zweite Kulturrevolution an den Universitäten

Am Mittwoch bekräftigte der Minister für Bildung und Forschung, Kamran Daneschju, vor der Wissenschaftskommission des Parlaments, dass die „Islamisierung der Universitäten das wichtigste Vorhaben“ seiner Behörde in diesem Jahr sein werde. Das Ziel sei, die Bildungsanstalten sowohl inhaltlich als auch personell „erneut islamisch vertretbaren Werten“ zu nähern.
Kritiker werfen der Regierung Ahmadinedjad vor, eine zweite Kulturrevolution wie in den 1980er Jahren zu betreiben. Damals war das Ziel unter anderem, Professoren und Studenten, die aus Regimesicht „westliche und liberale“ Ansichten vertraten, aus den Universitäten zu entfernen. Die Bekämpfung westlicher Einflüsse auf die Kultur und Gesellschaft, die vor der Revolution weit verbreitet waren, hatte seitdem eine hohe Priorität.
Die Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 haben die Diskussion um die Islamisierung und gleichzeitiger Eliminierung westlichen Gedankenguts aus den Universitäten neu entfacht, da viele Studenten und Akademiker an den Protesten aktiv beteiligt waren. Hunderte von Studenten und Dozenten wurden infolge der Ereignisse verhaftet oder von der Universität verwiesen.
Einige, wie Said Hajjarian, ein Revolutionär der ersten Stunde, widerriefen während der Schauprozesse 2009 und 2010 öffentlich ihr Denken der letzten Jahrzehnte und entschuldigten sich für das Lehren und Anwenden westlicher Theorien zur Analyse des iranischen Herrschaftssystems.
In einer Rede vor Universitätsangehörigen hatte der Revolutionsführer Khamenei damals die Geisteswissenschaften als ein westliches Instrument im Kampf gegen die Islamische Revolution bezeichnet: „Die Grundlagen der Geisteswissenschaften, die in Übersetzung an unseren Universitäten gelehrt werden, gehen von einer säkularen materiellen Welt aus und sind mit den Grundlagen des Koran nicht vereinbar“ – die Grundsätze der Geisteswissenschaften seien aber „im Koran zu suchen“.
Seiner Ansicht nach hätte westliches Gedankengut in den Geisteswissenschaften zur Verbreitung von Unzufriedenheit und Protest in der Gesellschaft geführt und Zweifel an religiösen Grundlagen gesät. Khamenei brachte die Sorge zum Ausdruck, dass die Universitäten gar nicht genügend „religiöse und personelle Kapazität“ für zwei Millionen Studierende der Geissäkteswissenschaften (von insgesamt dreieinhalb Millionen Studenten) hätten. Er verlangte von der Regierung Ahmadinedjad, dem Parlament und dem „Hohem Rat der Kulturrevolution“, die Umbildung dieser Fächer „ernsthaft zu verfolgen“.
Nach diesen Äußerungen kündigte das Bildungsministerium den Aufnahmestopp in zwölf Studienfächern der Geistes-, Kunst- und Kulturwissenschaften an, darunter Sozial- und Politikwissenschaften und Psychologie. Das Ministerium ordnete eine Überprüfung der Inhalte dieser Fächer an.
Der Generalstaatsanwalt Sadegh Laridjani wies die Kritik einiger Intellektueller zurück, die von einer Politisierung der Geisteswissenschaften warnten: Die Umgestaltungen der Geisteswissenschaften seien zum Schutz des Systems notwendig, denn „wenn wir den Unterricht der Geisteswissenschaften auf säkularer Basis fortsetzen, bleibt kein Platz mehr für die Herrschaft des Rechtsgelehrten“.
Nach einem Bericht von Studentenaktivisten über „Verstöße gegen das Recht der Studierenden in 1389“, war die Situation der Studenten im vergangenen iranischen Jahr 1389 (20. März 2010 – 20 März 2011) besonders schwierig. Darin sind einige hundert Fälle von Inhaftierungen, Relegationen, Exilierungen, Verboten von studentischen Organisationen und Publikationen sowie Arbeiten kritischer Professoren oder deren Zwangsemeritierungen dokumentiert.
Safoura Eliassi, Sprecherin der Organisation „Kampf gegen Diskriminierung von Studenten“ schreibt in einem Beitrag für ihre Webseite dazu: „Die Rede des Herrn Khamenei von der Notwendigkeit der Überprüfung der Geisteswissenschaften ist mit Hilfe der Sicherheitskräfte durchgesetzt worden und hat eine neue Welle von Relegationen und Zwangsemeritierungen mit sich gebracht.“
Nach ihrer Einschätzung deuten die Statistiken auf eine zweite Kulturrevolution hin: „Während unter der Präsidentschaft Khatamis mehr Bücher und Übersetzungen veröffentlicht werden konnten, hat unter seinem Nachfolger Ahmadinedjad die ‚Bereinigung‘ der Universitäten an Intensität gewonnen.“
Eliassi notiert, dass die Geisteswissenschaften „zur Hauptsorge der Regierung um die Kontrolle der Universität“ geworden sind, denn diese Fächer seien nach Ansicht des Regimes „der Hort von Kritik und Widerstand“. Den personellen Restriktionen folgte die Einrichtung von Kontrollgremien und Neubesetzung der Lehrstellen der Geisteswissenschaften mit systemtreuen Personen, auch wenn diesen die Kompetenz fehlt. ‎
Khamenei erklärte, dass nur diejenigen Professoren der Islamischen Republik würdig seien, die als „Offiziere des samtenen Krieges die Probleme, den Feind und seine Ziele erkennen, und Lösungswege gegen diese Feinde entwickeln“ könnten.
Bildungsminister Daneschju nannte im vergangenen Sommer als Einstellungskriterium für Professoren das „Bekenntnis zur Herrschaft des Rechtgelehrten“, denn die Pflicht der Universität sei die „Erziehung von Soldaten für den (verborgenen) Imam Mahdi“. Zudem hatte er gedroht, die Universitäten „dem Erdboden gleich“ zu machen, wenn sie nicht alle religiösen Pflichten erfüllt und sämtliche schiitische Zeremonien durchführt.
Damals hatte der Oppositionspolitiker Mir Hossein Mussawi in diesem Zusammenhang vor sowjetischen Verhältnissen gewarnt: Auch die Sowjets hätten nach Stalin die Geisteswissenschaften zu einer „materiellen und bourgeoisen Lehre“ erklärt, und sie deshalb weitgehend verboten.
Im letzten Monat erklärte der Vorsitzende der „Organisation zur Lektüre und Neufassung der geisteswissenschaftlichen Bücher an den Universitäten“, Ahmad Ahmadi, dass inzwischen 80 Bücher der Fachgebiete überarbeitet worden seien. Die Arbeit werde fortgesetzt, bis „keine unsittlichen Verstöße gegen die Kultur unseres Landes“ darin vorkommen.
Zwar zeigt die Erfahrung der letzten drei Dekaden, dass die Universitäten dem Druck des Regimes einigermaßen standhalten konnten. Gleichzeitig haben viele einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Die übermäßige Abwanderung der Intelligenz, die sicher nicht im nationalen Interesse des Landes liegen kann, wird als direkte Folge dieser Politik verstanden.

 

Re-Islamisierung der Universitäten im neuen Jahr

 

Am Mittwoch bekräftigte der Minister für Bildung und Forschung, Kamran Daneschju, vor der Wissenschaftskommission des Parlaments, dass die „Islamisierung der Universitäten das wichtigste Vorhaben“ seiner Behörde in diesem Jahr sein werde. Das Ziel sei, die Bildungsanstalten sowohl inhaltlich als auch personell „erneut islamisch vertretbaren Werten“ zu nähern.

 

Kritiker werfen der Regierung Ahmadinedjad vor, eine zweite Kulturrevolution wie in den 1980er Jahren zu betreiben. Damals war das Ziel unter anderem, Professoren und Studenten, die aus Regimesicht „westliche und liberale“ Ansichten vertraten, aus den Universitäten zu entfernen. Die Bekämpfung westlicher Einflüsse auf die Kultur und Gesellschaft, die vor der Revolution weit verbreitet waren, hatte seitdem eine hohe Priorität.

 

Die Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 haben die Diskussion um die Islamisierung und gleichzeitiger Eliminierung westlichen Gedankenguts aus den Universitäten neu entfacht, da viele Studenten und Akademiker an den Protesten aktiv beteiligt waren. Hunderte von Studenten und Dozenten wurden infolge der Ereignisse verhaftet oder von der Universität verwiesen.

 

Einige, wie Said Hajjarian, ein Revolutionär der ersten Stunde, widerriefen während der Schauprozesse 2009 und 2010 öffentlich ihr Denken der letzten Jahrzehnte und entschuldigten sich für das Lehren und Anwenden westlicher Theorien zur Analyse des iranischen Herrschaftssystems.

 

In einer Rede vor Universitätsangehörigen hatte der Revolutionsführer Khamenei damals die Geisteswissenschaften als ein westliches Instrument im Kampf gegen die Islamische Revolution bezeichnet: „Die Grundlagen der Geisteswissenschaften, die in Übersetzung an unseren Universitäten gelehrt werden, gehen von einer säkularen materiellen Welt aus und sind mit den Grundlagen des Koran nicht vereinbar“ – die Grundsätze der Geisteswissenschaften seien aber „im Koran zu suchen“.

 

Seiner Ansicht nach hätte westliches Gedankengut in den Geisteswissenschaften zur Verbreitung von Unzufriedenheit und Protest in der Gesellschaft geführt und Zweifel an religiösen Grundlagen gesät. Khamenei brachte die Sorge zum Ausdruck, dass die Universitäten gar nicht genügend „religiöse und personelle Kapazität“ für zwei Millionen Studierende der Geisteswissenschaften (von insgesamt dreieinhalb Millionen Studenten) hätten. Er verlangte von der Regierung Ahmadinedjad, dem Parlament und dem „Hohem Rat der Kulturrevolution“, die Umbildung dieser Fächer „ernsthaft zu verfolgen“.

 

Nach diesen Äußerungen kündigte das Bildungsministerium den Aufnahmestopp in zwölf Studienfächern der Geistes-, Kunst- und Kulturwissenschaften an, darunter Sozial- und Politikwissenschaften und Psychologie. Das Ministerium ordnete eine Überprüfung der Inhalte dieser Fächer an.

 

Der Generalstaatsanwalt Sadegh Laridjani wies die Kritik einiger Intellektueller zurück, die von einer Politisierung der Geisteswissenschaften warnten: Die Umgestaltungen der Geisteswissenschaften seien zum Schutz des Systems notwendig, denn „wenn wir den Unterricht der Geisteswissenschaften auf säkularer Basis fortsetzen, bleibt kein Platz mehr für die Herrschaft des Rechtsgelehrten“.

 

Nach einem Bericht von Studentenaktivisten über „Verstöße gegen das Recht der Studierenden in 1389“, war die Situation der Studenten im vergangenen iranischen Jahr 1389 (20. März 2010 – 20 März 2011) besonders schwierig. Darin sind einige hundert Fälle von Inhaftierungen, Relegationen, Exilierungen, Verboten von studentischen Organisationen und Publikationen sowie Arbeiten kritischer Professoren oder deren Zwangsemeritierungen dokumentiert.

 

Safoura Eliassi, Sprecherin der Organisation „Kampf gegen Diskriminierung von Studenten“ schreibt in einem Beitrag für ihre Webseite dazu: „Die Rede des Herrn Khamenei von der Notwendigkeit der Überprüfung der Geisteswissenschaften ist mit Hilfe der Sicherheitskräfte durchgesetzt worden und hat eine neue Welle von Relegationen und Zwangsemeritierungen mit sich gebracht.“

 

Nach ihrer Einschätzung deuten die Statistiken auf eine zweite Kulturrevolution hin: „Während unter der Präsidentschaft Khatamis mehr Bücher und Übersetzungen veröffentlicht werden konnten, hat unter seinem Nachfolger Ahmadinedjad die ‚Bereinigung‘ der Universitäten an Intensität gewonnen.“

 

Eliassi notiert, dass die Geisteswissenschaften „zur Hauptsorge der Regierung um die Kontrolle der Universität“ geworden sind, denn diese Fächer seien nach Ansicht des Regimes „der Hort von Kritik und Widerstand“. Den personellen Restriktionen folgte die Einrichtung von Kontrollgremien und Neubesetzung der Lehrstellen der Geisteswissenschaften mit systemtreuen Personen.

 

Khamenei erklärte, dass nur diejenigen Professoren der Islamischen Republik würdig seien, die als „Offiziere des samtenen Krieges die Probleme, den Feind und seine Ziele erkennen, und Lösungswege gegen diese Feinde entwickeln“ könnten.

 

Bildungsminister Daneschju nannte im vergangenen Sommer als Einstellungskriterium für Professoren das „Bekenntnis zur Herrschaft des Rechtgelehrten“, denn die Pflicht der Universität sei die „Erziehung von Soldaten für den (verborgenen) Imam Mahdi“. Zudem hatte er gedroht, die Universitäten „dem Erdboden gleich“ zu machen, wenn sie nicht alle religiösen Pflichten erfüllt und sämtliche schiitische Zeremonien durchführt.

 

Damals hatte der Oppositionspolitiker Mir Hossein Mussawi in diesem Zusammenhang vor sowjetischen Verhältnissen gewarnt: Auch die Sowjets hätten nach Stalin die Geisteswissenschaften zu einer „materiellen und bourgeoisen Lehre“ erklärt, und sie deshalb weitgehend verboten.

 

Im letzten Monat erklärte der Vorsitzende der „Organisation zur Lektüre und Neufassung der geisteswissenschaftlichen Bücher an den Universitäten“, Ahmad Ahmadi, dass inzwischen 80 Bücher der Fachgebiete überarbeitet worden seien. Die Arbeit werde fortgesetzt, bis „keine unsittlichen Verstöße gegen die Kultur unseres Landes“ darin vorkommen.

 

Zwar zeigt die Erfahrung der letzten drei Dekaden, dass die Universitäten dem Druck des Regimes einigermaßen standhalten konnten. Gleichzeitig haben viele einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Die übermäßige Abwanderung der Intelligenz, die sicher nicht im nationalen Interesse des Landes liegen kann, wird als direkte Folge dieser Politik verstanden.