Türkische Proteste spalten iranische Medien

Während seit Tagen Hunderttausende in der Türkei demonstrieren, treiben staatliche Medien im Iran Propaganda gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Doch die Zahl der Stimmen, die das kritisieren, wächst. Über den Iran-Türkei-Konflikt in Zeiten der Aufstände.
Wer in den vergangenen Tagen die Berichterstattung des iranischen Staatsfernsehens und der staatlichen Nachrichtenagenturen beobachtet hat, könnte glauben, die iranische Regierung hätte auf Unruhen in der Türkei geradezu gewartet. Denn den jetzigen Stellungnahmen iranischer Politiker zufolge scheinen sie unausweichlich gewesen zu sein – als Folge einer dem Westen zugewandten Politik, die der Iran immer kritisiert habe.
So wird etwa der Abgeordnete Abasali Mansouri Araei mit den Worten zitiert, neben wirtschaftlichen und innenpolitischen Faktoren hätten die Unruhen in der Türkei auch mit der Außenpolitik des Landes zu tun: Es sei „ganz klar“, sagt der, „dass die Proteste mit der falschen Politik Ankaras gegenüber der Syrien zusammenhängen.“ Und der Abgeordnete Ebrahim Nekou teilt mit, sie seien eine Folge des „absoluten Gehorsams der Türkei gegenüber dem Westen“: Die Stationierung der Patriot-Luftabwehrsysteme an der syrischen Grenze habe die Muslime in der Türkei dazu gebracht, gegen ihre Regierung auf die Straße zu gehen, so Nekou.

Die türkische Polizei hat zwei Iraner verhaftet. Sie sollen die Demonstranten aufgehetzt haben - Foto: farsnews.ir
Die türkische Polizei hat zwei Iraner verhaftet. Sie sollen die Demonstranten aufgehetzt haben - Foto: farsnews.ir

Was steckt hinter der Anti-Erdogan-Politik aus Teheran? Zwei wichtige Hintergründe dieser Haltung liegen auf der Hand: zum einen die Wandlung der Türkei vom Verbündeten zum Gegner der Assad-Regierung in Syrien und ihre Unterstützung der syrischen Rebellen, zum zweiten ihre Kooperation mit der NATO, etwa die Stationierung von Raketenabwehrsystemen im Südosten des Landes. Beides erzeugt politische Spannung zwischen den einst verbündeten Nachbarländern und sorgt jetzt für die heftigen Reaktionen aus Teheran.
Warnung vor „laizistischen Kräften“
Doch während das iranische Staatsfernsehen versucht, im Interesse der Machthaber im Iran aus den Protesten in der Türkei die Anti-Erdogan-Stimmung zu vertiefen, gibt es auch immer mehr Stimmen im Iran, die davor warnen.
Das persischsprachige Nachrichtenportal Ayandeh News veröffentlichte vor einigen Tagen einen Kommentar, in dem die Berichterstattung des Staatsfernsehen kritisiert wurde: „Die Proteste gehen meist von laizistischen Gruppen aus, die für eine Trennung von Religion und Staat plädieren“, heißt es da. Dessen ungeachtet stürze sich aber „unser Staatsfernsehen mit großer Freude auf diese Ereignisse.“ Der Kommentator fragt: „Wollen wir wirklich, dass die jetzigen Machthaber in der Türkei gehen und stattdessen laizistische Kräfte in unserem Nachbarland an die Macht kommen?“ Auch das Nachrichtenportal iPress warnt: „Wir dürfen in unseren Analysen nicht vergessen, dass in der Türkei neben einer Anti-Erdogan-Politik eine Anti-Islam-Bewegung im Gange ist.“
Iraner verhaftet
Die Protestierenden in der Türkei werden von den iranischen InternetaktivistInnen, insbesondere in den sozialen Netzwerken, unterstützt. - Foto: abna.ir
Die Protestierenden in der Türkei werden von den iranischen InternetaktivistInnen, insbesondere in den sozialen Netzwerken, unterstützt. - Foto: abna.ir

Dass die Lage zwischen Ankara und Teheran gerade hoch angespannt ist, zeigt auch eine Meldung türkischer Medien aus der vergangenen Woche. Am 4. Juni wurde bei Protesten in Ankara der iranische Staatsbürger Shayan Shamlou verhaftet. Er soll die Demonstranten aufgehetzt haben. Das türkische Staatsfernsehen TRT meldete dazu, dem türkischen Sicherheitsdienst lägen Informationen vor, dass „Personen aus anderen Ländern“ zur Unterstützung der Proteste in die Türkei gekommen seien. Insgesamt fünf ausländische Staatsbürger wurden deshalb festgenommen, darunter zwei Iraner. Shamlou wurde Spionage vorgeworfen.
Einen Tag später wies das iranische Außenministerium den Vorwurf der Einmischung in die Unruhen in der Türkei zurück und forderte mehr Informationen über die Verhaftung der beiden Iraner. Inzwischen soll laut der iranischen Botschaft in Ankara einer der beiden wieder freigelassen worden sein.
Zuspruch aus der Internet-Community
Zuspruch findet der Aufruhr in der Türkei in der iranischen Internet-Community und dort vor allem bei Oppositionellen. Social Networks wie Facebook und Twitter werden als Plattformen benutzt, um Informationen aus der Türkei schnell weltweit weiterzugeben. Einige Internet-Aktivisten haben aus Solidarität mit den Protestierenden Facebook-Seiten wie etwa Solidarity with the People erstellt. Auch Blogger sind aktiv dabei. Der Blogger Shahin Shahr sieht die Hintergründe für den „türkischen Frühling“ in den „extrem islamistischen Maßnahmen“ der Erdogan-Regierung. Die Betreiber eines anderen Weblogs, Shabakeh Anarchisti, posten Fotos der Unruhen und schreiben dazu: „Hoch lebe der türkische Frühling“.