„Stop Killing!“

Iranische MenschenrechtsaktivistInnen protestieren gegen die brutale militärische Auseinandersetzung in Gaza. Und das nicht nur auf Teherans Straßen, sondern auch in der virtuellen Welt. Auch das Regime übt anlässlich des jährlichen Quds-Tags Kritik an Israel. Die fällt allerdings zurückhaltender aus als in den vergangenen Jahren.

Seit Beginn der Offensive in Gaza am 8. Juli wurden insgesamt 825 Palästinenser getötet. Auf israelischer Seite starben bislang 36 Soldaten und Zivilisten. “Stop killing your fellow being!” heißt eine Facebook-Kampagne, die von der iranischen Rechtsanwältin Nasrin Sotudeh und dem Filmregisseur und Oscar-Preisträger Asghar Farhadi gegründet wurde. Über 37.650 Menschen rund um den Globus haben die Seite bereits mit „Gefällt mir“ markiert.
„Wir leiden mit und sind gegen das Töten von unschuldigen Menschen überall auf der Welt, ob in Syrien, Irak oder Afrika“, sagt die Rechtsanwältin Sotudeh im Gespräch mit TFI. Die Kampagne sei aber gezielt den in Gaza lebenden Menschen gewidmet. Sie scheint bei Facebook-UserInnen gut anzukommen. Dutzende haben in den vergangenen zwei Wochen Fotos geschickt, auf denen sie an unterschiedlichen Orten der Welt stehen und dabei den Kampagnenslogan in die Kamera halten.
Die Rechtsanwältin hält Facebook für eine gute Plattform, da die Öffentlichkeit viel Druck auf Verantwortliche ausüben könne und über Facebook viele Menschen zu erreichen seien. Ihre Kampagne hat aber auch Kritiker. Der Facebook-User Naser Shamseddin etwa schreibt, Frieden entstehe nicht durch solche „Papier“-Aktionen: „Man muss militärisch vorgehen“, so Shamseddin auf der „Stop Killing“-Seite. Sotudeh denkt zwar genau das Gegenteil: „Für uns ist es von großer Bedeutung, auf welchem Wege man zum Frieden gelangt.“ Dieser sei nur durch Verhandlungen, nicht durch militärische Aktionen zu erreichen, betont die Rechtsanwältin. Doch auf der Facebook-Seite könne jeder seine Meinung sagen.
Mütter des Friedens

Die Gruppe „Mütter des Friedens“, kämpft für ein Ende der Gewalt in Gaza
Die Gruppe „Mütter des Friedens“, kämpft für ein Ende der Gewalt in Gaza

Auch die „Madaran-e Solh“, auf Deutsch „Mütter des Friedens“, kämpfen für ein Ende der Gewalt in Gaza. Am Mittwoch versammelten sie sich vor dem Büro der Vereinten Nationen (UN) in Teheran und trugen einen von der Gruppe verfassten offenen Brief vor. Darin fordern sie die Vereinten Nationen auf, die in Gaza eingeschlossenen Familien mit Medikamenten und Hilfsmitteln zu versorgen. Die Sicherheit der Region hänge von Frieden und Gerechtigkeit in Palästina ab. Der Aktion schlossen sich auch weitere Persönlichkeiten wie der Filmregisseur Jafar Panahai und der renommierte Journalist Isa Saharkhiz an. Die „Mütter des Friedens“ gründeten sich 2007 in Teheran. Iranische Frauen solidarisierten sich damals mit palästinensischen Müttern, deren Kinder dem Krieg zum Opfer gefallen waren.
Quds-Tag
Auch anlässlich des jährlich am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan vom Iran gefeierten Quds-Tages protestierten am Freitag Hunderttausende IranerInnen gegen die israelische Politik gegenüber den PalästinenserInnen. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Anders als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad hielt der als moderat geltende Präsident Hassan Rouhani jedoch bei der offiziellen Kundgebung zu dem Tag, der 1979 vom mittlerweile verstorbenen Gründer der islamischen Republik Iran, Ayatollah Ruhollah Khomeini, als gesetzlicher Feiertag ausgerufen wurde, keine Rede. Und auch die Ansprache des religiösen Führers des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, fiel zurückhaltender aus als sonst, Zwar habe Khamenei die Menschen in Westjordanland und Gaza aufgefordert, sich militärisch gegen Israel zu wehren. „Das Beseitigen des zionistischen Regimes“ bedeute aber nicht, so der Ayatollah, „Völkermord an den Juden zu begehen“. Gleichzeitig schlug der Geistliche ein Referendum vor, bei dem Israelis und Palästinenser über eine neue Staatsform abstimmen sollten.
Quds-Tag-Demonstration in Teheran
Quds-Tag-Demonstration in Teheran

„Damit fordert der Iran die Umsetzung und Einhaltung der UN-Resolution von 1967“, meint der Journalist und Nahost-Experte der BBC-Persian, Mohammad Amini gegenüber TFI. Demnach sollen israelische Streitkräfte sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen. Zugleich fordert die Resolution aber auch die Anerkennung Israels und seines Rechts, „innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen in Frieden zu leben frei von Drohungen und Akten der Gewalt“.  
Grund für die relative Zurückhaltung der iranischen Führung seien die Atomverhandlungen zwischen der Gruppe 5+1 und dem Iran in Wien, so Amini. Offizielle Reaktionen aus Teheran zum Gaza-Konflikt seien erst gekommen, als die Gespräche um weitere vier Monate verlängert worden waren. „Der Iran wollte negative Auswirkungen auf die Verhandlungen vermeiden“, so Amini. Auch ist die Beziehung der Iran zur Hamas seit der Syrien-Krise getrübt. Der Iran hat die Hamas jahrelang finanziell und militärisch unterstützt. Doch deren Führer schlossen sich den Gegnern des syrischen Regierungschefs Bashar Al-Assad an, statt aufseiten dieses Verbündeten des iranischen Regimes zu kämpfen. „Dennoch wird der Iran die PalästinenserInnen finanziell und militärisch solange unterstützen“, sagt Amini, „bis Israel die besetzen Gebiete an sie zurückgegeben hat“.
Am selben Tag kündigte der Berufsverband für “ Basar-Händler“ in einer öffentlichen Erklärung eine Bankverbindung an. Damit griffen die wohlhabend ultra-konservative Basaris die Initiative ein, um Spenden für Militärrüstung in Westjordanland zu sammeln. Der Berufsverband von “ Basar-Händler“ gehört der Basij-Miliz. Sie ist eine iranische Freiwilligenorganisation zur Unterstützung der islamischen Regierung und zählt zu einer der wichtigsten Zweigen der Revolutionsgarde.
  FOROUGH HOSSEIN POUR