Proteste gegen Atomabkommen nehmen zu

Wenige Wochen bevor die Verhandlungsfrist im Atomstreit abläuft, werden die iranische Regierung und die Verhandlungsdelegation enorm unter Druck gesetzt. Mit Sitzstreiks und Protestaktionen versuchen radikale Kräfte ein endgültiges Abkommen zu verhindern. Sie drohen sogar indirekt mit Krieg.

Die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den UN-Vetomächten und Deutschland befinden sich in der entscheidenden letzten Phase. Bis Ende Juni soll ein umfassendes Abkommen ausgehandelt werden, das den Iran am Bau atomarer Waffen hindern soll. Im Gegenzug zum Verzicht der Islamischen Republik auf den Ausbau ihres Atomprogramms sollen die internationalen Sanktionen gelockert und schrittweise aufgehoben werden, so das Vorhaben.

Mit dem Näherrücken der Frist intensivieren sich auch die Aktivitäten der radikalen Strömungen. Sie lehnen jeglichen Kompromiss mit dem Westen, insbesondere mit den USA, ab.

Am Montag hat die Universität „Imam Hussein“, eine Universität der Revolutionsgarde, eine Erklärung veröffentlicht, die den Befürwortern einer verbesserten Beziehung zu den USA „Schwäche“ und „Ergebung“ vorwirft sowie „revolutionäre Maßnahmen“ androht. Innerhalb von fünf Tagen ist dies die zweite Erklärung dieser Art der Universität.

Um den Präsidenten Rouhani und seine Atomunterhändler zu kritisieren, werden von den radikalen Kräften stets die gleichen Beschuldigungen hervorgebracht.

Am Dienstag hat eine Gruppe von Studierenden der Universität Shiraz mit einem Sitzstreik begonnen. Die örtlichen Medien schätzen die Anzahl der TeilnehmerInnen auf rund 600. Die Aktion, die sich gegen die „Habsucht“ der USA in den Atomverhandlungen richte, werde solange weiter gehen, bis die Forderungen ein Gehör finden, so die Veranstalter.

Keine Genehmigung für Protestversammlungen

Der iranische Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli verkündete kürzlich, dass keine Genehmigungen mehr für öffentliche Versammlungen und Kundgebungen, ob für oder gegen die Atomverhandlungen, erteilt werden. Trotzdem gab es in der letzten Woche mehrere Aktionen gegen die Atomverhandlungen, die offenbar entgegen des Verbots stattfanden.

Auf einer Antiregierungsdemonstration in Teheran - auf dem Plakat steht iranischer Außenminister Zarif vor einem Grabstein mit der Inschrift "Atomenergie"
Auf einer Antiregierungsdemonstration in Teheran – auf dem Plakat steht iranischer Außenminister Zarif vor einem Grabstein mit der Inschrift „Atomenergie“

In den letzten zwei Jahren wurden derlei Versammlungen meist von sogenannten „Besorgten“ (Delwapassan) organisiert oder unterstützt. Die verhältnismäßig kleine, aber einflussreiche ultrakonservative Minderheit übt Kritik an der Herangehensweise der iranischen Unterhändler und sieht „die Werte der islamischen Revolution, die Zielsetzung des Gründers der islamischen Republik, Ayatollah Khomeini und die wissenschaftlichen Fortschritte des iranischen Atomprogramms“ in Gefahr. Die „Besorgten“ sitzen im Parlament oder bekleiden hohe Ämter und werden von hochrangigen Mitgliedern der Revolutionsgarde und mächtigen Geistlichen unterstützt.

Auch die Anhänger des früheren Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad, die  entscheidende Ämter innehaben, sollen die Protestbewegungen gegen die Regierung von Hassan Rouhani unterstützen. Der frühere Chef der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA behauptete in einem Interview mit der Tageszeitung „Etemaad“, dass 76 Prozent der Regierungsbeamten „Männer von Ahmadinedschad“ seien. Am vergangenen Donnerstag fand in der Pilgerstadt Maschhad eine Aktion unter dem Motto „Wir lassen es nicht zu“ statt. Der Protest, dem nach Angaben der örtlichen Behörden keine Genehmigung erteilt wurde, richtete sich gegen „die Habsucht der UN-Vetomächte und Deutschland sowie die Demütigung des iranischen Volkes“. Der Parlamentarier Mehrdad Bazrpash, ein enger Vertrauter des Ex-Präsidenten Ahmadinedschad und einer der „Besorgten“ hielt auf der Versammlung eine Rede.

Zwei Tage später wurde eine ähnliche Veranstaltung unter dem Motto „Wir lassen es auch nicht zu“ in der Pilgerstadt Ghom organisiert. Gholam-Ali Haddad Adel, der frühere Parlamentspräsident und enge Vertraute des geistlichen Führers Ayatollah Khamenei, war dort Hauptredner. „Wir sind da, um unsere Besorgnis über das Verhalten der Verhandlungspartner auszudrücken. Wir sind besorgt, weil die USA unsere eigentlichen Ansprechpartner in den Verhandlungen sind, aber unser Volk ihnen nicht vertraut“, sagte Haddad Adel.

„Von Konflikten leben“

Den Abkommensgegnern wiederum werden eigenpolitische Interessen als Motiv ihres Widerstands nachgesagt. Ayatollah Mohsen Gharavian, ein bekannter Gelehrter an der  „Islamisch-Theologischen Hochschule von Ghom“ (Hoze Elmiye Ghom), reagierte auf die Protestaktionen der letzten Tage empört: „Sie wollen das Land in Kriegszustand versetzen. Sie hassen Frieden, Entspannung, gute Beziehungen und Abkommen jeglicher Art. Das liegt Ihnen im Blut“, sagte er am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur ILNA

Ein Plakat der "Besorgten"
Ein Plakat der „Besorgten“ – Einladung zu einer Protestversammlung in Teheran

Auch von finanziellen Interessen sollen bestimmte Funktionäre oder Stiftungen und Organisationen getrieben sein, wenn sie sich gegen ein mögliches Abkommen mit dem Westen stellen. Das deutete die iranische Regierung mehrfach an. Der Regierungschef Rouhani schlug Ende April in einer Rede denjenigen, „die mit den Sanktionen Geschäfte machen“ sarkastisch vor, sie sollten einem anderen Geschäft nachgehen.

Die Regierung strebt die Aufhebung aller internationalen Sanktionen an, die aber für einen Teil der Hardliner eine willkommene Rechtfertigung für ihre feindliche Einstellung gegenüber dem Westen seien, wie Experten mutmaßen. Der renommierte Politologe und Dozent der Teheraner Universität Sadegh Zibakalam etwa verwies darauf, dass ein Großteil der ultrakonservativen Politiker, die antiamerikanische Parolen verlauten lassen, durch ein Abkommen mit dem Westen an Einfluss verlieren würde. Deshalb werde vermehrt mit Gegenmaßnahmen gedroht.

Sogar ein möglicher Krieg wird angedeutet. Das Internetportal „Armanpress“, das den ultrakonservativen Kräften nahesteht, kritisierte Anfang der Woche die „Planlosigkeit“ der Regierung in Bezug auf die Atomverhandlungen. Es forderte die Regierung  auf, statt auf Frieden zu setzen, die Bevölkerung auf den „heiligen Krieg“ vorzubereiten, denn „bestimmt wird es einen Krieg geben“, versichert „Armanpress“.

Die Regierung will auf ihrem Kurs bleiben. Sie wird in ihrer Position vom geistlichen Führer Khamenei gestärkt. Auch die Gegner, die einen härteren Kurs verlangen, berufen sich auf Khamenei und seine wiederholten Äußerungen der letzten Monate, in denen er die Vertrauenswürdigkeit der USA in Frage stellte.

  IMAN ASLANI