Politisierung des Fastenmonats Ramadan

Der Fastenmonat Ramadan und die Entwicklungen in Syrien gehörten in den letzten Tagen zu den meistdiskutierten Themen der iranischen Internetgemeinde. Manche begrüßten Ramadan, andere reagierten auf den Zwangscharakter der Fastenzeremonie, die Warnungen der Polizei vor dem vorzeitigen Fastenbrechen in der Öffentlichkeit, und den Einsatz von Ordnungskräften zur Durchsetzung des Fastens.
Nach islamischer Tradition sollen die Gläubigen während des Fastenmonats Ramadan – in diesem Jahr vom 20. Juli bis 19. August – in der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken. Im Iran wird das Fasten sehr streng genommen und vom Staat kontrolliert. Verstöße gegen das Essverbot werden geahndet und können zu vorübergehenden Festnahmen führen.
Das Foto unten, das auf Facebook, Friendfeed und Google+ verbreitet wurde, zeigt einen Polizisten in Teheran in der Auseinandersetzung mit einem jungen Mann, der in der Öffentlichkeit gegessen hat. Twitter-Nutzer Vahid kritisiert das Verhalten der Regierung, das seiner Meinung nach die Menschen lediglich dazu ermutige, das Fasten nicht einzuhalten: „Dieses Verhalten hat das Fastenbrechen in der Öffentlichkeit von einer Seltsamkeit und Kuriosität, in eine Tugend verwandelt [als Zeichen des Widerstandes gegen das Regime, Anm. d. Red.].“ In einem weiteren Tweet kritisiert Vahid auch diejenigen Menschen, die nicht fasten und gleichzeitig auf die fastenden Gläubigen herabschauen: „Mittlerweile lehnen sich die nicht-Fastenden gegen die Fastenden auf. Sie denken, es sei modisch und weltoffen, nicht zu fasten“.
Farhad kommentiert die Art der Auseinandersetzung zwischen Fastenden und Nicht-Fastenden: „Ob jemand während des Ramadans fastet oder nicht ist eine ganz persönliche Entscheidung. Bitte bewertet und schikaniert Menschen nicht deswegen. “

Die Polizei und der Fastenbrecher - das Foto ging durch das persischsprachige Internet.
Die Polizei und der Fastenbrecher - das Foto ging durch das persischsprachige Internet.

Twitter-Nutzer Alireza Shirazi klagt darüber, wie sich das Fasten auf die Geduld und Laune der Menschen auswirkt: „Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie fasten möchten, und sich dann anderen Menschen gegenüber ungeduldig und schlecht gelaunt verhalten, dann lassen Sie das Fasten sein. Ich übernehme [vor Gott] die Verantwortung dafür.“
Opium, eine junge Frau aus Teheran, spricht davon, wie wenig Freude es während der Fastenzeit gibt: „Essen ist eines der wichtigste Amüsements im Iran. Das bedeutet, dass es praktisch für einen Monat kein Amüsement gibt.“ Sie fährt fort: „Auch in Anbetracht der Tatsache, dass Sportvereine, Kinos, Cafés, Schwimmbäder im Laufe des Tages geschlossen sind“.
Auf Google + kommentiert Vincenzo Delafonte, wie das Fasten im Iran für politische Ziele instrumentalisiert wird: „Der Iran ist das einzige Land, in dem das öffentliche Fastenbrechen mit Peitschenhieben bestraft , und die öffentliche Zurschaustellung des Fastens mit Amt und Würden belohnt wird.“
Rooznameh, ein konservativerer Twitter-Nutzer, reagiert auf die negativen Kommentare einiger Nutzer über Ramadan: „Diese ,coolen‘ Leute gehen zu weit, und sind Vaterlandsverräter“.
Auf sozialen Netzwerken wie Instagram begrüßten viele Iraner den Fastenmonat mit Fotos von Ramadan-Ritualen, wie dem Iftar – das Fastenbrechen am Abend. Das Tag Iftar (افطار) auf Instagram führt zu zahlreichen Fotos vom allabendlichen Fastenbrechen im Iran.
Transparency for Iran

Auf Google+ gibt Vahid HT einen (fiktive) Dialog zweier Frauen über die unterschiedlichen Ausprägungen von Ramadan in verschiedenen islamischen Ländern wieder: „Frau 1: Ich war während Ramadan in Malaysia und es fühlte sich ganz anders an als im Iran. Jede Person durfte verfahren wie sie wollte. Frau 2: In der Türkei, sind [während des Ramadan] alle Restaurants geöffnet, die Touristen essen und trinken, und es ist kein Problem.“
Der Syrien-Konflikt
Die Entwicklungen der vergangenen Wochen in Syrien haben auf Grund der engen Bindung zwischen dem Iran und Syrien die Aufmerksamkeit der reformorientierten Grünen Bewegung auf sich gezogen. Mehrere Facebook-Seiten wurden als Teil der Kampagne „Iraner unterstützen das syrische Volk “ gegründet, wie zum Beispiel die Seite „Assad muss weg“, die erklärt: „Wir sind Iraner, die alle pro-demokratischen Bewegungen im Nahen Osten unterstützen. Heute stehen wir mit der Syrischen Nation und verlangen, dass Assad bald gehen muss, egal mit welchen Mitteln.“
Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und sein syrischer Amtskollege und Freund Bashar Al-Assad. Foto: khodnevis.org.
Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und sein syrischer Amtskollege und Freund Bashar Al-Assad. Foto: khodnevis.org.

Eine andere Facebook-Seite zur Unterstützung des syrischen Volkes, „Revolution im Iran“, ruft zu Straßenprotesten im Iran auf, für den Fall, dass Assad gestürzt wird: „Das ist die beste Zeit für einen Aufstand. Der Tag des iranischen Zorns wird kommen.“ Die Seite meldet auch, dass sich überall im Iran SMS-Nachrichten mit dieser Aufforderung verbreiten.
Twitter-Nutzer Monem bewundert die Menschen in Syrien: „Wir sollten zu Ehren der Männer, Frauen und Kinder von Syrien applaudieren.“ Blind Owl stimmt dem zu: „Was auch immer geschieht, ich werde die Menschen in Syrien von jetzt an verehren.“ Behnam ist pessimistisch: „Gott behüte uns vor dem Tag, an dem der Iran wie Syrien wird. Stellt euch Teheran in den Wirren eines Bürgerkriegs vor …“
Einige Internetnutzer scherzen über die Folgen des Sturzes von Assad für die Iranische Regierung. Ensiloos schreibt in seinem Blog: „Wenn Bashar getötet wird, wird er vom Iranischen Regime als Märtyrer bezeichnet werden. Sie werden Straßen nach ihm benennen. In unseren Geschichtsbüchern und in den Schulen werden sie über Assads unterdrückte Familie sprechen und in der Grundschule werden sie Lektionen über ‚Assad‘s Legenden‘ in den Unterricht aufnehmen.“
Mit Verweis auf die hohen Preise für Geflügelfleisch im Iran scheibt Meysam: „Ich finde, man darf Assad nichtg mit dem Tod bestrafen, sondern ihn besser zwingen, sich im Iran für Hühnerfleisch in die Warteschlange zu stellen.“
FP

Aus dem Englischen: Resa Mohabbat-Kar
Quelle: Iran Media Programm
The Iran Media Program is a collaborative network designed to enhance the understanding of Iran’s media ecology. Our goal is to strengthen a global network of Iranian media scholars and practitioners (the Iran Media Scholars Network) and to contribute to Iran’s civil society and the wider policy-making community by providing a more nuanced understanding of the role of media and the flow of information in Iran. More.