Politisches Tauziehen im Iran

In diesen Tagen fallen in Teheran große Werbeplakate mit antiamerikanischer Propaganda ins Auge. Vor dem 34. Jahrestag der Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran bemühen sich die politischen Hardliner, die Gemüter für die alljährlichen landesweiten Demonstrationen gegen die USA aufzuheizen.
Eine ausgestreckte Hand, kurz davor, eine schreckenerregende Kralle zu drücken. Zwei Männer sitzen am Verhandlungstisch, vor ihnen je ein iranisches und amerikanisches Fähnchen. Der Iraner sieht freundlich aus, der Amerikaner hat einen zähnefletschenden Hund unter dem Tisch versteckt. Solche und ähnliche Motive sind seit etwa einer Woche auf Plakaten überall in der iranischen Hauptstadt zu sehen – an Wänden, auf Fußgängerbrücken und Stadtautobahnen. Auf allen lautet der Slogan: „Amerikanische Ehrlichkeit“. Was gemeint ist, ist eindeutig: Vorsicht bei der Annäherung an die USA.
Ob diese Plakate den neuen iranischen Präsidenten Hassan Rouhani daran hindern werden, seine auf Deeskalation gerichtete Außenpolitik zu ändern, ist fraglich. Doch eins werden sie mit Sicherheit erreichen: für mehr Hass unter den antiamerikanischen Islamisten im Iran zu sorgen.
Der Zeitpunkt der Plakataktion ist klug gewählt: Am 4. November jährt sich zum 34. Mal die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran. Damals hatte eine Gruppe von islamischen Studentinnen und Studenten „das Spionagenest der Amerikaner“ besetzt und 66 Diplomaten als Geiseln genommen – angeblich, um die Auslieferung des aus dem Land gejagten Schah Mohammad Reza Pahlavi zu erzwingen. Die Geiselnahme dauerte 444 Tage und führte zu einer tiefen Feindschaft zwischen beiden Regierungen und ihren Anhängern. Seitdem wird im Iran an jedem 4. November, dem „Tag der Bekämpfung des Imperialismus“, gegen die USA demonstriert.
Regierung für gute Beziehungen

In allen Städten Irans gibt es seit 1979 vereinzelt antiamerikanische Wandmalereien
In allen Städten Irans gibt es seit 1979 vereinzelt antiamerikanische Wandmalereien

In den vergangenen acht Jahren war unter Präsident Mahmoud Ahmadinedschad die Regierung selbst Rädelsführer der antiamerikanischen Demonstrationen. Doch dieses Jahr wird es anders sein. Der neue Präsident setzt auf Deeskalation und ist entschlossen, durch Annäherung an den Westen die Wirtschaftssanktionen gegen sein Land zu beenden. Dafür zeigt er sich im Atomstreit kompromissbereit, bietet sich als Vermittler im Syrien-Konflikt an und führte sogar ein Telefongespräch mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Barack Obama. Der Iran stelle weder für die Welt noch für die Region eine Gefahr dar, beteuerte Rouhani vor der UN-Vollversammlung.
Für den neuen außenpolitischen Kurs hat Rouhani offenbar auch die Unterstützung des religiösen Führers, Ajatollah Ali Khamenei. Dennoch wurde er nach seiner Rückkehr aus New York von Hardlinern, unter anderem von General Mohammad Ali Jafari, dem Chef der iranischen Streitkräfte, scharf kritisiert. Um für seinen außenpolitischen Kurs zu werben, beauftragte Rouhani gleich zwei Institute damit, die Meinung der BürgerInnen zu den iranisch-amerikanischen Beziehungen zu erfragen. Die Antwort ist eindeutig: 80 Prozent der Befragten haben sich für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu den USA gesprochen.
Wer steckt hinter der Plakataktion?
Mit dem Vertrauen des Volkes und des Staatsoberhaupts in der Tasche kann sich das Team um Rouhani einiges leisten – zum Beispiel, den Initiatoren der Plakataktion mit Konsequenzen zu drohen. Laut iranischen Medienberichten führt eine „Kunst- und Nachrichtenorganisation“ namens „Owj“ die USA-feindliche Aktion durch. Diese Organisation finanziert sich nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage aus staatlichen und privaten Mitteln, existiert seit dem Sommer 2011, und habe sich zum Ziel gesetzt, „die Errungenschaften der islamischen Revolution zu bewahren und weiterzureichen“.
Die Plakatierung sei weder mit dem Stadtrat noch mit dem nationalen Sicherheitsrat oder dem Außenministerium abgesprochen worden, beschweren sich Gholamreza Ansari und Mohsen Sarkhu, Mitglieder des Teheraner Stadtrates und Verbündete des neuen Präsidenten. Die Aktion sei gegen die nationalen Interessen und gefährde dazu noch die Verkehrsteilnehmer, sagte Sarkhu der Nachrichtenagentur Isna.
Auch das der Regierung gehörende Nachrichtenportal Iran News Network verurteilt die antiamerikanische Initiative. Dort freut man sich allerdings darüber, dass die Initiatoren ihre Wut auf die Annäherungsversuche des Irans an die USA nun durch Plakate zum Ausdruck bringen, statt wie bisher üblich weiße Leichentücher anzuziehen und sich damit auf den Märtyrertod vorzubereiten.
SSH/FP