Kein Ende für den Verhandlungs-marathon in Sicht

Nach der Verlängerung der Frist für Atomgespräche kann der Iran weiterhin auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage hoffen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Einigung im Atomstreit mit dem Westen, die für den Iran Sanktionslockerungen bedeuten würde. Profitieren könnte vor allem die für das Land so wichtige Erdölbranche.

Bis zum 20. Juli sollte der Streit um das iranische Nuklearprogramm zum Ende kommen. Doch für eine Einigung sind die Differenzen zwischen dem Iran und der sogenannten 5+1 Gruppe, bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschland, zu groß. Deshalb werden die Verhandlungen weitergeführt – voraussichtlich bis zum 24. November. Das angestrebte Abkommen soll dem Iran die friedliche Nutzung der Atomtechnologie ermöglichen, zugleich aber verhindern, dass Teheran Atomwaffen entwickelt. Im Gegenzug für Zugeständnisse des Iran sollen die Finanz- und Handelssanktionen aufgehoben werden, die der Westen im Zuge des Atomstreits gegen das Land verhängt hat. Die härtesten dieser Maßnahmen hatte 2012 die Europäische Union (EU) erhoben: Sie verhängte Sanktionen gegen iranische Zentralbank und die Erdölindustrie, Haupteinnahmequelle des Gottesstaates. Infolgedessen kämpft der Iran seit Anfang 2013 gegen die schwerste Wirtschaftskrise seiner Geschichte.
Büßen für vergangene Fehler

Verhandlungsführer/in in Genf: freudeige Umarmung nach der Einigung im November 2013
Verhandlungsführer/in in Genf: freudeige Umarmung nach der Einigung im November 2013

Laut Mahmoud Nili, Berater des iranischen Staatspräsidenten Hassan Rouhani, sind die wirtschaftlichen Probleme des Iran aber nicht nur auf die internationalen Sanktionen zurückzuführen, sondern auch hausgemacht. Zwar hätten die Sanktionen dem Land schwer zugesetzt: etwa die Erdöleinnahmen halbiert. Und dass dem Iran der Zugang zu internationalen Banken verwehrt sei, treffe das Land hart, sagte Nili der Nachrichtenagentur Fars News. Doch auch die populistische Politik von Rouhanis Vorgänger, Mahmud Ahmadinedschad, habe dem Land geschadet. Er habe die Hyperinflation angeheizt, so Nili: „Mitte der 2000er Jahre hat der Iran enorm von den hohen Erdölpreisen profitiert. Ahmadinedschad hat aber weit mehr Geld ausgegeben, als der Staat eingenommen hat.“ Gegen Ende seiner Präsidentschaft hatte der iranische Rial massiv an Wert verloren, die Wirtschaft war im Fiskaljahr, das im März 2013 endete, laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um sechs Prozent geschrumpft.
Laut dem iranischen Industrieminister Mohammad Nematzadeh hat besonders die iranische Industrie massiv gelitten: „In den vergangenen Jahren sind 14.000 mittlere und kleinere Betriebe dicht gemacht worden. Viele der sieben Millionen IranerInnen, die in der iranischen Industrie tätig waren, haben ihren Job verloren. Andere mussten drastische Lohneinbußen hinnehmen.“ 37 Milliarden Euro seien für  die Sanierung der iranischen Industrie notwendig, sagte jüngst Ölminister Bijan Namdar Zangeneh.
Mögliche Wende
„Dem Iran geht es wirtschaftlich so schlecht, weil die Höhe des Staatsbudgets von den Erdöleinnahmen abhängig ist“, sagt Nili. Doch es gibt auch gute Nachrichten für die: Die iranischen Rohölexporte haben wieder zugelegt. Derzeit werden rund 1,2 Million Barrel pro Tag exportiert. Nur 700.000 Barrel pro Tag waren es im Vorjahr, teilt die Rouhani-Regierung mit. Dennoch ist der Iran damit immer noch weit von den drei Millionen Barrel entfernt, die vor der Verhängung der Sanktionen täglich exportiert wurden. Um diese Zahl zu erreichen, müsste jedoch auch wieder mehr Öl gefördert werden. Täglich sind das derzeit 2,7 Millionen Barrel. Wären die Sanktionen aus dem Weg geräumt, könnte die Fördermenge sofort um 700.000 Barrel pro Tag gesteigert werden, so Erdölminister Zangeneh. Ziel sei, bis 2018 die tägliche Fördermenge auf 5,7 Millionen Barrel zu erhöhen.
Die Atomanlage Natans - Jahre lang ein Streitpunkt zuwischen dem Iran und dem Westen
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Um die schlechte wirtschaftliche Entwicklung zu stoppen, hat Rouhani die Ausgaben für öffentliche Wohnungsbauvorhaben reduziert und Preissubventionen für Benzin gekappt. Zudem hat seine Regierung eine Anti-Korruptionskampagne eingeleitet und den Gebrauch der Geldpresse durch die Zentralbank gezügelt. Mittlerweile ist die monatliche Inflation um die Hälfte gesunken. Der iranische Rial hat an Wert zugelegt, der IWF prognostiziert dem Iran bis 2015 ein Wirtschaftswachstum von bis zu 2,3 Prozent. 2012 und 2013 hatte das Land noch ein Negativwachstum gehabt.
Iran will wieder ins Geschäft kommen
Derweil haben iranische Diplomaten im europäischen und asiatischen Ausland eine Mission: Sie sollen verlautbaren, dass der Iran wieder auf Weltebene ins Geschäft kommen möchte. Der Fokus liegt dabei auf der Erdölbranche. Vertreter europäischer Energiekonzerne wie der französischen Total oder der niederländisch-britischen Royal Dutch Shell haben sich bereits im iranischen Erdölministerium eingefunden. Beide Firmen hatten vor den Sanktionen im Iran Erdöl gefördert. Es sei über ihre mögliche Rückkehr in den Iran gesprochen worden, ließen beide Seiten danach wissen.
  JASHAR ERFANIAN