Die Säbel rasseln wieder

Agentenstory hin, Zufälle her – die Fragen sind berechtigt. Wie soll man die iranischen Raketentests einordnen? Sind sie Provokation oder Politik oder provokante Politik? Wer zündete die Raketen, warum gerade an diesem Tag, gegen wen richtet sich das und wem nutzt es?

Dass die Verantwortlichen für Raketentests – die Revolutionsgarden – Präsident Rouhanis Politik mit allen Mitteln durchkreuzen wollen, das gaben und geben ihre Kommandeure wiederholt und unumwunden zu. Zu welchem Preis und mit welchen Konsequenzen, scheint ihnen offenbar vollkommen unwichtig zu sein. Trump im Weißen Haus und die Revolutionsgarden in ihrem: Was wollen, was können Rouhani und sein Außenminister Javad Zarif, die einst für Mäßigung eintraten, nun tun? Heute, wenige Monate vor dem Ende ihrer Amtszeit, werden sie den omnipotenten Garden weniger die Stirn bieten können als vor vier Jahren.

Vor vier Jahren konnte Rouhani Präsident werden, weil ihm der einflussreiche und gut vernetzte Ayatollah Ali-Akbar Hashemi Rafsandschani zur Seite stand. Deshalb stimmten auch Reformer, Unzufriedene und sogar Oppositionelle für Rouhani. Obwohl er fast alle seine Ämter verloren hatte, war Rafsandschani trotzdem einflussreich genug, um Khameneis Innen- und Außenpolitik offen kritisieren zu können. Mehr noch: Mit seinem weit verzweigten Netzwerk vermochte er auch Wahlen zu bestimmen, wie etwa Rouhanis Wahl zum Präsidenten. Diese Zeit ist aber vorbei. Denn Rafsandschani, der für Mäßigung nach innen und außen warb, ist tot.

Postmortale Entmachtung und Enteignung

Rafsandschani war nicht einmal 48 Stunden lang beerdigt, da stürmten Sicherheitskräfte seine und seiner Mitarbeiter Büros, die Räume wurden versiegelt, Dokumente und Korrespondenz beschlagnahmt. Denn Rafsandschani, der im Volksmund die „Black Box der Islamischen Republik“ genannt wird, hatte akribisch Tagebuch geführt. Von diesen Erinnerungen sind bis jetzt mehrere Bände erschienen, die von Freund und Feind begierig gelesen werden. Rafsandschanis Notizen sind nicht weniger als die wahre Geschichte der Islamischen Republik von der ersten Stunde an, persönlich erzählt von einem Machthaber aus der ersten Reihe.

Wird wieder Hasspropaganda gegen die USA zu einer Aufgabe der Ayatollahs? - Foto: Eine alte Wandmalerei in Teheran
Wird wieder Hasspropaganda gegen die USA zu einer Hauptaufgabe der Ayatollahs? – Foto: Eine alte Wandmalerei in Teheran

Es gebe noch viele geheime Notizen, die irgendwann veröffentlicht würden, die Zeit sei momentan nicht reif, kolportierten Rafsandschanis Vertraute immer wieder mit drohendem Unterton. Wahr oder nicht, ungewiss ist auch, was in jenen Räumen konfisziert wurde.

Einen Tag nach der Bürostürmung war die Freie Universität Irans, Rafsandschanis Lebenswerk, an der Reihe. Mit ihren 1,5 Millionen Studierenden und einem Vermögen von geschätzten 250 Milliarden Dollar war sie der eigentliche Kern jenes Netzwerkes, mit dem Rafsandschani, Rouhani und andere Reformer politisch zu agieren versuchten. Die drittgrößte Universität der Welt hat in fast jeder iranischen Stadt eine Niederlassung. Drei Tage nach Rafsandschanis Beerdigung erließ Khamenei ein Dekret, mit dem er die Universität seinem engsten Vertrauten Ali Akbar Velayati anvertraute – und vollzog so postmortal die völlige Enteignung und Entmachtung seines Rivalen.

Eingeschüchterter Rouhani

Waren diese Signale laut genug? Hat Rouhani verstanden, dass niemand wagen sollte, das entstandene Vakuum zu füllen?

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass der Präsident seit dem Tode Rafsandschanis die Bevölkerung wiederholt dazu aufgerufen hat, genau hinzuhören, was der Revolutionsführer sagt und will. Mehrere Reformer haben Khamenei in offenen Briefen aufgefordert, selbst die Rolle Rafsandschanis zu übernehmen und wie ein Vater der Nation zu agieren. Bis jetzt ohne Reaktion.

Wie viele Rollen muss Khamenei nun übernehmen? Gemäßigt nach außen, versöhnlich nach innen und zugleich radikal genug, um die eigentlich Mächtigen, nämlich die Revolutionsgarden, bei der Stange zu halten. Einstweilen bestimmen offenbar die Garden die Außenpolitik, es fehlen mäßigende Stimmen wie die von Rafsandschani, Rouhani und Zarif. Sie sehen sich gezwungen, selbst radikaler im Ton zu werden – und das zu einer Zeit, in der niemand weiß, was US-Präsident Donald Trump künftig im Nahen Osten zu tun gedenkt.

  ALI SADRZADEH

Persischsprachige Quellen

Nourizad über IranerInnen und Trump (auf Persisch)Nourizads Website (auf Persisch)Radio Farda , BBC-Persisch, Fars News