Kühle Debatten über möglichen Putsch

In dem besagten Interview sagt Hadjarrian das Scheitern von Präsident Rouhani voraus und zählt die innen- und außenpolitischen Gründe dafür auf. Der wirtschaftliche, soziale und außenpolitische Druck werde so groß, dass es nicht so weitergehen könne. Wahrscheinlich werde die Last bald so unerträglich, dass Präsident Rouhani schon in diesem Jahr kaltgestellt werde. Wie die Entmachtung des Präsidenten genau vollzogen wird, da legt sich Hadjarrian nicht fest. Er zählt nur die Möglichkeiten auf: freiwilliger Rücktritt oder ein Misstrauensvotum durch das Parlament, erzwungene Kabinettsumbildung oder offene Machtübernahme der Revolutionsgarden. Nüchtern und emotionslos analysiert er die Unwägbarkeiten und Konsequenzen der einzelnen Szenarien.
Kaum war dieses Interview erschienen, brach Sturm in den sozialen Netzwerken und auf verschiedenen Webseiten aus. Jeder sah sich bemüßigt, einen Kommentar abzugeben. Für das persischsprachige Programm der BBC waren Hadjarrians Thesen der Anlass für eine einstündige Talksendung mit verschiedenen Experten – wiederum rational, kalt und nüchtern.
Bei vielen Beobachtern herrscht der Eindruck, es liege etwas in der Luft, es werde bald etwas geschehen. Aber was? Niemand weiß es genau.
 Vorboten eines Erdbebens
Einer nach dem anderen erklären dieser Tage die großen europäischen Konzerne, sie würden sich aus dem Irangeschäft zurückziehen. Der Erdölkonzern Total, der Autobauer Renault aus Frankreich, Siemens aus Deutschland, selbst aus der neutralen Schweiz kommen Hiobsbotschaften: Vor wenigen Wochen hatte der Schweizer Konzern Stadler eine Absichtserklärung für die Lieferung von 960 U-Bahn-Wagen an den Iran unterzeichnet. Der definitive Zuschlag für den 1,3-Milliarden-Deal war nur noch Formsache. Jetzt zieht sich auch Stadler zurück, die Chinesen könnten zum Zug kommen.
Der Dollarkurs auf dem iranischen Schwarzmarkt steigt und mit ihm die Preise – und die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Jüngstes Beispiel: Seit dem 22. Mai streiken die Lastwagenfahrer gegen den Anstieg ihrer Kosten und das damit verbundene Sinken ihrer Einkommen. Der Streik begann in den Provinzen Isfahan, Qezwin, Rasht, Shiraz und Banderabbas und weitete sich schnell auf andere Regionen aus. Ein Lastwagenbesitzer erzählte der Nachrichtenagentur Fars, die Preise für Ersatzteile stiegen beinahe stündlich.

Präsident Rouhanis Flugzeug steht auf der US-Sanktionsliste!
Präsident Rouhanis Flugzeug steht auf der US-Sanktionsliste!

 
Keine Kerosin für Regierungsflugzeuge
All das allein schon wegen der bloßen Ankündigung von US-Sanktionen – die Sanktionen selbst sollen erst in einigen Wochen in Kraft treten, die ganz harten im kommenden Herbst. Schon jetzt bekommen iranische Flugzeuge auf vielen Flughäfen der Welt kein Kerosin mehr, es sei denn, man zahlt Cash. Koffer voller Dollar müssen also mitfliegen, wenn die Maschine heimkehren soll.
Und selbst gegen diese Art der Zahlung hat sich die US-Administration etwas einfallen lassen: In der vergangenen Woche hat das US-Finanzministerium Sanktionen gegen 31 iranische Flugzeuge erlassen. Selbst gegen Bargeld dürfen diese Maschinen nicht mehr betankt werden: Fünf davon sind Regierungsmaschinen. Präsident Rouhani und sein Außenminister Javad Zarif werden sich für bestimmte Flugziele etwas einfallen lassen müssen.
Der Ayatollah spricht von Tom und Jerry
„Amerika wird, wie der Kater in der berühmten Geschichte von Tom und Jerry, auch diesmal verlieren. An der Niederlage des Feindes haben wir keinen Zweifel. Und jeder, der die islamische Lehre kennt, weiß dies.“ Das ist der Originalton von Ayatollah Ali Khamenei, so gesprochen am vergangenen Mittwoch. Es ist der zehnte Tag des Fastenmonats Ramadan, der Revolutionsführer hat zum Fastenbrechen zu sich eingeladen, die wichtigsten Kommandanten der Sicherheitskräfte und die Regierung.
Doch ob die Geschichte auch diesmal genauso lustig und erheiternd sein wird, wie es bei Tom und Jerry der Fall ist, scheint zweifelhaft.
Ayatollah Khamenei ist für seine Feindschaft gegenüber der westlichen Kultur bekannt. Trotzdem glaubt er offenbar, sein Verweis auf Tom und Jerry könne Donald Trump beeindrucken. Doch Trump kennt die persische Kultur nicht, sonst könnte er ebenfalls mit einer Katz-und-Maus-Geschichte antworten. Nämlich mit einer alten persischen Fabel: Sie wurde vor siebenhundert Jahren von dem persischen Dichter und Schriftsteller ‚Obeyd-e Zakani verfasst. Die Geschichte weist auf das moralische Dilemma des Unterdrückten hin, der sich ohnmächtig sieht. Die Mäuse, die gegen die Herrschaft der Katzen kämpfen, scheitern nicht nur an ihrer Schwäche, ihrer Kleinheit oder ihrer Furcht, sondern auch an ihrer Unüberlegtheit und der Grausamkeit der Katzen. Die Mäuse haben keine Alternative.♦
© Iran Journal

Zur Startseite

Auch diese Beiträge können Sie interessieren:
Das nicht enden wollende Auf und Ab der iranischen Außenpolitik
Die iranische Ausweglosigkeit