Die Menschenrechts-brückenbauerInnen

Nach der Erklärung des EU-Parlaments über die Ausweitung des Handels und die Normalisierung der Beziehungen mit dem Iran am 26. Oktober 2016 wurde eine weitere Erklärung verabschiedet, die das Regime in Teheran zur Einhaltung der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte sowie zur Abschaffung der Todesstrafe mahnt. Auch die iranbezogenen Berichte von Amnesty International oder den UN-SonderberichterstatterInnen für den Iran kommen mithilfe von Exil-AktivistInnen zustande. „Wenn Amnesty einen Bericht über den Iran vorbereitet, kommen sie auch zu uns und verwenden unsere Dokumentationen“, berichtet Mahmoud Rafi. Im November 2016 wurde auch in der Dritten Kommission der UN-Generalversammlung ein Resolutionsentwurf verabschiedet, in dem der Iran zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnt wird. Die Kommission fordert darin die Achtung der Meinungsfreiheit, das Ende willkürlicher Verhaftungen und der Missachtung der Frauenrechte im Iran.

Junge AktivistInnen

Die Ereignisse nach den Wahlen 2009 und die Flucht vieler junger iranischer AktivistInnen und JournalistInnen ins Ausland belebten das Protestleben im Exil. Ihre Rolle darin kann heute nicht mehr unterschätzt werden. Sie berichteten über die geheimen Gefängnisse und die Foltermethoden des Regimes. Sie machten die sexuellen Übergriffe, die als Foltermaßnahmen an jungen Männern und Frauen angewandt wurden, öffentlich und halfen den Opfern, darüber zu berichten. Sie organisieren Proteste und Bürgerinitiativen und unterstützen Kampagnen für Meinungs- und Religionsfreiheit und die Abschaffung der Todesstrafe.

Eine der bekanntesten JournalistInnen, die im Zuge der Grünen Bewegung den Iran verließen, ist Massih Alinejad. Sie nimmt nun vom Ausland aus mit den Familien der Gefangenen im Iran Kontakt auf und macht deren Fälle öffentlich. Alinejad ist auch die Gründerin der Kampagne „Meine heimliche Freiheit“, die gegen Zwangsverschleierung im Iran kämpft.

Sieben Mitglieder des Führungsgremiums der Bahai im Iran sitzen seit 2008 in Haft
Sieben Mitglieder des Führungsgremiums der Bahai im Iran sitzen seit 2008 in Haft

Zu den Erfolgen der Exil-AktivistInnen gehören noch weitere Kampagnen, die in sozialen Netzwerken zur Aufklärung über die Lage der politischen Gefangenen im Iran geführt werden. So wurde in den vergangenen Wochen der Fall von Arash Sadeghi veröffentlicht. Sadeghi ist ein politischer Gefangener, der aus Protest gegen die Inhaftierung seiner Frau in den Hungerstreik trat. Öffentliche Protestaktionen bewirkten, dass sie einen fünftägigen Hafturlaub bekam. Unter dem Hashtag #SaveArash hatten AktivistInnen im In- und Ausland einen regelrechten Twitter-Sturm ausgelöst. Auch der Fall des ebenfalls hungerstreikenden politischen Häftlings Ali Shariati wurde – unter dem Hashtag #SaveAli – auf diese Weise bekannt gemacht. Mittlerweile hat das Europaparlament die sofortige Freilassung beider Gefangenen gefordert. Die Vorbereitungen solcher Aktionen werden meist aus dem Exil heraus organisiert, da die AktivistInnen dort freien Zugang zu sozialen Medien haben. Eine Tweet-Liste wird vorbereitet, die alle zur verabredeten Zeit bekommen, um den „Sturm“ auslösen zu können.

„Wenn die Gefangenen und ihre Familien sehen, dass ihre Belange weltweit Aufmerksamkeit erlangen, gibt ihnen das Mut und Zuversicht, um gegenüber dem Regime durchzuhalten. Das ist positiv“, so Abdolkarim Lahiji. Doch trotz der Hoffnung, die solche Aktionen machten, könnten sie wenig am allgemeinen Zustand der Menschenrechte im Iran ändern. Nach wie vor wird politischen AktivistInnen und BürgerrechtlerInnen dort „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ vorgeworfen. Zum Christentum konvertierte MuslimInnen werden vom Regime verfolgt. Angehörige der religiösen Minderheit der Baha’i dürfen nicht studieren oder ihre Berufe nicht ausüben. Muslimische Derwischorden werden stark kontrolliert. Politische AktivistInnen ethnischer Minderheiten wie der Kurden, Belutschen oder Araber sind Repressalien ausgesetzt und ihnen wird Separatismus vorgeworfen.

Ob die Aktivitäten der ExiliranerInnen also zu einer grundsätzlichen Veränderung der Menschenrechtslage im Iran führen können, ist fragwürdig. Doch eins haben die ExilantInnen erreicht: Indem sie über die Zustände im Iran aufklären und damit einen wichtigen Beitrag zur Transparenz in Sachen Menschenrechte in der Islamischen Republik leisten, haben sie eine wichtige Rolle in der internationalen Gemeinschaft übernommen.

 MAHINDOKHT MESBAH

Weiterführende Links: 

Iranische Studentenproteste im Juli 1999

Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009

Offener Brief zu Massenhinrichtungen 1988 im Iran