„Alles dreht sich um sexuelle Identität“

Einige Organisationen haben versucht, als Bindeglied zwischen AktivistInnen, ExpertInnen und Medien zu agieren. Sie haben jedoch in der Regel ein überschaubares Budget und somit einen kleinen Handlungsspielraum. Einen Topf, der alle Bemühungen und Aktivitäten bündelt, gibt es aber nicht. Viel wird über große Emailverteiler ausgetauscht. Die Journalisten machen mit. Es gibt aber keine Verbindlichkeit und somit keine Verantwortung.

Haben sich bisher iranische KünstlerInnen als LGBT geoutet?

Es gibt nur einen Choreografen, der sich offen über seine Homosexualität äußert. Die einen fürchten um ihren Ruf oder Beliebtheit. Die anderen unterstützen zwar die LGBT-Gemeinschaft, äußern sich jedoch nicht öffentlich dazu. Nur ihre enge Umgebung ist eingeweiht.

Welche Rolle spielen die, die sich im Ausland zu LGBT bekennen?

Auf Homosexualität im Iran stehen harte Strafen bis hin zur Hinrichtung
Auf Homosexualität im Iran stehen harte Strafen bis hin zur Hinrichtung

In dieser Szene aktiv zu sein hat viele Konsequenzen. Viele wollen ihre Umgebung schützen. Es ist verständlich, dass sich viele nicht anschließen wollen. Aber die LGBTs im Ausland, die es finanziell geschafft haben, können anderen unter die Arme greifen. Es gibt solche Einzelfälle, aber kein etabliertes Netzwerk von UnterstützerInnen.

Ein Großteil der iranischen LGBT-Gemeinschaft lebt in der Türkei. Wie geht es ihnen dort?

Viele leiden unter Depressionen. Sie dachten, es sei ihre Rettung, den Iran zu verlassen. Doch diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Am stärksten sind die Transgender betroffen, die eine Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau durchgeführt haben. Ihre Lage verbessert sich auch in der Türkei nicht. Sie finden keine Arbeit, sind in finanzieller Not und eine Hormontherapie ist sehr kostenintensiv. Außerdem ist die türkische Gesellschaft sehr männlich geprägt und Transgender sind nicht gut angesehen. Vor dem Krieg in Syrien war die Lage in der Türkei besser. Ein Asylverfahren hat früher eineinhalb Jahre gedauert, heute nimmt es drei Jahre in Anspruch. Außerdem ist die Türkei ein sehr sexistisches Land. Die LGBTs greifen oft zu Drogen, um sich gegen den Druck zu betäuben.

Geht es ihnen in anderen Ländern besser?

In manchen Ländern wie Norwegen oder Kanada sind LGBT-Asylsuchende im Vorteil. Doch derzeit konzentrieren sich alle Länder auf die Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten.

  Interview: Mahindokht Mesbah

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