Sportarena als Miniatur der Gesellschaft

Sie weichen schlichtweg aus. Im Falle des Stadionverbots für Iranerinnen reden die Verbände auf Nachfrage immer von „kulturellen Paradigmen“, an denen man nicht rütteln wolle. Dabei ist das eine ganz schwache Ausrede. Das Stadionverbot hat nämlich keine kulturhistorische Dimension. Es gab Zeiten, da waren ein Drittel der Volleyballfans in Teherans Azadi-Stadion, was nebenbei übersetzt „Stadion der Freiheit“ bedeutet, Frauen. Es gibt im Iran nicht einmal ein Gesetz, das es Frauen explizit verbietet, öffentliche Sportveranstaltungen zu besuchen. Das Verbot existiert also nur aus einem Grund – und der ist weder kulturell, noch historisch. Er ist politisch. Ali Khamenei und die Führungsriege des iranischen Regimes wollen Frauenrechte im Sinne ihrer religiösen Überzeugungen noch weiter einschränken. Das gilt es zu verhindern.
Sind Sie vor diesem Hintergrund auch gerade von Präsident Hassan Rohani enttäuscht, der nach seiner Wahl vor drei Jahren für viele Menschen im In- und Ausland für politische Reformen und eine gesellschaftliche Öffnung stand?
In Hinblick auf die Rechte von Frauen war Rohanis Amtszeit bisher skandalös – und das, obwohl er 2013 viele Versprechen, auch bezüglich einer Lockerung des Stadionverbots, gemacht hatte. Erst im vergangenen Mai wurde ein 15-jähriges Mädchen verhaftet, das sich als Junge ausgab, um das letzte Spiel der iranischen Fußballsaison live mitzuerleben. Im Juli wurde angekündigt, dass die Spiele der iranischen Volleyball-Nationalmannschaft wieder für Frauen zugänglich gemacht werden sollten. Als dann ein paar Tage später der Online-Verkauf der Tickets begann, waren sie sofort mit dem Hinweis „ausverkauft“ versehen. Die Probleme bleiben also dieselben. Rohanis negative Bilanz hat mich allerdings nicht überrascht.

Darya Safai (2., re.) bei der EM 2016 in Frankreich - Foto: Farya Safai
Darya Safai (2., re.) bei der EM 2016 in Frankreich – Foto: Farya Safai

Warum?
Erstens war Rohani derjenige, der 1999 als Berater des „Nationalen Sicherheitsrates“ dazu aufrief, die Studentenproteste niederzuschlagen – so viel zu seinem Reformwillen. Zweitens sind die Hoffnungen, die Menschen in einen iranischen Präsidentenwechsel setzen, vollkommen realitätsfern. So wie alle Präsidenten vor ihm ist auch Rohani nur eine Marionette Khameneis.
Haben Sie vor diesem Hintergrund noch Hoffnung, dass sich die Frauenrechtslage im Iran in Zukunft verbessern wird und Sie Ihr Ziel, die Aufhebung des Stadionverbots, erreichen können?
Ich hatte in meiner Jugendzeit in Teheran einmal einen Schultag erlebt, da wurde ich in das Büro des Schulleiters bestellt, weil ich zu laut über den Witz einer Freundin gelacht hatte. „Gute Mädchen lachen leise“, sagte er. Das war wie ein Trauma für mich. Auf Fotos von damals sieht man mich nie lächeln. Doch schauen Sie mich heute an. Ich kann wieder lachen. Was ich sagen will: Manchmal brauchen Veränderungen mehr Zeit als uns lieb ist, aber irgendwann passieren sie.
Was müsste getan werden, um diese Veränderungen schneller zu erwirken?
Es bräuchte ein breiteres politisches und gesellschaftliches Engagement für die Frauenrechte in Iran. Bei dem Thema der nuklearen Aufrüstung haben internationale Akteure an einem Strang gezogen, um Khameneis Regime mittels Verhandlungen und harten Sanktionen zum Umdenken zu bewegen. Am Ende war das ein Erfolg. Solch einen Einsatz und so eine Hingabe würde ich mir auch beim Thema Frauenrechte wünschen. Dann sehen Sie Frauen wie mich auch bald wieder auf den Stadiontribünen Teherans.
  Interview: KAI SCHNIER
© Qantara.de 2016
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